Berlin. Der Start der staatlichen Corona-Teststrategie verzögert sich. Die Parteien überbieten sich nun mit gegenseitigen Schuldzuweisungen.
Bei Aldi sind sie am Samstag binnen Minuten ausverkauft. Lidl wird online überrannt. Am Montag steigt der Drogeriediscounter dm in das Geschäft mit den Corona-Tests ein. Die Nachfrage ist groß und ungebrochen.
Bedient ist Manuela Schwesig (SPD) auch. Die Regierungschefin von Mecklenburg-Vorpommern verhehlt nicht, „dass ich sehr verärgert bin darüber, dass der Bund es zulässt, dass zunächst Aldi und Co. Selbsttests verramschen können und wir die Selbsttests erst Mitte März geliefert bekommen“. Lesen Sie dazu: Corona-Schnelltests ausverkauft – wann gibt es Nachschub?
Corona-Schnelltests: Teststrategie verspätet sich
Die Kundinnen und Kunden behelfen sich selbst. Sie wollen nicht auf den Staat warten. Zum 1. März wollte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ursprünglich hundertmillionenfach Schnelltests anbieten. Daraus wurde nichts. Am vergangenen Mittwoch vereinbarten Bund und Länder, jedem Bürger ab Montag wöchentlich einen kostenlosen Corona-Schnelltest anzubieten.
Es wird sich indes bis Mitte, vielleicht sogar bis Ende des Monats hinziehen, bis das allerorten gesichert ist. Erst die Masken, dann die Impfkampagne, nun der Stolperstart mit den Schnelltests – drei Episoden aus einem Drama der Pandemiebekämpfung.
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Warum nicht gleich Selbsttests?
Spät dran in Europa sind Bund und Länder, als sie am Mittwoch eine Teststrategie beschließen. Für die Logistik wollen sie eine Taskforce einsetzen. Beim staatlichen Angebot geht es um Schnelltests. Die müssen von geschultem Personal in Schulen, Altenheimen, Testzentren angewendet werden.
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Hingegen geht es bei den Angeboten im Handel um Laientests, die jeder zu Hause machen kann und über die Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) unserer Redaktion sagt, sie würden den traditionellen Schnelltest schrittweise ablösen. Warum setzt der Bund nicht gleich auf Selbsttests?
Spahn gibt den Ländern die Schuld
Am Donnerstag kommt die Taskforce zusammen und bespricht sich mit Anbietern und Herstellern. Den Vorsitz der Runde kann sich der Linke-Abgeordnete Fabio de Masi nur mit der höheren Mathematik der Kanzlerin erklären: Minus mal Minus ergibt Plus. Mit Minus meint er die Kabinettsmitglieder Jens Spahn (Gesundheit, CDU) und Andreas Scheuer (Verkehr, CSU), zwei skandalumwitterte Minister.
Scheuer ist abgehärtet, Spahn erschrocken. Im Dezember liegt er in der „Spiegel“-Umfrage auf Platz zwei hinter der Kanzlerin. In zwei Monaten wird er auf der Sympathieskala bis Platz sechs durchgereicht. Er wirkt auf Teilnehmer der Runde lustlos, frustriert, waidwund. „Ich verstehe ehrlicherweise überhaupt nicht, warum ich mich als Bundesgesundheitsminister mit der Frage beschäftigen muss. Ich weiß nicht, warum wir denen immer die Dinge regeln sollen, weil die Länder es irgendwie nicht hinkriegen“, sagt er.
Und die Länder geben dem Gesundheitsminister die Schuld
Fragt man Braun, dann war nie verabredet, dass der Bund für die Länder Schnelltests bestellt. Er sollte sicherstellen, dass sie in ausreichender Zahl geliefert werden können, und sich an den Kosten beteiligen. Bestellen sollten die Länder selbst – und auch die Infrastruktur schaffen. Schnelltests seien im Übermaß produziert worden und lieferbar, bestätigt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). „Der Vorwurf an den Bund ist billig“, sagt er unserer Redaktion.
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Nicht jeder in der Union will Spahn so einfach aus der Verantwortung entlassen. Markus Blume, CSU-Generalsekretär, ist die rechte Hand von Parteichef Markus Söder, Bayerns Ministerpräsident. „Man kann nicht die Verantwortung beim Testen auf die Länder schieben und sich selbst für komplett unzuständig erklären“, sagt Blume der „Bild am Sonntag“.
Dreyer kritisiert: Versprechen, nicht gehalten
Auch die Sozialdemokratin Malu Dreyer sieht Spahn in der Pflicht: „Mitte Februar hat Gesundheitsminister Jens Spahn kostenlose Schnelltests für alle versprochen. Und er hat behauptet, er habe für Deutschland 500 Millionen Tests vertraglich gesichert“, erinnert sich die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. „Das war ein großes Versprechen und hat sehr hohe Erwartungen geweckt, die er nicht einhalten konnte“, sagt sie unserer Redaktion.
Rheinland-Pfalz habe „nicht auf den Bund gewartet, sondern sofort begonnen, Tests zu beschaffen, Tester zu schulen und Teststationen aufzubauen“, so Dreyer. „Wir sind bereit.“
Bei der Schuldfrage gerät in Vergessenheit, welche Funktion die Tests haben: Sie sollen die heute beginnende Lockerung des Lockdowns – in fünf Schritten, im Idealplan bis Ostern – flankieren.
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Mehr Tests, höhere Inzidenzen
Aber man müsse sich darüber im Klaren sein, so der Virologe Hendrick Streeck zur „FAZ“, „dass bei vermehrten Tests wahrscheinlich auch die Infektionszahlen automatisch steigen werden“. Der Öffnungsplan sieht einen Inzidenzpuffer zwischen 50 und 100 vor. Am Sonntag lag die Inzidenz bundesweit bei 66. Ab 100 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in sieben Tagen gerät die Öffnung in Gefahr. Kein Problem, die Tests fehlen ja.
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