Zum Tag der Pressefreiheit kommentiert unsere Autorin Diana Zinkler: Wer Meinungsvielfalt fordert, muss sie auch aushalten können.

Es geht viel durcheinander zurzeit. Bekannte Schauspielerinnen und Schauspieler erklärten in satirischer Form, dass es im Moment besser sei, auf die Meinungsfreiheit zu verzichten. Also jetzt, während der Corona-Pandemie. Weil die vorherrschende Meinung generell und auch „die Medien“ die Corona-Politik der Bundesregierung nicht genug hinterfragen würden.

Auch würden die, die am meisten unter den Corona-Maßnahmen leiden, öffentlich nicht berücksichtigt. All diesen Menschen haben die Darsteller der Aktion #allesdichtmachen Gehör verschaffen wollen. Ihre Kritik galt der Presse, aber auch unserer Demokratie, die nicht genug Meinungsvielfalt böte.

Wenn ich so eine Kritik höre, frage ich, wann mein Gegenüber eigentlich zum letzten Mal eine Zeitung in der Hand gehabt hat. Und schlage vor, sich eine Woche lang drei unterschiedliche Zeitungen zu kaufen oder sie in den Stadtbibliotheken zu lesen. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt der Meinungs- und Medienvielfalt in Deutschland. Das Gegenteil vom Einheitsbrei.

Die Pressefreiheit ist ein Kernbereich der Menschenrechte und muss geschützt werden.
Die Pressefreiheit ist ein Kernbereich der Menschenrechte und muss geschützt werden. © dpa | Florian Kleinschmidt

Die Schauspieler haben zwar viel Aufmerksamkeit für ihre komplett verunglückte Video-Statement-Ansammlung bekommen, aber haben sie denen, die besonders von den Lockdown-Maßnahmen betroffen sind, Gehör verschafft? Den Kindern, den Geringverdienern, denen, die nicht gut im Homeoffice über die Runden kommen? Eher nicht.

Die Freiheit der Presse ist bedroht

Die, die sie kritisieren, die deutsche Presse, leistet das jeden Tag: In ihren Tageszeitungen – im überregionalen Teil wie im wichtigen Lokalteil, dem Herzstück einer jeden Zeitung – wird über die Menschen in dieser Gesellschaft berichtet und von ihnen erzählt. Die Schüler, die Krankenpfleger, die Intensivärztin, der Hartz-IV-Empfänger, die Lehrerin, der Gastronom, die Frau, die ihren Mann an Corona verloren hat - sie alle bekommen Raum und Stimme.

Die Presse informiert über politische Entscheidungen, wirtschaftliche Effekte, erfolglose wie erfolgreiche Unternehmen, sportliche und kulturelle Ereignisse. In der Presse finden sich die schönen Seiten des Lebens wieder, aber auch die Abgründe. In den Kommentaren dürfen Journalisten ihre Meinung ausdrücken und begründen. Das ist kein Selbstzweck, sondern soll der Einordnung und Aufklärung dienen.

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Die Freiheit der Presse ist bedroht, denn das, was sie leistet, ist oft unangenehm: Sie kann Diktatoren mürbe machen, sie kann korrupte Betriebsräte und Geschäftsführer zur Aufgabe zwingen, einfallslose Fußballtrainer und Staatschefs bloßstellen und einen Anfangsverdacht gegen Sportidole wie Christoph Metzelder öffentlich machen.

Mehr Angriffe auf Journalisten durch Corona-Proteste

Dass Journalisten daher noch nie zu den beliebtesten Berufsgruppen gehört haben, ist vielleicht verständlich. Doch das muss genau da aufhören, wo sie gegängelt, bedroht oder sogar angegriffen werden. Jedes Jahr sterben Reporterinnen und Redakteure bei oder wegen der Ausübung ihrer Arbeit. 2021 sind schon sechs getötet worden, 300 Journalisten und Journalistinnen sitzen in Haft. Das ist die traurige und gefährliche Realität, der Preis für die tägliche Information.

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In Deutschland ist die Zahl der Übergriffe gegen Journalisten enorm gestiegen, gerade durch die Demonstrationen der sogenannten Corona-Skeptiker. Fachleute sehen die jüngsten Entwicklungen in Deutschland mit großer Sorge. Hier ist es nicht der Staat, wie in Nord­korea oder China, der die Journalisten bedroht, es sind Organisationen und Teile der Bevölkerung.

Wer Meinungsvielfalt einfordert, kommt ohne Pressefreiheit nicht aus. Es sei denn, es geht nur um Aufmerksamkeit und Bedrohung – ganz ohne Diskussion.