Düsseldorf. Nach den Protesten zum Konflikt in Israel hat die Polizei in NRW inzwischen 106 Straftaten registriert. Fast 60 Tatverdächtige identifiziert.

Im Zusammenhang mit den jüngsten Unruhen im Nahen Osten hat die Polizei in NRW 106 Straftaten registriert. Bei einem Großteil handele es sich um antisemitische oder anti-israelische Taten, teilte das NRW-Innenministerium am Mittwoch in Düsseldorf auf Anfrage der Deutschen Presseagentur (dpa) mit. Es werde gegen 161 Verdächtige ermittelt, von denen 58 bereits namentlich identifiziert seien.

„Mehr als jeden dritten Tatverdächtigen haben wir bereits identifiziert. Das ist präzise, hartnäckige Polizeiarbeit. Niemand, der an diesen hässlichen Aktionen beteiligt war, braucht sich sicher fühlen“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Von den 58 Verdächtigen seien 17 Deutsche, 16 Syrer, 5 Libanesen, 4 Deutsch-Libanesen, 5 Türken, 1 Deutsch-Türke und 2 Iraker. Die übrigen Verdächtigen kommen aus jeweils acht verschiedenen weiteren Ländern.

35 Ermittlungsverfahren würden wegen Volksverhetzung geführt, 5 wegen Verletzung von Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten, 12 wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, 9 wegen Gewaltdelikten und 45 wegen sonstiger Straftaten wie Beleidigung oder Widerstands gegen Polizeibeamte. Ein erheblicher Teil der Taten seit dem 10. Mai war bei Demonstrationen begangen worden.

NRW-Ministerpräsident Laschet fordert, Hamas-Fahne zu verbieten

Angesichts des wieder aufgeflammten Konflikts zwischen Palästinensern und Israelis in Israel und den anti-israelischen Protesten auch in NRW hatte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) im Mai in einer Aktuellen Stunde des Landtags NRW gefordert, die Fahne der islamistischen Hamas zu verbieten. „Wir haben die Fahne der PKK verboten, weil es eine terroristische Organisation ist. Die Hamas-Fahne ist bis heute nicht verboten“, sagte Laschet.

Jetzt sei eine Rechtsänderung erforderlich, forderte Laschet. „Deshalb muss auch diese Fahne, die für Terrorismus steht, verboten werden. Sie darf nicht auf deutschen Straßen gezeigt werden“, verlangte der CDU-Bundesvorsitzende und Kanzlerkandidat der Union. Er warf der Hamas vor, viele Menschen, die friedlich im Gazastreifen lebten, „zu Geiseln zu machen für ihre terroristischen Aktivitäten“. Gleichzeitig schade die Hamas der palästinensischen Autonomiebehörde.

Reul: Zahlen zu Tatverdächtigen sind „hochdynamisch“

Die Zahlen zu den Vorfällen und Tatverdächtigen seien „hochdynamisch“, sagte NRW-Innenminister Reul Mitte Mai. Der Verfassungsschutz beobachte die Weiterentwicklung der Lage. Im Zeitraum vom 10. bis 16. Mai 2021 kam es laut Reul in ganz NRW zu rund 30 Versammlungen im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt. Davon seien mehr als 20 Versammlungen pro-palästinensisch gewesen.

Antisemitische und anti-israelische Ausschreitungen hatte es in der vergangenen Woche in mehreren Städten Deutschlands und auch in NRW gegeben, darunter in Gelsenkirchen, Solingen, Düsseldorf, Münster und Bonn. Auslöser ist die Eskalation des Konflikts zwischen Palästinensern und Israel.

Innenminister sieht „merkwürdige Allianzen“ bei Anti-Israel-Protesten

Bei vielen der Aktionen gehe es nicht um Kritik an Israel, sondern um die Diffamierung von Juden, sagte Reul im Mai. Wer die israelische Fahne verbrenne und Juden beschimpfe, „der bestreitet das Existenzrecht Israels und ist schlichtweg antisemitisch. Punkt. Aus. Ende“, sagte der CDU-Politiker.

Bei den anti-israelischen und antisemitischen Protesten werden Reul zufolge „merkwürdige Allianzen“ offenbar. Arabischstämmige Jugendliche aus Syrien und Libanon machten „gemeinsame Sache“ mit Grauen Wölfen - türkischen Rechtsextremisten. Auch die rechtsextremistische Szene solidarisiere sich mit Palästina. „Das ist nur der Ausdruck eines tiefen Judenhasses“, sagte Reul.

Israelfeindlichkeit als „Staatsdoktrin“ bei manchen Zuwanderern

Der Staat werde sich stärker um arabischstämmige junge Menschen kümmern müssen, erklärte Reul. Islamisten mit Migrationshintergrund aus Staaten wie Libanon, Syrien, Iran und Irak hätten den Antisemitismus und die Israelfeindlichkeit in ihren Herkunftsländern als „Staatsdoktrin“ erlebt. „Das bringen die Menschen jetzt mit“, sagte Reul. „Kümmern wir uns eigentlich genug darum, oder machen wir nur Deutschkurse?“

Das beste Mittel gegen Antisemitismus sei eine „aufgeklärte Gesellschaft“, meinte Reul. Es brauche Menschen, „die dagegen aufstehen“, forderte Reul: „Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, aber auch eine historische Verpflichtung.“ (dpa)