An Rhein und Ruhr. Mal braucht es einen Schnelltest, mal reicht eine FFP2-Maske. Aber alle Heimbetreiber fordern: Holt eure Verwandten über Weihnachten nicht heim.
Die ab Mittwoch geltende neue Coronaschutz-Verordnung des Landes bietet für die rund 2600 Pflegeheime in NRW keinen ausreichenden Schutz gegen Corona-Ausbrüche, warnt der Branchenverband bpd, der die privaten Betreiber von etwa 600 Einrichtungen vertritt. Zugleich zeigt sich ein Flickenteppich bei den Besuchsregelungen in den NRW-Heimen. Gemeinsam ist allen Trägern lediglich die dringende Bitte, Verwandte nicht über die Feiertage nach Haus zu holen.
„Am Sonntag haben die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten noch verabredet, dass Schnelltests für Besucher zwingend vorgesehen sein müssen. Minister Laumann hat das abgeschwächt. Das können wir nicht nachvollziehen“, so Christof Beckmann, Vorsitzender des bpa-Landesverbandes. Er plädiert dafür, dass Besucher entweder einen Schnelltest vor Ort machen oder ein frisches Testergebnis vorlegen müssen, um in die Einrichtungen eingelassen zu werden.
Vier Besucher pro Tag - „das ist gefährlich“
In der neuen Coronaschutz-Verordnung des Landes ist lediglich vorgeschrieben, dass Besucher von Pflegeeinrichtungen FFP2-Masken tragen müssen. Schnelltests sollen lediglich empfohlen werden. Zudem bleibt es bei der Regelung, dass bis zu vier Besucher pro Tag und Bewohner kommen dürfen.
Angesichts der aktuell „sehr hohen Infektions- und Todeszahlen in Pflegeeinrichtungen“ ist das für Beckmann unverständlich. „Man muss natürlich zwischen dem Recht auf Teilhabe und dem Gesundheitsschutz abwägen. Aber die neue Allgemeinverfügung ist einseitig zugunsten der Teilhabe gestaltet. Das ist gefährlich“, so der bpa-Landesvorsitzende.
Christof Beckmann warnt zudem davor, dass die bisherige Menge Schnelltests, die den Heimen zugesprochen wurde, möglicherweise nicht ausreichen könnte. „Für jeden Bewohner gibt es 30 Tests pro Monat. Allerdings müssen die Mitarbeiter jetzt alle drei Tage getestet werden. Das könnte knapp werden.“ Ein weiteres Problem: die angespannte Personalsituation in den Heimen, die häufig von Trägern aufgeführt wird, die keine Schnelltests bei Besuchern durchführen lassen.
Caritas fordert: Aktiviert Bundeswehr und THW
Der Deutsche Caritasverband hatte bereits am Montag dazu aufgefordert, die Heime zu unterstützen, um flächendeckende Testungen zu ermöglichen. Jede Kommune und jede Landesregierung solle mit „allen verfügbaren Mitteln“, etwa der Reaktivierung pensionierter Ärzte, mit Medizinstudenten, der Bundeswehr oder dem THW Abhilfe leisten.
Aktuell gibt es laut dem Landesgesundheitsministerium in 523 der rund 2600 Pflegeheime in NRW infizierte Bewohner. Um Infektionen zu vermeiden, hat der Düsseldorfer Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in seinen insgesamt sieben Einrichtungen in der Landeshauptstadt, in Duisburg und in Viersen viel drastischere Besuchsregeln erlassen, als es die aktuelle Corona-Schutzverordnung des Landes vorsieht.
Harte Maßnahmen in Düsseldorf
„Wir führen seit heute in den Eingangsbereichen der Heime Schnelltests durch“, sagte Jasmin Schürgers, Sprechern des DRK-Kreisverbandes Düsseldorf am Dienstag der NRZ. Wer einen Test verweigert, kommt nicht in die Einrichtungen. Lediglich in einem Heim gibt es vor der Einrichtung eine Besuchs-Box, in die auch Test-Verweigerer gelassen werden.
