Berlin. Die FDP schneidet ihre Wahlkampagne wieder ganz auf den Parteichef zu. Der rechnet sich Regierungschancen aus – mit Union und Grünen.

Vier Jahre ist es her, dass sich Christian Lindner für Werbespots in Schwarz-Weiß-Optik bis aufs Unterhemd auszog, um als Bruce Willis der FDP mit vollem Körpereinsatz für den Wiedereinzug ins Parlament zu kämpfen.

Lindner im Videoclip, eine Mischung aus Männermodel und einsamer Wolf – das stieß auf viel Spott, half aber durchaus dabei, den Liberalen einen neuen, coolen Anstrich zu verpassen. Heute, nach vier Jahren Opposition im Bundestag, will Lindner anders wirken.

„Wir gehen als Freie Demokraten in den Wahlkampf mit dem Anspruch, Verantwortung für unser Land zu übernehmen“, sagt Lindner bei der Vorstellung der FDP-Wahlkampagne am Dienstag in Berlin. Dunkelblauer Anzug, die Stimmlage eine Stufe sonorer als früher. Viel ist die Rede von „staatspolitischer Verantwortung“, von Regierungsbildung, sein Generalsekretär spricht später von der FDP als „gereifter Partei“.

FDP-Chef Christian Lindner bei der Vorstellung der Kampagne für die Bundestagswahl: Die Liberalen setzen auch in diesem Wahlkampf auf Schwarz-Weiß-Fotos ihres Frontmanns.
FDP-Chef Christian Lindner bei der Vorstellung der Kampagne für die Bundestagswahl: Die Liberalen setzen auch in diesem Wahlkampf auf Schwarz-Weiß-Fotos ihres Frontmanns. © dpa | Bernd von Jutrczenka

Nach 16 Jahren Merkel sei es „Zeit für einen neuen Aufbruch“, sagt Lindner. „Wir treten für einen Politikwechsel an.“ Die Kernsätze, die Lindner dann vorträgt, klingen jedoch vor allem sehr nach traditioneller liberaler Klientelpolitik: Mehr Selbstverantwortung, weniger Staat, mehr Respekt vor Leistung und Eigentum.

Bundestagswahlkampf: One-Man-Show bei der FDP

„Nie gab es mehr zu tun“ – so ist die Kampagne der Liberalen für die Bundestagswahl überschrieben. Wieder steht Lindner als Frontmann im Mittelpunkt, wieder sollen Kampagnenfotos in Schwarz-Weiß-Optik Coolness verbreiten, doch anders als vor vier Jahren will die Partei heute erwachsener wirken.

Der Parteichef im Unterhemd – auf den ersten Blick fehlen solche Motive diesmal. Dagegen gibt es eine Fotoserie mit Lindner im Landpartie-Outfit mit gesteppter Weste auf einem Feldweg, vielleicht ein Teil aus seiner Jägerkluft.

Die FDP setzt auf einen neuen Jamaika-Versuch

„Lindner hat eine starke Reichweite. Natürlich wollen wir das voll nutzen“, sagt FDP-Generalsekretär Volker Wis­sing auf die Frage, warum sich bei den Liberalen immer alle über das Etikett der FDP als „One-Man-Show“ ärgern, dann aber doch wieder optisch nur auf die Nummer eins setzen.

Lindner will diesmal unbedingt regieren – und er weiß, dass es dafür realistischerweise nur eine einzige Option gibt: Der FDP-Chef geht davon aus, dass Unionskandidat Armin Laschet „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der nächste Kanzler sein wird“. Entweder als Regierungschef einer schwarz-grünen Koalition oder eines Dreierbündnisses unter Beteiligung der FDP.

Mit anderen Worten: Wenn die FDP zum Regieren gebraucht würde, käme es zu einer Neuauflage der im Herbst 2017 von der FDP kurz vor Mitternacht beendeten Jamaika-Verhandlungen („Besser nicht regieren als falsch regieren“). Lesen Sie hier den Kommentar: FDP-Chef Lindner auf dem Sprung: Hat er Kanzler-Potenzial?

Lindner wäre gerne der nächste Finanzminister

Der FDP-Chef formuliert bereits Bedingungen: In einem Interview hat Lindner gerade eine mögliche Dreier-Koalition mit Union und Grünen an die Voraussetzung geknüpft, dass die Grünen nicht das Finanzministerium bekommen.

Auf die Frage, ob er selbst Finanzminister werden wolle, sagte Lindner der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: Er stünde zur Verfügung. Und fügte hinzu: „Gewiss würde die FDP die Verantwortung für die Staatsfinanzen nicht den Grünen überlassen.“ Das Problem: Auch bei den Grünen gibt es jemanden, der für das Amt gehandelt wird: Co-Parteichef Robert Habeck.

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Heißt: Auch diesmal wären Jamaika-Verhandlungen kein Spaziergang. Doch Lindner ist lange genug in der Politik, um zu wissen, dass er sich kaum leisten könnte, nochmals Nein zum Regieren zu sagen. Seit Längerem betont daher der Parteichef, dass es sein Wahlkampfziel sei, dafür zu sorgen, dass die CDU nicht mit den Grünen alleingelassen werde.

Sicher, noch lieber wäre Lindner ein Zweierbündnis mit einem Kanzler Armin Laschet – doch auch wenn die Union gerade wieder stabiler wird und die FDP wächst – für eine Neuauflage von Schwarz-Gelb reicht es nach aktuellen Umfragen bei Weitem noch nicht.

Armin Laschet (CDU) und Christian Lindner (FDP) besiegeln im Juni 2017 sechs Wochen nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen den schwarz-gelben Koalitionsvertrag.
Armin Laschet (CDU) und Christian Lindner (FDP) besiegeln im Juni 2017 sechs Wochen nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen den schwarz-gelben Koalitionsvertrag. © picture alliance / Federico Gambarini/dpa

FDP: Stabile Werte in den Umfragen, nah an der SPD

Für die Liberalen immerhin geht es seit März aufwärts – inzwischen liegen sie in Umfragen stabil im zweistelligen Bereich – und kommen der SPD als bislang drittstärkster Kraft gefährlich nahe. Dass bei so viel Dynamik auch über ein Ampelbündnis aus Grünen, FDP und SPD spekuliert wurde, wundert nicht.

Aber: Die Lust der Liberalen auf ein Mitte-Links-Bündnis schwindet im gleichen Maß, wie die Wahl näher rückt. Denn: In einer Ampel wäre es viel schwieriger, FDP-Forderungen durchzusetzen, als unter Führung der Union.

Kurzum: Lindner schließt ein solches Bündnis öffentlich nicht zu 100 Prozent aus, doch bei den Liberalen glaubt kaum jemand daran. „Zu 95 Prozent unwahrscheinlich“, heißt es aus Lindners Umfeld. Die Grünen, so wird argumentiert, würden sich ja vielleicht noch darauf einlassen, das Nein der FDP zu Steuererhöhungen in einen Koalitionsvertrag zu schreiben. Die SPD aber mit Sicherheit nicht.

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