Berlin. Saar-Regierungschef Tobias Hans (CDU) warnt im Interview vor “übergroßer Ängstlichkeit“ in der Pandemie - und ruft zum Kurswechsel auf.

Tobias Hans hat im Bundesrat das niederländische Königspaar getroffen, bevor er zum Interview in unsere Berliner Redaktion kommt. Der 43-jährige Saarländer ist Deutschlands jüngster Ministerpräsident - und hat sich in der Corona-Krise einen Namen gemacht.

Die Corona-Zahlen steigen wieder, die Delta-Variante breitet sich aus. Freuen sich die Menschen vergeblich auf einen unbeschwerten Sommer?

Tobias Hans: Wir müssen verhindern, dass auf einen einigermaßen unbeschwerten Sommer wieder ein sehr sorgenvoller Herbst folgt - und vorbereitet sein auf das, was kommen kann. Aber wir sollten nicht in eine übergroße Ängstlichkeit verfallen. Am Ende kommt es darauf an, eine Überforderung unseres Gesundheitssystems zu vermeiden.

In Großbritannien gelingt das bislang - trotz steigender Inzidenzen. Ich glaube, wir müssen nach dem Sommer viel mehr als bisher auf die Krankenhausbelegung schauen, also auf die faktische Belastung unseres Gesundheitssystems, und weniger auf die Inzidenz. Dieser Wert verliert an Aussagekraft, je mehr getestet wird und je mehr Menschen geimpft sind.

Ein Wechsel ins Team von Kanzlerkandidat Armin Laschet? „Mein Platz ist im Saarland“, sagt CDU-Ministerpräsident Tobias Hans beim Besuch in unserer Berliner Redaktion.
Ein Wechsel ins Team von Kanzlerkandidat Armin Laschet? „Mein Platz ist im Saarland“, sagt CDU-Ministerpräsident Tobias Hans beim Besuch in unserer Berliner Redaktion. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

In Großbritannien sollen alle Beschränkungen fallen. Empfehlen Sie Boris Johnson als Vorbild?

Hans: Die Pandemie ist noch nicht am Ende. Aber die Beschränkungen können auch in Deutschland nur so lange aufrechterhalten werden, wie sie dazu dienen, eine Überforderung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Das bedeutet: Wenn wir allen ein Impfangebot gemacht haben, die Impfung wirksam ist gegen die vorherrschenden Virusvarianten und die Belegungszahlen in den Krankenhäusern auf niedrigem Niveau verharren, müssen wir unsere Corona-Maßnahmen schrittweise zurücknehmen. Alles andere wäre auch verfassungsrechtlich nicht haltbar.

Ein Impfangebot ist noch keine Impfung - und vollständig geimpft sind in Deutschland gerade 40 Prozent. Wie realistisch ist Herdenimmunität?

Hans: Wir haben massiv aufgeholt gegenüber Ländern wie Israel oder Großbritannien, die anfangs beim Impfen weit vorne waren. Ich bin ganz optimistisch, wenn jetzt genügend Impfstoff da ist, dass von den Angeboten auch Gebrauch gemacht wird. Vielleicht sogar überdurchschnittlich im Vergleich zu anderen Ländern.

Wie soll das gelingen?

Hans: Wir müssen mit der Impfkampagne hin zu den Menschen. Bisher haben die Bürgerinnen und Bürger die Impfzentren und Hausärzte aufgesucht. Jetzt braucht es neue Instrumente wie mobile Teams und Sonderaktionen gerade auch in sozialen Brennpunkten, um dort ein Impfangebot zu machen.

Wir müssen Anreize setzen für junge Leute - und sie davon überzeugen, dass sie auf Tests und Maske verzichten können, wenn sie sich impfen lassen. Und warum sollen die Impfungen nicht an beliebten Treffpunkten stattfinden etwa wie in Szenevierteln?

Griechenland zahlt sogar Prämien an junge Leute, die sich impfen lassen.

Hans: Wir sollten erst einmal auf die Solidarität der Menschen setzen. Impfen ist ein solidarischer Akt, und gerade junge Leute waren unglaublich solidarisch in dieser Pandemie. Ich halte nicht so viel davon, Menschen dafür zu bezahlen, dass sie sich impfen lassen.

Aber man könnte an eine Verlosung denken, bei der unter den Impfbereiten beispielsweise ein Fahrrad, ein Fremdsprachenkurs oder ein anderer schöner Preis ausgegeben wird.

In Deutschland wird mehr über Strafen für Bürger diskutiert, die ihren Impftermin verfallen lassen.

