Berlin. Die späte Zulassung des Corona-Impfstoffs wird hierzulande kritisiert. Doch ein deutscher Alleingang wäre falsch – und unsolidarisch.
Ja, auf den ersten Blick wirkt es bizarr und ungerecht: Warum können die USA und Großbritannien als Erste mit der Impfung gegen das Coronavirus starten? Ausgerechnet jene Länder, deren Regierungen die Pandemie sträflich unterschätzt, heruntergeredet und verharmlost haben. US-Präsident Donald Trump und der britische Premier Boris Johnson haben – man muss es so drastisch sagen – auf diese Weise fahrlässig den Tod vieler Menschen in Kauf genommen.
Dass die EU und Deutschland hinterherhinken, verstört zunächst. Immerhin hat das Mainzer Unternehmen Biontech zusammen mit seinem US-Partner Pfizer einen bereits zugelassenen Impfstoff entwickelt.
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Corona-Impfstoff: EMA beugt sich schon dem öffentlichen Druck
Die europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat angesichts der nach oben schießenden Corona-Zahlen und des zunehmenden öffentlichen Drucks nun doch mehr Gas gegeben. Sie will bereits am 21. Dezember über die Zulassung des Präparats von Biontech/Pfizer entscheiden – acht Tage früher als ursprünglich geplant. Da dies als reine Formsache gilt, kann in Europa noch vor dem Jahreswechsel mit den ersten Impfungen begonnen werden.
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Trotzdem ist das Verfahren einer geordneten Prüfung des Impfstoffs prinzipiell richtig. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Die USA und Großbritannien haben den hastigen Weg per Notfallzulassung gewählt. Beide Länder versuchen so, ihre Versäumnisse in der Corona-Krise zu kaschieren. Man muss die Frage auch andersherum stellen: Was wäre passiert, wenn die EU mit einer Notfallzulassung vorgeprescht wäre?
Impfung gegen Corona: Maximale Transparenz für Vertrauen der Bürger notwendig
Ein Hals über Kopf verteilter Impfstoff hätte bei etlichen Bürgern Misstrauen erregt. Viele wären sich womöglich als Versuchskaninchen vorgekommen und hätten abgewartet. Zumal die Frage eventueller Nebenwirkungen wohl erst in einigen Jahren geklärt werden kann. Die Skepsis ist in Deutschland ohnehin recht hoch: Nur die Hälfte der Bevölkerung will sich die Spritze gegen Corona verpassen lassen. Für eine Herdenimmunität wären aber 60 bis 70 Prozent nötig.
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Deshalb: Eine wissenschaftlich einwandfreie Untersuchung des Anti-Corona-Wirkstoffs sowie maximale Transparenz sind oberstes Gebot. Nur so können die Bürger Vertrauen schöpfen und die Kritiker überzeugt werden. Dies ist umso wichtiger, als die Entwicklung eines sicheren Vakzins normalerweise rund zehn Jahre dauert. Durch die globale Bedrohung der Pandemie haben viele Staaten enorme Milliardensummen lockergemacht und den Prozess beschleunigt.
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Gebot der Solidarität gilt auch bei der Verteilung und Zulassung des Impfstoffs
Es gibt noch einen Grund gegen nationale Alleingänge. Die EU hat bewusst entschieden, die Impfungen gemeinschaftlich und zeitgleich durchzuführen. „Das Wir ist stärker als das Ich“, wie es Gesundheitsminister Jens Spahn formulierte. Nicht der Reichtum einzelner Länder sollte den Impf-Takt vorgeben, sondern das Gebot der Solidarität.
Genau daran hatte es zu Beginn der Pandemie gefehlt. So weigerte sich Deutschland zunächst, Masken in stark von Corona betroffene Länder wie Italien und Frankreich zu liefern. Plötzlich kamen alte Ressentiments gegen die „herzlosen Deutschen“ hoch, die man längst überwunden glaubte. Ein Indiz dafür, wie dünn der Firnis der europäischen Einheit gelegentlich immer noch ist.
Der Impfstoff ist bedeutend, aber er bringt noch nicht die Erlösung. Es wird noch bis zum Ende des nächsten Sommers dauern, bis alle Impfwilligen in Deutschland den „Schuss“ gegen das Virus erhalten haben, kalkuliert das Gesundheitsministerium. Die Erleichterung wird Schritt für Schritt kommen. Und zwar umso schneller, je mehr Bürger sich und andere durch Selbstdisziplin schützen: mit Maske, Abstand und Hygienemaßnahmen. Die Geduldsprobe ist noch nicht zu Ende.
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