Berlin. Die Fehlverhalten einiger Abgeordneter beschädigt die politische Kultur und die Unionsparteien, meint unser Kommentator Miguel Sanches.

Jede Krise bringt ihre Krisengewinner hervor. Das ist nicht immer strafbar. Aber fast immer anrüchig. Zwei Unionsabgeordnete stehen im Verdacht, Provisionen beim Geschäft mit Corona-Masken kassiert zu haben. Auf die Höhe – obwohl sehr hoch – kommt es nicht an. Hier soll von einem Bankrott anderer Art die Rede sein – einem moralischen Bankrott

Bereits die staatsanwaltlichen Ermittlungen und die negativen Schlagzeilen bringen die Unionsparteien in Verlegenheit, die CDU dabei mehr als die CSU. Das hat damit zu tun, dass es im Freistaat nicht die erste „Amigo-Affäre“ ist und die Wähler abgestumpft sind. Sie können nicht mehr von der Politik enttäuscht werden. Genauer betrachtet, ist dieses Lebensgefühl aber auch bereits Teil der Politikverdrossenheit.

Gestraft ist die CDU besonders, weil sie in zwei Ländern im Wahlkampf ist, in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Das Timing ist für beide Landesverbände ungünstig. Es wäre fast ein Wunder, wenn die Wähler sie am kommenden Sonntag nicht für die Unanständigkeit abstrafen würden, die in Rede steht. In Mainz muss die CDU für Leute den Kopf hinhalten, die nicht mal aus ihren eigenen Reihen kommen. Das Verursacherprinzip wird weit gefasst.

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Die lautesten und schärfsten Kritiker sind denn auch die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten in beiden Ländern, die „entsetzt“ sind, nach den „nötigen Konsequenzen“ rufen oder unverhohlen die Abgeordneten auffordern, ihr Mandat niederzulegen. Und zwar sofort. Von einer Unschuldsvermutung ist auch unter Parteifreunden keine Rede mehr.

Reporter Miguel Sanches kommentiert die Maskenaffäre der Union.
Reporter Miguel Sanches kommentiert die Maskenaffäre der Union. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Fehlbar ist jeder Mensch. Die Verhaltensmuster sind keiner Partei fremd. Wer sollte den ersten Stein werfen? Aber bei einer politischen Kraft, die sich über Jahrzehnte dermaßen in der Macht eingenistet hat, bieten sich mehr Gelegenheiten.

Über eine längere Zeit entstehen Kennverhältnisse, Beziehungen. „Gelegenheit schafft Diebe“, heißt es im Volksmund. Politische Nähe macht anfällig für Korruption, Filz, Vetternwirtschaft.

Einige Firmen wollten mit den Masken den großen Reibach machen – einige Abgeordnete wussten als Türöffner, wo und bei welchem Parteifreund in der Regierung man anzuklopfen hatte, und bereicherten sich.

Vielleicht wird sich eines Tages sogar herausstellen, dass die Gepflogenheiten nicht illegal waren. Aber auf jeden Fall waren sie nicht legitim und sind nicht egal. Bis zum Beweis des Gegenteils haben die Unionsparteien in der Maskenaffäre ein Monopol. Wenn ihre Abgeordneten die Beziehungen zu „ihrer“ Regierung für private Profite nutzen, beschädigt das im Allgemeinen die demokratische Kultur und im Besonderen die Union.

Das ist bitter für die Frau, die zwar nicht mehr die CDU führt, aber die Galionsfigur aller Christdemokraten ist: Kanzlerin Angela Merkel. Sie selbst ist durch keine persönlichen Skandale aufgefallen. Aber solche Skandale wie die Maskenaffäre fallen auf ihr Lager zurück.

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Merkel hat im Januar in Davos offen über Fehler geredet: über den deutschen Rückstand bei der Digitalisierung, dass wir beim Handeln zu langsam und zu bürokratisch seien – was sich ja bei der Impfkampagne und bei der Teststrategie bewahrheitet hat. Aber auf ein Fundament könne sie bauen, sagte die Kanzlerin damals, auf solide Finanzen. Wir wüssten da noch zwei weitere Argumente: die politische und die moralische Autorität von Amt und Amtsträgerin.

Wenn sie Ende September abtritt, hinterlässt Merkel notgedrungen nicht das, was man ein bestelltes Haus nennt. Die Pandemie wird nicht zu Ende und die Schuldenquote höher als bei ihrem Amtsantritt sein. Man wird sich an die letzte große Herausforderung ihrer Regierungszeit erinnern und unwillkürlich an die verspätete Impfkampagne und Teststrategie denken. Und an die unappetitliche Sache mit den Masken.