Berlin. CDU-Chef Armin Laschet will ein Jahrzehnt der Modernisierung einläuten. Von der Werteunion grenzt sich der Kanzlerkandidat deutlich ab.

Es ist ein herrlicher Frühlingsmorgen in der Hauptstadt. Vor der NRW-Landesvertretung in Berlin glänzen die gepanzerten Limousinen in der Sonne und zeigen an: Der Hausherr ist in der Stadt. Es wird ein langer Tag für den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten, CDU-Chef und Kanzlerkandidaten Armin Laschet mit einer Sitzung des CDU-Präsidiums und der Tagung des deutsch-französischen Ministerrats. Trotzdem nimmt sich Laschet ausführlich Zeit für ein Interview mit unserer Redaktion und der französischen Zeitung „Ouest-France“.

Herr Laschet, warum sollen die Deutschen Sie zum Kanzler wählen?

Armin Laschet: Vor uns liegt eine entscheidende Zeit. Die Pandemie hat uns vor Augen geführt, wo wir in Deutschland besser werden müssen. Etwa bei der Digitalisierung und der Modernisierung von Staat und Verwaltung.

Ich will die 20er-Jahre zu einem Modernisierungsjahrzehnt für Deutschland und Europa machen. Dazu gehört natürlich auch der Kampf gegen den Klimawandel. Mein Ziel ist es, Klimaschutz so zu gestalten, dass wir klimaneutral werden, aber Industrieland mit Stahl, Chemie und Automobilbau bleiben. Das will ich mit marktwirtschaftlichen Mitteln erreichen und nicht mit einer Verbotspolitik.

Welche Rolle wird der in der Kandidatenfrage unterlegene CSU-Chef Markus Söder in Ihrem Wahlkampf spielen?

Laschet: Markus Söder ist der starke Vorsitzende einer Regierungspartei und wird natürlich im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielen.

Glauben Sie wirklich, dass die CSU sich voll für einen Kandidaten engagieren wird, den sie nicht wollte?

Laschet: Ja. CDU und CSU stehen zusammen. Wir werden gemeinsam alles dafür tun, dass die Union die Bundestagswahl gewinnt.

CSU-Chef Markus Söder hat als Ziel ein Ergebnis von „deutlich über 30 Prozent“ ausgegeben. Was ist Ihre Zielmarke?

Laschet: Die Zielmarke ist, dass gegen die Union keine Regierung gebildet werden kann. Und je stärker CDU und CSU sind, desto geringer ist die Gefahr, dass es zu einem grün-rot-roten Bündnis und damit einer Regierungsbeteiligung der Linkspartei kommt. Dafür müssen wir als Union überall in Deutschland starke Ergebnisse erzielen – im Westen wie im Osten, in den Städten und in ländlichen Regionen.

Wie haben Sie persönlich den Kampf um die Kanzlerkandidatur erlebt?

Laschet: Die Tage rund um die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur zählen sicher zu den bislang intensivsten meiner politischen Laufbahn.

Am Sonntag wird in Sachsen-Anhalt gewählt. Warum wandern so viele CDU-Anhänger zur AfD ab?

Laschet: Das ist eine Fehlannahme. Die AfD-Wähler kommen nicht überwiegend von der CDU. Viele wandern aus Protest von ganz links nach ganz rechts. In Nordrhein-Westfalen ist der Anteil an AfD-Wählern in CDU-Hochburgen am geringsten und im Ruhrgebiet, früher SPD-Stammregion, am höchsten. In Sachsen-Anhalt gibt es durch den Braunkohle­ausstieg und den damit verbundenen Strukturwandel viele Sorgen, die man den Menschen nehmen muss.

Wie geht das bitte?

Laschet: Indem die CDU kompetent Probleme löst. Nicht populistische Sprüche, sondern Taten sichern Zukunft. Und ich finde, das machen Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sehr gut. Und nicht nur sie. Ich denke da auch an die vielen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker vor Ort, die für eine CDU stehen, die den Leuten zuhört und die Probleme anpackt.

Wie grenzen Sie sich zur „Werteunion“ ab, deren neuer Vorsitzender Max Otte für „bürgerliche Koalitionen mit der AfD“ wirbt?

Laschet: Die Werteunion ist kein Teil der Union. Es ist eine Gruppe außerhalb der Partei, die auch nicht für den konservativen Teil der Union repräsentativ ist. Klar ist für mich: Jede Annäherung an die AfD ist mit der CDU nicht zu machen. Wer das tut, kann die CDU verlassen.

Fakt ist: Die CDU muss bis zur Wahl eine Aufholjagd starten. Wie wollen Sie das schaffen?

Laschet: Wir sehen doch, dass sich Stimmungen wöchentlich verändern. Klar ist: Wir werden nicht für die Verdienste der vergangenen 16 Jahre von Angela Merkel gewählt. Entscheidend ist, dass man uns zutraut, dass wir es auch in Zukunft gut machen. Wir müssen neue Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit geben und die Wählerinnen und Wähler von unseren Ideen überzeugen.