Hans: Ich bin kein Freund davon, direkt mit Sanktionen zu drohen. Jedoch sollte die Art und Weise, wie man sich bei der Absage oder Verschiebung eines Friseurtermins verhält, erst recht für den Impftermin gelten. Auf jeden Fall muss man bewusst machen, dass bloßes Fernbleiben ein Schlag ins Gesicht derjenigen ist, die seit Monaten auf einen Impftermin warten.

Wie denken Sie über Politiker wie den stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger, die demonstrativ auf eine Impfung verzichten?

Hans: Ich finde das schwierig. Selbstverständlich ist die Impfung eine persönliche Entscheidung. Als Politiker ist man aber immer auch in einer Vorbildfunktion. Impfen ist Bürgerpflicht.

Bleibt es ausgeschlossen, dass aus der Bürgerpflicht eine Rechtspflicht wird?

Hans: Ja, eine Impfpflicht schließe ich aus.

Noch elf Wochen bis zur Bundestagswahl, und der Vorsprung der Union in den Umfragen wächst. Wie siegessicher sind Sie, Herr Hans?

Hans: Wir sollten uns nicht von Umfragen beeinflussen lassen - weder von schlechten noch von guten. Aber von guten Umfragen kann man aktuell auch nicht sprechen. Wir haben den Anspruch, Volkspartei zu sein, und da geht sicherlich noch mehr.

Was ist Ihr Wahlziel?

Hans: Um eine echte Volkspartei zu bleiben, sollten wir wieder die 37-Prozent-Marke anstreben. Dies muss unser langfristiges Ziel bleiben. Dass es möglich ist, haben Rainer Haseloff und seine CDU in Sachsen-Anhalt jetzt gezeigt. Ob uns dies bei der Bundestagswahl im Herbst gelingt, steht in den Sternen, schließlich stehen wir vor einem schweren Wahlkampf.

Von Armin Laschet ist gerade wenig zu hören. Genügt es, sich auf die Fehler der grünen Kanzlerkandidatin zu verlassen?

Hans: Armin Laschet macht es hervorragend als Kanzlerkandidat - auch weil die Union geschlossen hinter ihm steht. Er hat unsere volle Unterstützung und wird die erfolgreiche Regierungspolitik von Angela Merkel fortsetzen.

Welche Akzente erwarten Sie von Laschet in den Wochen vor der Wahl?

Hans: Es braucht auf der Zielgeraden eine Begeisterung für unsere Politik. Ich persönlich brenne dafür, dass wir Klimaschutzpolitik und Industriepolitik miteinander versöhnen, Deutschland nach vorne bringen bei der Forschung über künstliche Intelligenz - und dass wir europäische Antworten geben auf die Herausforderungen unserer Zeit.

Können Sie sich vorstellen, in Laschets Team zu wechseln?

Hans: Ich bin unglaublich gerne Ministerpräsident des Saarlands. Das Amt füllt mich aus und hier kann ich gerade auch bundespolitisch viel für mein Land voranbringen. Mein Platz ist im Saarland.

Sie hatten sich dafür ausgesprochen, dass Markus Söder die Union in die Bundestagswahl führt. Welche Rolle sehen Sie nun für den CSU-Chef?

Hans: Wir haben mit Armin Laschet und Markus Söder zwei herausragende Persönlichkeiten. Für ihren Erfolg braucht die Union - neben der schwesterlichen Verbundenheit - auch die Unterschiedlichkeit von CDU und CSU. Wir brauchen also beide.

Schrille Töne kommen vom CDU-Rechtsausleger Hans-Georg Maaßen, der zuletzt eine Gesinnungsprüfung für ARD-Journalisten forderte. Wie lange wollen Sie dem Treiben des früheren Verfassungsschutzpräsidenten noch zuschauen?

Hans: Die Äußerungen von Herrn Maaßen sind in jeglicher Hinsicht falsch und schädlich für die Union. Sie sind schlichtweg nicht mit uns vereinbar. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie. Dazu gehört eine staatsferne, objektive, unparteiische und kritische Berichterstattung. Mehr Zum Thema:Laschet gerät wegen Maaßen zunehmend in Bedrängnis

Hat Maaßen noch einen Platz in der CDU?

Hans: Herr Maaßen ist von der CDU in Südthüringen als Bundestagskandidat aufgestellt worden. Er sollte darüber nachdenken, was er gesagt hat und ob er damit noch in der richtigen Partei ist. Diese Frage muss er jetzt beantworten.

Ein Parteiausschlussverfahren würden Sie nicht einleiten?

Hans: Wir müssen klar benennen, wenn Dinge von Parteimitgliedern gesagt werden, die nicht zu uns passen. Ein Parteiausschlussverfahren ist aber an sehr hohe Hürden gebunden. Und es gibt jemandem Bedeutung, der eigentlich keine Bedeutung hat in der Union.