Berlin. Das vorläufige Aus für den Corona-Impfstoff von Astrazeneca reißt eine Lücke. Kann das russische Vakzin die Impfkampagne jetzt retten?
Können uns die Impfungen vor einer schweren dritten Welle retten? Mit dem vorläufigen Aus für den Impfstoff von Astrazeneca ist die Antwort ungewisser denn je. An diesem Donnerstag will die europäische Arzneimittelbehörde EMA über den weiteren Einsatz des Vakzins entscheiden, am Freitag kommen Bund und Länder zum Impfgipfel zusammen.
Angesichts weiter steigender Inzidenzen und der andauernden Probleme bei der Impfstoffversorgung setzen immer mehr Politiker nun ihre Hoffnung auf den russischen Impfstoff Sputnik V. Zu Recht?
Am Mittwoch sprach sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für den weiteren Einsatz von Astrazeneca aus. Erwartet wird, dass auch die EMA grünes Licht gibt. Doch selbst dann wird es noch viele Wochen dauern, bis der Impfstoffmangel in Deutschland überwunden ist.
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„Ich wünsche mir seit Langem viel mehr Druck von der Bundesregierung, dass wir mehr alternative Vakzine zugelassen bekommen“, sagte Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) unserer Redaktion.
Die Abhängigkeit von Astrazeneca mache die Impfstrategie angreifbar. „Es ist deshalb wichtig, dass endlich das Thema Sputnik V mit Nachdruck bearbeitet wird.“ Er höre seit Wochen, dass Unterlagen für die Zulassung bei der EMA fehlten. Wenn das so sein sollte, müsse das rasch mit Russland geklärt werden.
Auch bei Ramelows ostdeutschen Amtskollegen gibt es große Sympathien für den russischen Impfstoff: Er habe „nicht die geringsten Zweifel“, dass die russische Wissenschaft imstande sei, einen leistungsfähigen Impfstoff herzustellen, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) unserer Redaktion. Er würde jedoch die Zulassung durch die EMA abwarten.
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Reiner Haseloff sieht es genauso: „Im Kampf gegen Corona ist uns jeder Impfstoff willkommen, der sicher ist und wirkt und uns so hilft, die Pandemie zu überwinden“, so Sachsen-Anhalts Ministerpräsident.
Wann könnte Russlands Sputnik V zugelassen werden?
Bis zu einer EMA-Zulassung dürfte es noch Monate dauern. Anfang März hat die Behörde in Amsterdam mit der vorbereitenden Prüfung von Daten aus wissenschaftlichen und klinischen Tests begonnen – erst wenn diese „rolling review“ beendet ist und genügend belastbare Daten für einen Antrag vorliegen, kann das eigentliche Zulassungsverfahren starten, was erfahrungsgemäß weitere vier bis acht Wochen dauert.
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In Russland war der Impfstoff bereits im August in einer Notfallzulassung freigegeben worden, obwohl die klinische Phase-III-Studie noch gar nicht begonnen hatte; Massenimpfungen wurden im Dezember gestartet.
Im Westen änderte sich der bis dahin skeptische Blick auf das Vakzin, als das britische Fachblatt „Lancet“ Anfang Februar die Zwischenauswertung einer Studie mit 22.000 Probanden veröffentlichte. Danach hat Sputnik V eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent gegen Infektionen mit Symptomen.
„Die russischen Forscher sind sehr erfahren mit Impfungen. Sputnik V ist clever gebaut“, lobt der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens. Doch es gibt weiter viele kritische Stimmen: „Ich bleibe skeptisch“, sagt CDU-Gesundheitsexperte Peter Liese. Die klinischen Daten seien noch mit großen Fragezeichen versehen.
Wird der russische Impfstoff jetzt schon in der EU eingesetzt?
Ja. Ungarn und die Slowakei haben das Vakzin durch Notfallzulassungen auf nationaler Ebene genehmigt. In Ungarn wird Sputnik V längst angewandt, zwei Millionen Dosen hat die Regierung geordert.
In der Slowakei ist der Einsatz politisch umstritten. Der tschechische Premier Andrej Babis plant ebenfalls eine Bestellung.
Auch der österreichische Kanzler Sebastian Kurz hat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin schon über eine Lieferung gesprochen. Außerhalb der EU ist Sputnik V in rund 50 Staaten zugelassen.
Könnte Russland genug liefern?
Regierungschef Kretschmer hat Zweifel: Man werde sehen, „dass Russland, was die eigenen Kapazitäten angeht, nicht so aufgestellt ist, dass es uns in kürzester Zeit 100 oder 200 Millionen Impfdosen liefern kann“.
Russland hatte zwar avisiert, der EU im zweiten Quartal 100 Millionen Impfdosen liefern zu können. Der staatliche Direktinvestitionsfonds in Moskau, der für die Lieferung zuständig wäre, hatte das Angebot aber mit der Einschränkung versehen, dass ein Großteil der Massenimpfung in Russland bis dahin abgeschlossen sein müsse. Bislang sind aber erst 8,5 Millionen von 144 Millionen Bürgern in Russland geimpft.
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Die Regierung in Moskau hat selbst eingeräumt, dass es an Produktionskapazitäten fehlt, deshalb sollen jetzt andere Länder einspringen. Im Gespräch ist auch eine Sputnik-V-Produktion in Deutschland – etwa beim Impfstoffhersteller IDT Biologika in Dessau.
Gesundheitsexperte Liese meint, angesichts der Impfgeschwindigkeit in Russland werde Sputnik V in größeren Mengen wohl erst in der zweiten Jahreshälfte an die EU geliefert werden können. „Und dann brauchen wir Sputnik definitiv nicht mehr.“
Das sehen sie auch in der Bundesregierung so: Bevor alternativ Sputnik V infrage komme, seien genügend andere Impfstoffe da.