Wird die Kanzlerin Sie im Wahlkampf unterstützen?

Laschet: Natürlich, Angela Merkel ist die Bundeskanzlerin der Union und wird uns unterstützen. Sie wird im Wahlkampf sichtbar sein und öffentlich auftreten, bestimmt auch mal auf einer Wahlkampfbühne.

Lassen Sie uns über den Kampf gegen Corona sprechen. Sind Sie dafür, dass jetzt möglichst schnell die Kinder ab zwölf Jahren geimpft werden?

Laschet: Die europäische Arzneimittelbehörde hat Biontech jetzt auch für Kinder zwischen 12 und 16 zugelassen. Damit ist aber nicht mehr Impfstoff da. Deshalb bleibt die derzeitige Priorisierung richtig: Es müssen als Erstes die geimpft werden, die am gefährdetsten sind. Außerdem warten wir noch auf die fachliche Empfehlung der Ständigen Impfkommission.

Auch in privaten Testzentren in Nordrhein-Westfalen wurde der Staat um viel Geld betrogen. Was muss jetzt geschehen?

Laschet: Jens Spahn hat das Problem schnell erkannt und arbeitet bereits an einer Lösung. Es wird auf ein gutes Zusammenwirken des Bundes mit den örtlichen Aufsichtsbehörden ankommen, um betrügerische Strukturen aufzudecken.

Aber wie kann ein Betrug in dieser Dimension möglich sein?

Laschet: In einer Pandemie muss man schnell und unkompliziert handeln. Kriminelle finden im Zweifel bei jeder Regelung eine Lücke, und hier ist sie offenbar zu groß gewesen. Fest steht: Die Testzentren, bei denen betrogen wurde, müssen jetzt geschlossen werden. Aber wir müssen beim Testen weiterhin flexibel und schnell bleiben. Denn die flächendeckende Testinfrastruktur in Deutschland ist ein wichtiges Mittel im Kampf gegen die Pandemie.

Apropos schnell: Warum dauert es mit dem digitalen Impfpass so lange?

Laschet: Da geht es jetzt mit großen Schritten voran. Der digitale Impfpass kommt. Ich konnte mich von den Fortschritten des Projekts letzte Woche im Rahmen eines Besuchs im Impfzentrum Düsseldorf selbst überzeugen. Dort funktioniert er schon.

Wie wollen Sie als Kanzler Deutschland zum Vorreiter für Klimaschutz machen?

Laschet: Wir steigen fast gleichzeitig aus der Kernenergie und der Kohle aus. Das war mit Blick auf den Klimaschutz vielleicht nicht die richtige Reihenfolge, aber jetzt setzen wir es so um. Soll unsere Energieversorgung auch ohne diese Energieträger sicher und bezahlbar bleiben, müssen wir die regenerativen Energien, unsere Netze und die Speichertechnologien jetzt schneller ausbauen.

Für einen wirksamen Klimaschutz müssen wir außerdem die Industrie in Kooperation mit unseren Unternehmen klimaneutral machen, zum Beispiel durch die Wasserstofftechnologie. Nur so können wir klimaneutral werden, bleiben wettbewerbsfähig und unsere Arbeitsplätze erhalten. Wichtig ist, nicht theoretisch über Klimaschutz zu reden, sondern es in der Realität auch sozialverträglich zu machen. Das fehlt bei den Grünen.

Markus Söder will noch schneller aus der Kohle raus …

Laschet: Wir haben in den vergangenen Jahren intensiv über den Kohleausstieg verhandelt. Dabei mussten wir auch die soziale Frage im Blick behalten. Im Osten beispielsweise haben die Menschen vor 30 Jahren fast ihre gesamte Industrie auf einen Schlag verloren. Jetzt stehen sie in den Kohlerevieren vor einer ähnlichen Situation. Wir haben ihnen deshalb mehr Zeit zugesagt als den Menschen im Westen. Ich finde, ein politisches Versprechen muss länger halten als zwölf Monate.

Die Flüchtlingszahlen steigen wieder. Wie wird ein Kanzler Laschet auf große Migrationswellen reagieren?

Laschet: Wir brauchen in der Europäischen Union ein geordnetes Migrationssystem. Die Außengrenzen müssen gemeinsam geschützt werden, man darf dies nicht nur den direkt betroffenen Ländern überlassen. Dafür muss Frontex weiter gestärkt und illegale Migration verhindert werden. Außerdem müssen Länder wie Griechenland oder Italien mehr Unterstützung bekommen, jene aufzunehmen, die wirklich hilfsbedürftig sind. Die Flüchtlingsfrage ist eine gesamteuropäische Aufgabe.

Bleibt das Grundrecht auf Asyl?

Laschet: Ja, das Grundrecht auf Asyl bleibt. Es ist Teil unserer Verfassung.

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