Berlin/München. Laschet und Söder ringen um eine Lösung im Kampf um die Kanzlerkandidatur. Der CSU-Chef fliegt im Privatjet zu Gesprächen nach Berlin.

Im Ringen um die Kanzlerkandidatur der Union droht eine Kampfabstimmung zwischen Armin Laschet und Markus Söder in der Bundestagsfraktion. Trotz mehrerer Gespräche zwischen den beiden Ministerpräsidenten gab es am Wochenende keine Einigung. Am Sonntagabend flog der bayerische Ministerpräsident Söder von Nürnberg nach Berlin. Mutmaßlich wollte sich der CSU-Chef mit dem CDU-Chef Laschet treffen. Entsprechend berichtete unter anderem die ARD.

Der stellvertretende Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Carsten Linnemann, hatte die Kontrahenten zuvor vor einem unberechenbaren Finale gewarnt. „Was wir jetzt brauchen, ist eine gemeinsame Lösung und keine Kampfabstimmung in der Fraktion“, sagte Linnemann unserer Redaktion. „Ansonsten drohen Gräben aufgerissen zu werden, die sich nur schwer wieder zuschütten lassen.“ Die Fraktion tagt am Montag (zu Corona) und am Dienstag wieder.

Er persönlich stehe nach wie vor zu Laschet, betonte Linnemann. Dieser habe in Nordrhein-Westfalen bewiesen, dass er die CDU breit aufstellen und mit nur einer Stimme Mehrheit regieren könne.

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K-Frage in der Union: In der CDU wächst die Wut über Söder

Unterdessen wächst die Wut in der CDU über Söder. Der nordrhein-westfälische Europaabgeordnete Dennis Radtke droht nun damit, eine bayerische CDU zu gründen. „Wenn die Personalie Söder mit aller Brutalität durchgesetzt wird, dann wird die CDU danach eine andere sein“, sagte Radtke unserer Redaktion. „Umfragewerte ersetzen politische Werte, eine One-Man-Show ersetzt politische Führung durch gewählte Gremien.“ Söder spiele bewusst mit den Spannungen in der CDU, die es seit der Flüchtlingskrise gebe. „Dieses Hasard-Spiel kann dazu führen, dass die Union komplett zerrissen wird. Die mögliche Gründung einer CDU in Bayern kann kein Tabu mehr sein.“

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Zuerst hatte Radtke diese Möglichkeit in einem ZDF-Interview am Samstagabend aufgebracht. „Seither explodiert mein Postfach, die Reaktionen sind 50 Prozent Zustimmung, 50 Prozent Ablehnung“, sagt Radtke. Aber selbst CSU-Mitglieder hätten ihn kontaktiert, um zu sagen, dass sie mitmachen würden. Es sei an der Zeit, im Machtkampf „ein Stoppschild“ aufzustellen, so Radtke: „Mein Problem ist nicht, dass Söder Anspruch auf die Kanzlerkandidatur erhebt, sondern wie er versucht, diesen durchzusetzen. Das ist toxisch.“

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Unverständnis über die Haltung von Merkel

Ein Bruch der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU im Bundestag drohte bereits im Sommer 2018. Der damalige CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer wollte von der Kanzlerin eine restriktivere Kursänderung in der Asyl- und Flüchtlingspolitik erzwingen. Die CSU lenkte dann ein.

Nachdem sich am Freitag Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) indirekt für Söder ausgesprochen hatte, warb die frühere Bildungsministerin und Merkel-Vertraute Annette Schavan für Laschet. Sie hoffe, dass „die Methoden Söders nur eine kurze Episode“ seien und dass CDU-Chef Armin Laschet Kanzler werde, sagte Schavan der „Bild am Sonntag“.

Bei Laschet-Unterstützern wurde die Wortmeldung Schavans als ein indirektes Zeichen der Kanzlerin gedeutet. In der CDU gibt es Unverständnis über die Haltung von Merkel. Sie war 18 Jahre Parteivorsitzende, will sich aber aus der Nachfolgefrage strikt heraushalten. Aus dem Kanzleramt hieß es, ein Kanzlerkandidat der Union müsse es aus eigener Kraft schaffen.

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Am Montag könnte Bewegung in die Entscheidung kommen

Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe in der Bundestagsfraktion von CDU/CSU, Uwe Schummer (CDU), sprach sich klar für Laschet aus. „Umfragen sind flüchtig wie Sand“, sagte Schummer unserer Redaktion in Anspielung auf die hohe Popularität Söders: „Bei Armin Laschet zählt, dass er die Union zusammenführt, dabei verlässlich ist und in NRW gut regiert. Dies geht nur, weil er Wirtschaft und Beschäftigte in all ihrer Vielfalt im Blick hat. Nicht Egotrip, sondern Teamchef.“ Dem Arbeitnehmerflügel gehören rund 80 Abgeordnete aus CDU und CSU an.

Viele Beobachter rechnen damit, dass am Montag noch einmal Bewegung in die K-Frage kommt. Wenn sich die Rivalen bis dahin nicht einigen können, könnte der Vorstand der Bundestagsfraktion für Dienstag eine Kampfabstimmung in der Fraktion beschließen. Unterstützer von Söder sammeln für einen solchen Entschluss bereits Unterschriften.

Die Fraktion ist formal nicht zuständig, aber eines der wenigen Gremien, in denen die Schwesterparteien zusammensitzen. Nach einem ähnlichen Machtkampf setzte sie 1979 den damaligen CSU-Chef Franz Josef Strauß gegen den von Helmut Kohl favorisierten niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht durch.

Die missliche Lage der gespaltenen Union wird durch die geräuschlose Abwicklung der K-Frage bei den Grünen verstärkt. Über Wochen haben die beiden Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck geheim gehalten, wer von ihnen Kanzlerkandidat(in) wird. Das soll an diesem Montag in einer Vorstandssitzung in Berlin verkündet werden. Die Entscheidung wird dann einem Parteitag im Juni vorgelegt, was aber als Formsache gilt.