Berlin. Merkels Drohung, die Coronakrise an den Ländern vorbei zu regeln, könnte wahr werden: Die Blaupause zum Durchregieren liegt vor.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) liegt längst eine Blaupause vor, um das Krisenmanagement in der Pandemie an sich zu reißen. Das beschäftigt das Innenministerium seit Monaten; schließlich ist es das Verfassungsressort.
„Unsere Meinung liegt auf dem Tisch“, bestätigte Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Dienstag in Berlin. Er habe einen Weg aufgezeigt, „der rechtlich einwandfrei ist“, beteuerte Seehofer. Hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz? Seine Antwort: „Die haben wir.“
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Seehofers „Weg“ geht nur mit den Ländern
Merkel hatte die Bundesländer am Sonntag via Talk-Show ermahnt, alle verabredeten Maßnahmen zu ergreifen, um eine dritte Corona-Welle abzuflachen. Wenn das nicht „in sehr absehbarer Zeit“ geschehe – sie werde keine „14 Tage tatenlos zusehen“ – müsse sie sich überlegen, wie sich das bundeseinheitlich regeln lasse. Eine Möglichkeit wäre, „das Infektionsschutzgesetz noch mal anzupacken und ganz spezifisch zu sagen, was muss in welchem Fall geschehen“.
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Die Botschaft war klar: Merkel kann – wenn sie nur will. Es ist keine leere Drohung. Allerdings hat Merkel mit den Ministerpräsidenten schon ein Treffen verabredet; am 12. April, spätestens dann, will sie noch eine Verständigung suchen.
Zum anderen ist der Weg, den Seehofer vorschlägt, politisch anstrengend. Seehofer schätzt es so ein, dass ein neues Infektionsschutzgesetz „mit höchster Wahrscheinlichkeit zustimmungspflichtig wäre im Bundesrat“.
Im Klartext: Merkel wäre bei der Reform auf die Länder angewiesen. Sie müsste die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten dazu bewegen, ihren Einfluss selbst zu begrenzen. Warum sollten sie das tun?
Einheitliche, transparente Inzidenzbezogene Regeln
Seehofer lieferte indirekt eine Antwort darauf: Einheitliche, transparente Regeln, über die man nicht länger streiten müsste. Das Gesetz würde bundeseinheitlich festschreiben, wenn passiert, wenn die Zahl der Corona-Infizierten pro Woche pro 100.000 Einwohner in einem Gebiet einen bestimmten Wert erreicht hat, „was muss bei welcher Inzidenz geschehen, und bei welcher Inzidenz können wir mit welchen Bedingungen auch lockern?“
Der Charme der Lösung wäre die gesetzliche Verpflichtung zum Handeln. Ganz besonders ärgert es Merkel, dass die Länderchefinnen und -chefs nicht den Stufenplan umsetzen, den sie mit ihr vereinbart haben, und der eine „Notbremse“ vorsieht, wann und wo immer bestimmte Inzidenzwerte überschritten werden.
Der Beschluss wird in jedem Bundesland anders interpretiert – für Merkel ein Dauerärgernis, das Zweifel an der Verlässlichkeit aufkommen lässt. „Wir müssen mit einer großen Ernsthaftigkeit jetzt die geeigneten Maßnahmen einsetzen. Und einige Bundesländer tun das, andere tun es noch nicht“, so Merkel.