Bei einem negativen Testergebnis werden die Besucher mit neuen FFP2-Masken ausgestattet, erhalten Schutzkleidung und Handschuhe. Das alles funktioniert nur mit einem „extrem hohen Personalaufwand“, räumt Schürges ein. Aber: „Das muss unbedingt so gemacht werden, um einen höchst möglichen Infektionsschutz zu gewährleisten.“ Dazu gilt in den DRK-Heimen: Maximal zwei Besucher pro Tag und Bewohner.
Lockere Maßnahmen in Essen
Die Katholische Pflegehilfe in Essen, die eine vollstationäre Einrichtung mit 102 Bewohnern betreibt, hat hingegen ein Konzept, das vergleichsweise locker ist, und sich an der neuen Verordnung ausrichtet. „Wir machen die üblichen Kontrollscreenings inklusive Temperaturmessung“, erklärt Geschäftsführer Markus Kampling. Um für jeden Besucher Schnelltests durchzuführen, „haben wir gar nicht das Personal“. In Essen gilt: Wer Symptome zeigt, kommt nicht in die Einrichtung. FFP2-Masken sollten die Besucher möglichst selbst mitbringen, weitere Schutzausrüstung gibt es nicht.
Dass das Land noch immer eine Besucherzahl von maximal vier Besuchern pro Tag und Bewohner erlaubt, sieht Kampling sehr kritisch: „Für unser Seniorenzentrum St. Martin würde das bedeuten, dass über die Weihnachtsfeiertage mehr als 1200 Besucher ins Haus kommen können, um ihre Angehörigen zu sehen. Allein am Heiligen Abend sprechen wir von bis zu 408 Personen. Aus seiner Sicht wäre das „in Bezug auf unsere so verletzliche Personengruppe unverantwortlich“.
In anderen Einrichtungen werden Mittelwege versucht: Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) wird in ihren 58 Einrichtungen im Bezirk Westliches Westfalen in den Tagen zwischen dem 22. und 27. Dezember während der gesamten Öffnungszeiten der Heime Schnelltests für alle Besucher anbieten. Die Tests werden aber keine zwingende Voraussetzung für einen Angehörigen-Besuch sein, betont Sprecher Jörg Richard.
Hochmotivierte Mitarbeiter bei der AWO
Zwingend sind und bleiben in den AWO-Pflegeheimen nur die Kontrollscreenings und das Tragen einer FFP2-Maske. „Wer Krankheitssymptome zeigt, kommt natürlich auch nicht mit einer FFP2-Maske hinein“, so Richard. Das Test-Angebot über die Weihnachtstage erfordere „ganz erhebliche Anstrengungen“, da die Mitarbeiterdecke ohnehin schon ausgedünnt sei, da sich manche Beschäftigten in Quarantäne befänden oder an Corona erkrankt seien. „Aber unsere Mitarbeiter sind hochmotiviert und engagiert“, beteuert der AWO-Sprecher
In der Klever Burg Ranzow, einem Altenheim in Trägerschaft der Kölner Cellitinnen-Stiftung wiederum werden an drei Tagen in der Woche für jeweils zwei Stunden Schnelltests durchgeführt, wie Heimleiterin Jutta Manz berichtet. Wer sich an diesen Tagen nicht testen lassen wolle, dürfe die Einrichtung nicht betreten. In Kleve werden auch lediglich zwei Besucher pro Tag und Bewohner eingelassen.
Auch Manz sagt wie alle anderen Gesprächspartner, dass es ihr lieber wäre, wenn Angehörige in diesem Jahr darauf verzichteten, ihre Verwandten zum Fest nach Hause zu holen, selbst wenn es möglich ist. Schließlich sei dann kaum mehr möglich, eine Reduzierung von Kontakten zu erreichen. „Aber das wollen viele nicht hören“, befürchtet die Klever Heimleiterin.