Berlin. Der Pflegebeauftragte der Regierung und das RKI haben einen Leitfaden für coronasichere Besuche in Senioreneinrichtungen vorgelegt.
Was tun, wenn die demente Großmutter die Enkelin wegen ihrer Maske nicht erkennt? Wie lässt sich vermeiden, dass sich an Weihnachten Besucherschlangen vor den Pflegeheimen bilden? Und darf man in Corona-Zeiten überhaupt Geschenke mitbringen?
Anders als im ersten Lockdown wollen alle Beteiligten, dass Hochbetagte und Kranke in Pflegeeinrichtungen nicht wieder isoliert leben müssen. Doch wie lassen sich Besuche regeln, damit das Infektionsrisiko klein bleibt, Nähe aber trotzdem möglich ist? Lesen Sie auch: Corona: Warum der Lockdown ins neue Jahr verlängert wird
Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung hat zusammen mit dem Robert Koch-Institut (RKI) einen Leitfaden mit praktischen Empfehlungen für Besucher, Bewohner, Pflegekräfte und Heimleitungen erarbeitet. Die Startauflage von 14.000 Exemplaren soll jetzt bundesweit an die Einrichtungen verschickt werden, der Leitfaden ist von diesem Freitag an auf der Seite des Pflegebeauftragten zu finden.
Warum ist ein Leitfaden nötig?
„Die Einrichtungen müssen einen Spagat hinkriegen“, sagt der Pflegebeauftragte Andreas Westerfellhaus im Gespräch mit unserer Redaktion. „Eine Isolation der Bewohner wie im ersten Lockdown darf es nicht noch einmal geben.“ Viele Heimleitungen hätten jedoch Angst, mit zu offenen Besuchskonzepten Infektionsausbrüche zu riskieren und dann an den Pranger gestellt zu werden.
RKI-Chef Lothar Wieler hatte erst am Donnerstag erneut darauf hingewiesen, dass es immer mehr Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen gebe. „Das bereitet uns tatsächlich große Sorgen.“ Die Anzahl der Ausbrüche sei wieder so hoch wie zu Beginn der Corona-Pandemie .
Westerfellhaus beobachtet: „Es gibt sehr gute Konzepte. Es gibt zum Teil aber auch Regeln, die nach heutigem Wissensstand zu streng sind.“ Selbst wenn es zu einem begrenzten Ausbruch komme, dürfe eine Einrichtung nicht wieder reflexhaft für Besucher geschlossen werden. Der Leitfaden aus seinem Haus biete pragmatische Lösungen an. Welche Empfehlungen sind wichtig? Auch interessant: Corona: Das sind die ersten Anzeichen und Symptome
Besuche lieber anmelden
„Jeder Besucher sollte sich bei der Heimleitung vor einem Besuch anmelden und einen Termin ausmachen“, rät Westerfellhaus, gerade in der Weihnachtszeit : „Wenn 100 Angehörige von 70 Bewohnern um 17 Uhr am Heiligabend vor der Tür stehen, dann schaffen das die Pflegekräfte nicht. Fieber messen, Personendaten aufnehmen, mit Maskenverweigerern reden oder sogar noch 15 Minuten pro Schnelltest einplanen – das geht nicht.“
Darf ich die Maske abnehmen?
„Für kognitiv eingeschränkte Menschen können Menschen mit Masken irritierend sein“, mahnt Westerfellhaus. „Mein Vater erkennt mich mit Maske nicht“ – das berichten viele Angehörige. „In solchen Fällen ist es in Ordnung, wenn man genügend Abstand hält und bei der Begrüßung kurz die Maske vom Gesicht nimmt, um sich erkennbar zu machen.“
Wann sind Schnelltests sinnvoll?
Um Pflegebedürftige und Pflegekräfte zu schützen, können Heime 30 Antigen-Schnelltests pro Pflegebedürftigem pro Monat mit den Krankenkassen abrechnen. Das klingt gut, macht in der Praxis aber viele Probleme: Heimleitungen klagen über Engpässe bei den Lieferungen, Pflegekräfte wissen nicht, woher sie die Zeit fürs Testen nehmen sollen. Lesen Sie hier: Diese neuen Corona-Regeln gelten ab jetzt in Deutschland
„Schnelltests sollten anlassbezogen eingesetzt werden. Wer einen Besuch plant, sollte vorher mit der Heimleitung klären, ob und wann ein Schnelltest sinnvoll ist“, rät der Pflegebeauftragte.
Wo treffen sich Besucher und Bewohner am besten?
Es sind Fälle wie diese, die das ganze Dilemma zeigen: Ein betagter Ehemann besucht seine betagte Frau im Pflegeheim . Die beiden sind seit 60 Jahren verheiratet, sie möchten sich in den Arm nehmen, ohne Maske eine Weile die Nähe des anderen spüren. Menschlich wichtig, aus Infektionsschutzgründen in vielen Einrichtungen eigentlich nicht erlaubt. Lesen Sie auch: Corona im Altenheim: Wie werden Senioren geschützt
Seniorenvertreter wünschen sich, dass Besuche dort stattfinden, wo am ehesten Privatsphäre herrscht – im eigenen Zimmer der Bewohner. Die Heimleitungen dagegen sorgen sich oft, ob hinter der geschlossenen Tür die Hygiene - und Abstandsregeln eingehalten werden.
„Angehörige im eigenen Zimmer zu besuchen ist wünschenswert. Für Besucher und Pflegebedürftige bedeutet das allerdings eine hohe Verantwortung. Deshalb ist die wichtigste Maxime: Tun Sie alles, damit sich Ihr Angehöriger nicht infiziert.“
Geschenke und Gebäck
„Es gibt Heime, in denen kommen aus Hygienegründen selbst Geburtstagsgeschenke erst mal für einige Zeit in den Keller“, weiß der Pflegebeauftragte. „Das ist nach heutigem Wissen über Infektionsrisiken unnötig.“ Wer einem Pflegebedürftigen zu Weihnachten Geschenke oder Blumenschmuck mitbringen wolle, sollte das tun dürfen.
Besuch von Kindern
Einzelne Einrichtungen haben Besuchsverbote für Kinder eingeführt. „Das ist wissenschaftlich nicht belegt“, so Westerfellhaus. „Klar ist: Man sollte jetzt nicht mit vier Enkelkindern aus drei verschiedenen Haushalten zu Besuch kommen. Aber wer sich in den Tagen vorher klug verhält, seine Kontakte noch mal reduziert, der sollte auch mit einem Kind in Begleitung kommen dürfen.“
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