Berlin. Diskriminierung macht krank. Eine Studie des DIW zeigt, inwiefern Schwule, Lesben sowie trans- und bisexuelle Menschen betroffen sind.
Am Arbeitsplatz, bei der Wohnungssuche, im Alltag – es gibt viele Situationen, in denen Menschen, die anders lieben als die Mehrheit in Deutschland, fürchten müssen, Diskriminierung zu erleben. Viele bewegen sich deshalb in ständiger Wachsamkeit – und einige von ihnen werden darüber krank.
Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, die unserer Redaktion vorliegt. Danach haben Menschen, die Teil der LGBTQI-Community sind, ein deutlich höheres Risiko, an bestimmten psychischen, aber auch physischen Leiden zu erkranken. Lesen Sie auch: Oberstes US-Gericht stärkt Homosexuelle und Transgender
Immer noch Zurückweisung
„LGBTQI“ ist eine Abkürzung, die eine große Gruppe von Menschen umfasst: schwule Männer und lesbische Frauen, bisexuelle Personen, Menschen, die nicht dem Geschlecht angehören, dem sie bei ihrer Geburt zugeordnet wurden, und die, die sich gar nicht innerhalb des gängigen Systems von zwei Geschlechtern verorten. Als Sammelbegriff wird häufig auch das Adjektiv queer verwendet.
Trotz Bemühungen um Gleichstellung und tatsächlichen Fortschritten erleben viele Menschen aus der LGBTQI-Gemeinschaft immer noch Zurückweisung. Und diese mache sie krank, so die Untersuchung des DIW. Sowohl negative Erfahrungen an sich als auch die ständige Wachsamkeit, die daraus entsteht, würden sich nachteilig auf die Gesundheit auswirken.
Depressive Erkrankung diagnostiziert
Für die Studie haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Daten des Sozio-ökonomischen Panels, einer Wiederholungsbefragung von Privathaushalten, und einer Online-Befragung ausgewertet. Dabei zeigen sich je nach sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität deutliche Unterschiede: So wurde bei 26 Prozent der Befragten aus der LGBTQI-Gemeinschaft schon einmal eine depressive Erkrankung diagnostiziert. Auch interessant: Nur wenige Lesben und Schwule outen sich im Job
Bei jenen, die heterosexuell sind und sich mit dem Geschlecht identifizieren, dem sie bei der Geburt zugeordnet wurden, waren es dagegen nur knapp zehn Prozent.
Häufiger krankgeschrieben
Unter Schlafstörungen leiden demnach rund 15 Prozent der queeren Befragten, unter Burn-out knapp acht Prozent. Die Anteile liegen damit im Vergleich doppelt und fast dreifach so hoch wie in der Vergleichsgruppe. Auch von Einsamkeit berichten queere Befragte deutlich häufiger.
2019, so die DIW-Studie, war deshalb der Anteil von LGBTQI-Menschen, die länger als sechs Wochen krankgeschrieben waren, fast doppelt so hoch wie unter heterosexuellen Personen.
Hoher Anteil bei transgeschlechtlichen Befragten
Besonders transgeschlechtliche Personen haben häufig mit psychischen Problemen zu kämpfen: Während unter den queeren Menschen insgesamt knapp jede zehnte befragte Person von Angststörungen berichtete, lag dieser Anteil in der Untergruppe der transgeschlechtlichen Befragten bei 39 Prozent.
Der Anteil derer, die von Essstörungen betroffen sind, war in dieser Gruppe dreimal so hoch wie im Durchschnitt der queeren Menschen. Mehr zum Thema: Sydney: Schwules Pinguinpärchen adoptiert zweites Baby
Stressbedingte körperliche Leiden
Doch es sind nicht nur mentale Belastungen, unter denen Mitglieder der LGBTQI-Gemeinschaft häufiger leiden: Auch an bestimmten stressbedingten körperlichen Leiden erkranken sie öfter als andere. So berichteten in den Befragungen queere Menschen fast doppelt so oft von Herzkrankheiten und Migräne wie andere Befragte.
Während nur zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung an chronischen Rückenschmerzen leiden, waren es unter queeren Menschen 17 Prozent. Bei Krebserkrankungen, Schlaganfällen, Bluthochdruck und Gelenkerkrankungen dagegen waren die Unterschiede statistisch nicht signifikant. Lesen Sie hier: Justin Trudeau entschuldigt sich bei der LGBT-Community
Die Studie schlage eine Brücke zwischen bekannten Forschungsergebnissen, heißt es vom DIW. Auf der einen Seite ist erwiesen, dass Diskriminierung die psychische und körperliche Gesundheit beeinträchtigen kann. Andererseits belegen weitere Studien, dass LGBTQI-Menschen in vielen Lebenssituationen Ablehnung und Diskriminierung ausgesetzt sind.
Stress von außen und von innen
Überrascht hätten sie die Ergebnisse nicht, sagt die Soziologin Mirjam Fischer, eine der Autorinnen des Berichts. „Die Studie bestätigt belastbar für Deutschland, was internationale Forschung bereits gezeigt hat.“ Der Stress, der Betroffene krank macht, entstehe einerseits durch direkte Diskriminierung und Ablehnung von außen, auf der anderen Seite dadurch, dass man diese Ablehnung antizipiere und fürchte.
Durch die Pandemie, in der insgesamt mehr Menschen unter Einsamkeit leiden, könnte sich die Situation noch verschärfen, fürchtet Fischer: „Wenn wir uns dann anschauen, dass LGBTQI-Menschen sich schon so viel öfter einsam fühlen, kann man leider davon ausgehen, dass sich das zugespitzt hat.“
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