Berlin. Vieles deutet darauf hin, dass sich das Coronavirus nicht ausrotten lassen wird. Warum mit der Zeit trotzdem Normalität einkehren wird.

Immerhin, es tut sich was. Nach zwei kräftezehrenden Monaten im Lockdown sind die Infektionszahlen in Deutschland inzwischen deutlich gesunken, auch wenn der Rückgang zuletzt stagnierte. Die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner lag am Mittwoch bei 57,0. Sehnlichst warten die Menschen darauf, dass die Inzidenz weiter sinkt, damit Geschäfte und Schulen wieder öffnen können.

Zugleich wachsen nach einem Jahr Pandemie die Zweifel, ob unser Leben jemals wieder so sein wird wie früher. Aus Sicht der Forschung braucht es hierfür vor allem Geduld und Disziplin.

Corona-Impftourismus- Gesundheit gegen bare Münze

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    Der Infektiologe Bernd Salzberger vom Universitätsklinikum Regensburg ist sich sicher: Das Virus wird bleiben. „Wissen tut das natürlich niemand. Aber es gibt drei Punkte, die ein solches Szenario sehr wahrscheinlich machen“, sagt Salzberger, der auch Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie ist.

    Erstens sei Sars-CoV-2 ein Virus, das leicht übertragbar sei – „es reichen also wenige Infizierte aus, um Sars-CoV-2 weiter zu verbreiten“. Zweitens löse es bei vielen Menschen keine Symptome aus oder werde von bestimmten Menschen sehr lange weiterverbreitet. Und drittens: Nicht nur der Mensch diene dem Virus als Reservoir. „Auch Katzen oder Nerze haben sich angesteckt. Immer dann, wenn nicht allein der Mensch das Reservoir bildet, ist ein Virus schwer auszurotten“, erklärt Salzberger.

    Das bestätigt Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. „Das Virus ist weltweit so weit verbreitet, dass wir es weder durch Impfung noch die klassischen Maßnahmen ganz ausrotten werden“, sagt der Immunologe. Durch eine Impfung lasse sich nach bisherigen Erkenntnissen auch keine sterile Immunität erzeugen. Bedeutet: Die Menschen können das Virus trotz Impfung weitergeben.

    Mund-Nasen-Schutz als Dauerbegleiter? Menschen beim Einkaufsbummel in der Fußgängerzone.
    Mund-Nasen-Schutz als Dauerbegleiter? Menschen beim Einkaufsbummel in der Fußgängerzone. © picture alliance / Rupert Oberhäuser | Rupert Oberhäuser

    Corona-Pandemie: Welche Rolle spielen die Mutationen?

    Sie zählen zu den großen Unbekannten dieser Pandemie. Die Ausbreitung von deutlich ansteckenderen Varianten des Virus macht die Lage unberechenbar. Schon jetzt gibt es mehrere bekannte Varianten. In zahlreichen Ländern Europas grassiert bereits die Mutante B.1.1.7, etwa in Großbritannien, Irland, Portugal sowie beim Nachbarn Tschechien. Lesen Sie auch: Welche Corona-Mutationen es bereits in Deutschland gibt

    Auch hierzulande wurden Mutationen nachgewiesen, darunter auch jene, die in Südafrika zuerst nachgewiesen wurde: B.1.351. Auch interessant: Studie: Kann Covid-19 Parkinson und Alzheimer begünstigen?

    Da sich die Mutanten nach bisherigen Erkenntnissen schneller übertragen, könnten die Erfolge bei der Pandemiebekämpfung rasch wieder verpuffen oder bei einem zu schnellen Ende der Auflagen die Infektionskurve erneut ansteigen lassen. Die Pandemie könnte sich dadurch verlängern.

    Lassen sich aus der Geschichte Prognosen für die Zukunft entwerfen?

    Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Viren, die einmal furchtbar auf der Erde gewütet haben, zwar noch immer da sind, aber nicht mehr unseren Alltag beherrschen. Salzberger nennt das Beispiel der Influenza-Viren.

    „Die Infektion mit dem Virus H1N1 hat 1918 allein in Deutschland hunderttausende Menschen das Leben gekostet. Das war die Spanische Grippe“, sagt der Infektiologe. „Heute haben wir auch noch H1N1-Viren, aber die lösen keine globale Katastrophe mehr aus.“

    Auch gebe es derzeit in der Forschung die Theorie, dass eine der großen Influenza-Pandemien, die von 1889 bis 1895 wütete, eigentlich eine Coronavirus-Pandemie war. „Und zwar ausgelöst durch eines der Corona-Viren, das heute bei uns als einfaches Erkältungsrisiko zirkuliert.“

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      Aus der aktuellen zweiten Welle werde sich Deutschland nicht herausimpfen können, sagt Carsten Watzl. „Für eine Herdenimmunität ist die Zahl der Geimpften noch zu klein. Hier helfen nur die klassischen Maßnahmen wie Abstand halten.“

      Doch seine Vorhersage für den kommenden Winter 2021/2022: „Wir werden zwar wieder Infektionen und auch Tote haben, aber auf ganz anderem Niveau, als im vergangenen Jahr.“

      Als entscheidenden Faktor nennt Watzl die Grundimmunität in der Bevölkerung. Mit vielen Erregern, die kursieren, hat der Mensch bereits Bekanntschaft gemacht. Beispiel Grippe- oder Erkältungsviren. „Auch wenn sich ein Virus wie etwa bei der Influenza immer verändern kann, gewisse Teile stimmen mit dem ursprünglichen Erreger überein“, erklärt Watzl.

      Daran könne sich das Immunsystem dann erinnern und reagieren. „Das war das Gemeine bei der aktuellen Pandemie: Wir waren immunologisch völlig unvorbereitet.“ Je mehr Menschen aber geimpft seien oder sich infiziert hätten, desto besser werde der Schutz in der Bevölkerung.

      „Das heißt nicht, dass niemand mehr erkrankt. Aber die Erkrankung wird vielfach harmloser verlaufen und es wird weniger Tote geben.“ Es könnte also eine Frage der Zeit sein, bis aus einer tödlichen Pandemie eine ernsthafte, aber beherrschbare Erkrankung wird.