Berlin. Der Corona-Gipfel bringt Lockerungen für Friseure. Warum nicht auch für andere Branchen, fragt sich Kommentatorin Miriam Hollstein.
Die schlechte Nachricht zuerst: Der Lockdown wird bis in den März verlängert. Und jetzt die gute: Aber Deutschland wird dabei die Haare schön haben. Es ist eine doppelbödige Botschaft, die diesmal vom Corona-Gipfel ausgeht. Allgemeine Lockerungen, auf die viele Geschäftsinhaber, Restaurantbesitzer und Soloselbstständige so verzweifelt warten, bleiben vorerst aus. Nur die Friseure dürfen schon in Kürze aufmachen.
Es ist ein Spagat, den Bund und Länder hier versuchen: Einerseits wollen sie dem Ausbruch einer dritten Welle vorbeugen, andererseits aber ein Signal der Öffnung geben. Warum es ausgerechnet die Friseure sind, die hier bevorzugt behandelt werden, hat viel mit Symbolik zu tun. In mehreren öffentlichen Appellen hatten einige von ihnen auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam gemacht. Die schleppende Auszahlung der Corona-Hilfen hat dazu geführt, dass viele kleinere Betriebe in Existenznöten stecken.
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In der Corona-Pandemie steht der Besuch des Friseursalons für Normalität
Zudem steht der Besuch beim Friseur oder der Friseurin gerade in Deutschland auch für jene Normalität, nach der sich alle sehnen. Schon in gewöhnlichen Zeiten ist der Gang zum Coiffeur des Vertrauens für viele Menschen eine kleine Auszeit vom Alltagsstress – ein Moment des Ausruhens, der Selbstfürsorge und des Wohlfühlens. Damit ist es seit vergangenem Dezember vorbei. Der immer wilder werdende Haarwuchs ist zum Ausdruck des Gefühls geworden, dass unser Leben außer Kontrolle geraten ist.
Dennoch irritiert die Hervorhebung dieses Berufsstands in den Beschlüssen des Bund-Länder-Treffens. Denn was ist mit all den anderen Selbstständigen, die sich in ähnlicher Lage befinden? Und ist es in Pandemiezeiten vorrangig, sich die Haare schneiden zu lassen? In der Entscheidung für diese Branche offenbart sich auch ein Stück weit die Hilflosigkeit von Bund und Ländern angesichts der Frage, was der richtige Weg ist.
Die Corona-Warn-App, von der Regierung lange als zentrales Instrument im Kampf gegen die Pandemie gepriesen, hat sich als millionenschwerer Flop erwiesen. Die zur entscheidenden Zielmarke erhobene Inzidenz von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern binnen Wochenfrist spielt angesichts neuer, deutlich ansteckenderer Mutanten plötzlich keine Rolle mehr. Es ist dieser Zickzackkurs, der das Vertrauen bei den Bürgern schwinden lässt. Wer garantiert, dass die jetzt genannten Vorgaben nicht in drei Wochen wieder Makulatur sind?
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Entscheidungen zu Schulen leuchten noch am ehesten ein
Am ehesten leuchtet noch die Entscheidung ein, dass das Kanzleramt dem Druck der Länder nachgegeben hat und die Frage der Schulöffnungen letzteren überlässt. Lehrer und Lehrerinnen, Eltern sowie Kinderärzte und Psychologinnen berichten, wie belastend der Unterrichtsausfall für viele Kinder und Jugendliche ist. Außerdem fallen die Schulen ohnehin in die Zuständigkeit der Länder. Diese müssen jetzt beweisen, dass sie angesichts der unklaren Studienlage, ob Schulen Infektionsherde sind oder nicht, dazu gelernt haben, und ausgereifte Hygienekonzepte vorlegen. Regelmäßige Schnelltests und Wechselunterricht statt Vollpräsenz gehören sicherlich dazu.
Wichtiger als ein Signal der Einheitlichkeit bei den Schulöffnungen dürfte sein, auf unterschiedliche Situationen schnell zu reagieren. In Regionen, in denen die Inzidenz hoch bleibt, können härtere Maßnahmen angemessen sein. Bei niedriger Inzidenz könnten testweise Lockerungen ausprobiert werden.
Das Entscheidende ist aber die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich weiter an die Vorgaben zu halten. Dafür müssen diese sinnvoll und nachvollziehbar erscheinen. Diese Botschaft ist dem Bund-Länder-Gipfel nicht wirklich gelungen.
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