Berlin. Wir bekommen Lockdown statt Lockerungen verordnet. Frustrierend ist, dass es dazu eine Alternative gegeben hätte, schreibt Jörg Quoos.
Über ein Jahr quälen sich die Deutschen schon durch die Corona-Pandemie in einem Teufelskreis aus behutsamen Öffnungen und harten Schließungen. Auch der jüngste Corona-Gipfel von Bundesregierung und Ministerpräsidenten ist rekordverdächtig:
Geschlagene zwölf Stunden tagten die Regierungschefs und -chefinnen bis sie sich endlich zusammenraufen konnten. Ein Scheitern des Gipfels in dieser kritischen Phase der Pandemie war keine Option. Es wäre einem Offenbarungseid gleichgekommen, der alle Verantwortlichen und ihre Parteien beschädigt hätte.
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Corona: Es hat eine Alternative zum Lockdown gegeben
Das Ergebnis der langen Nacht von Berlin ist logisch und frustrierend zugleich. Wir bekommen Lockdown statt Lockerungen verordnet. Diesmal geht er bis zum 18. April. Über die Osterfeiertage wird das Land ganz stillgelegt. „Erweiterte Ruhezeit“ heißt das im schönsten Pandemie-Euphemismus.
So bitter die Entscheidung ist – es gab nie ernsthaft eine andere, weniger zermürbende Lösung. Eine Gesellschaft mit Werten muss das Leben schützen, das ist und bleibt der demokratische Konsens. Zum Glück.
Deutschland versagt beim "Impfen und Testen"
Frustrierend ist aber, dass es eine Alternative gegeben hätte – wenn das Corona-Management besser gewesen wäre. „Impfen und Testen“ ist der Schlüssel aus der Gefangenschaft des Corona-Lockdowns. Auf beiden Feldern war und ist Deutschland nicht gut. Darüber kann die Politikerlyrik vom angeblichen „Paradigmenwechsel“ nicht hinwegtäuschen.
Weder die europäisch abgestimmte Beschaffung des Impfstoffes noch das Ausarbeiten einer klugen Teststrategie hat richtig funktioniert. Diese Kardinalfehler wirken schonungslos nach und verdammen die Bürger dazu, zuzusehen, wie in anderen Ländern – trotz Mutanten – die Freiheit bereits zurückkehrt.
Das Ergebnis des Gipfels ist ein Kompromiss
Erschwerend kam in dieser Nacht hinzu, dass sich die Politik in der Unlogik ihrer eigenen Öffnungs- und Schließungsstrategien verheddert hat. Natürlich kann man keinem Bürger mehr klarmachen, warum es okay ist, im proppenvollen Flieger nach Mallorca zu düsen, aber man nicht auf Sylt in die Ferienwohnung darf. Ministerpräsidenten mit wichtigen Ferienregionen verstehen das erst recht nicht. Es darf also niemanden wundern, dass die Runde an diesem Punkt fast zerbrach.
Der stundenlange Streit um „kontaktlosen Urlaub“ hat leider die Zeit gekostet, die man für wichtigere Themen gebraucht hätte. Da wären die konsequente Teststrategie für Schulen oder Perspektiven für den Kulturbetrieb, der im Corona-Getümmel schon wieder vergessen wurde.
Müdigkeit ist kein guter Ratgeber
Dass Müdigkeit in solchen Gipfelnächten kein guter Ratgeber ist, kann man an der unausgegorenen Entscheidung zu den „Ruhetagen“ ablesen. Jeder Betrieb in Deutschland rätselt jetzt herum, was der Beschluss für ihn, seine Produktion, die Mitarbeiter und die Kunden bedeutet. Die Ausführungsbestimmungen sind jetzt den Ländern überlassen und werden nachgereicht.
Insgesamt ist das Ergebnis des Gipfels ein ziemlich fauler Kompromiss, den die Kanzlerin noch dieses eine Mal mit der Brechstange erzwungen hat. Aber man spürt: Es war vielleicht der letzte Kompromiss, bevor der Laden auseinanderfliegt. Bevor die Länder komplett die Verantwortung an sich ziehen und Deutschland coronatechnisch in 16 Kleinstaaten zerfällt.
Spätestens dann beginnt faktisch der Abschied von der Kanzlerin und das Land sortiert sich politisch neu. Bis dahin sollten wir trotz allem Frust diszipliniert mithelfen, damit sich das Virus nicht weiterverbreitet. Das ist angesichts der traurigen Umstände leider wirklich „alternativlos“.
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