Berlin. Die Knallerei zum Jahreswechsel ist eine alte Tradition. Aber ist sie in diesem Jahr auch angebracht? Ein Pro und ein Contra zum Thema.
Darf trotz der Corona-Pandemie in der Silversternacht geknallt werden, ja oder nein? Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Bundesländern wollen am Mittwoch darüber beraten. Noch herrscht in dieser Frage keine Einigkeit. Auch unsere Redakteure Miguel Sanches und Miriam Hollstein sind unterschiedlicher Auffassung. Ein Pro und Kontra zu einem möglichen Böllerverbot .
PRO: Ja! An diesem Jahreswechsel ist Vorsicht am wichtigsten
Es ist ein Seuchenjahr. Mit Böllern wird es nicht mehr besser. Lassen wir 2020 so ausklingen, wie es sich seit März anfühlt: behutsam. Nicht krachend wie eh und je, sondern ganz im Zeichen des Infektionsschutzes . Wenn alle immun und geimpft sind, hätte man schlussendlich einen guten Grund für ein Feuerwerk. 2021 wird ein Jahr der Hoffnung.
Zu Silvester ergibt ein Böllerverbot wie in Holland auch in Deutschland Sinn. Wir haben so viele Einschränkungen erlebt, so viele Menschen haben wegen der Pandemie echte Probleme , da ist die Knallerei eine Randfrage und ihr Verbot nicht der Härtefall, sondern nur ein Luxusproblem. Daran hängt unsere Freiheit nicht. Die Lebensfreude etwa?
Ein Feuerwerk ist ein Anreiz, sich zu treffen. Wenn noch Alkohol im Spiel ist, kann der Jahreswechsel mit seinen vielen Partys schnell zum Superspreaderevent werden. Das gilt es zu vermeiden. Die Ärzte, Pfleger und die Rettungshelfer in den Krankenhäusern wären für einen ruhigen Jahresausklang mit Minimalbesetzung in der Notfallambulanz dankbar – sie sind ausgepowert. Gleiches gilt für die Feuerwehr und für die Polizei.
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Durchsetzen lässt sich ein Böllerverbot am ehesten, wenn der Verkauf von Feuerwerkskörpern untersagt wird. Dann bleibt zwar der Schwarzmarkt, aber den kann man im Auge behalten. Umgekehrt: Wenn die Pyrotechnik erst einmal allgemein zum Verkauf steht, erwerben es die Leute auch. Und wenn sie es kaufen, werden sie es auch abfeuern. Wer sollte es ihnen verdenken? Hintergrund : Viele Händler verkaufen 2020 kein Feuerwerk
Die Polizei kann nicht überall anklopfen und den Partyschreck spielen. Und sie sollte es gar nicht versuchen (müssen). Wer erst den Verkauf erlaubt und dann die Böllerei auf belebten Plätzen verbieten will, der soll verraten, wie das kontrolliert werden soll. Unübersichtlich wird es auch. Deshalb: Wenn Verbot, dann konsequent. Keine halben Sachen .
Wenn es so kommen sollte, wäre es eine Ironie, typisch für dieses Corona-Jahr. Die wiederkehrenden Entwicklungshilfe-Aktionen „ Brot statt Böller “ hätten diesmal ihren Anlass verloren, aber ihr Wunschziel nicht erreicht.
CONTRA: Nein! Der Staat darf uns nicht alle Freude nehmen
Um es vorweg zu sagen: Ich persönlich kann der alljährlichen Böllerei nichts abgewinnen. Das ist ungünstig, wenn man in einer Stadt lebt, die sich jedes Jahr zu Silvester in ein gefühltes Kriegsgebiet verwandelt. Geknallt wird in Berlin, was das Zeug hält, gern auch mit in Polen erworbenen illegalen Doppelt-so-laut-Chinakrachern.
Wer sich um Mitternacht auf der Straße aufhält, riskiert in manchen Bezirken zudem, gezielt von Balkonen mit Raketen beschossen zu werden. Den letzten Jahreswechsel habe ich deshalb an einem einsamen Ort an der Ostsee verbracht.
Trotzdem halte ich den Versuch der SPD-geführten Bundesländer, im Zuge der Corona-Regeln in diesem Jahr das Feuerwerk ganz zu verbieten, für völlig falsch. Schon die Begründung klingt nicht überzeugend.
Im Vergleich zu den Corona-Demonstrationen, bei denen sich immer noch Tausende von Menschen in Pulks und oft ohne Maske bewegen, dürfte das Infektionsrisiko, wenn sich zu Silvester kleine Menschengruppen im Freien zu einer kurzen Knallerei treffen, überschaubar sein. Auch die Entlastung des Gesundheitssystems durch ein Verbot ist wohl eher begrenzt. Es wird selbst ohne Böller zu vielen Unfällen durch Alkohol kommen. Lesen Sie hier : Mehrheit der Deutschen für Böllerverbot in Innenstädten
Vor allem aber darf man den psychologischen Effekt der Böllerei nicht unterschätzen. In ihr steckt noch viel vom ursprünglichen Gedanken, mit großem Radau die bösen Geister des alten Jahres zu vertreiben. Knallern zu Silvester, das ist ein Ritual des Hinter-sich-Lassens und des Hoffens auf eine bessere Zukunft.
An diesem Silvester dürfte das Bedürfnis vieler Menschen, das alte Jahr lautstark zum Teufel zu wünschen, besonders groß sein. Die meisten von ihnen sind in der Lage, verantwortungsvoll mit Pyrotechnik umzugehen. Alle haben ein Dreivierteljahr hinter sich, in dem sie zahlreiche Einschränkungen ihres Lebens hinnehmen mussten. Weitere harte Wochen, wenn nicht sogar Monate, stehen noch bevor. Gerade deshalb wäre es fatal, ihnen auch noch das Gefühl eines „richtigen“ Silvesters zu rauben.
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