Berlin. Bei einem längeren Lockdown hat Finanzminister Olaf Scholz das Geld, um Wirte und Veranstalter auch im nächsten Monat zu unterstützen.
Olaf Scholz hat zwei Aufgaben für sich entdeckt: Mut zu machen und Geld auszugeben. Als Millionen Karnevalisten aufgrund der abgesagten Feiern zum 11.11. Trübsal bliesen, twitterte der Bundesfinanzminister: Zwar fehle ihm als Norddeutscher „das Karneval-Gen“. Alle Faschingsfreunde sollten sich aber ihre Fröhlichkeit bewahren, denn die werde in den düsteren Pandemietagen dringend gebraucht: „Bald geht’s wieder aufwärts, dann feiern wir gemeinsam!“
Was auf viele Gastwirte, Kulturschaffende oder Veranstalter, die wegen des Teil-Lockdowns im November in leere Kassen schauen, zunächst wie eine abgedroschene Durchhalteparole wirken mochte, meint Scholz ernst. Am Donnerstag bei der Video-Bekanntgabe der Ergebnisse der neuesten Steuerschätzung teilte „St. Olaf“ zwar nicht sein Jackett mit Bedürftigen, schwenkte aber ein finanzpolitisches November-Licht: „Der ist trübe, aber der Blick nach vorne geht in die Sonne.“
Scholz stellt weitere Milliarden als Corona-Hilfe in Aussicht
So will der Bund die vor zwei Wochen beim Gipfel von Kanzlerin und Ministerpräsidenten beschlossene November-Hilfe kräftig aufstocken. Bislang war von bis zu zehn Milliarden Euro die Rede: „Es können ein paar Milliarden mehr werden“, sagte Scholz. Lesen Sie hier : November-Hilfe: So kommen Firmen an staatliches Geld
Aus der Koalition heißt es flankierend, die November-Hilfe (Umsatzausfälle werden bis zu 75 Prozent vom Bund ersetzt) könnte in den Dezember (und sogar darüber hinaus) verlängert werden – wenn die Infektionslage weitere Einschränkungen und Schließungen in einzelnen Branchen notwendig macht. Darüber werden Angela Merkel und die Länderchefs am Montag beraten.
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Wie könnten neue Hilfen im Dezember konkret aussehen?
Müssen Kneipen, Kinos, Theater und Fitnessstudios möglicherweise bis Weihnachten zubleiben, könnte der Bund im November und Dezember Umsätze geschätzt bis zu 25 Milliarden Euro kompensieren, erfuhr unsere Redaktion aus Regierungskreisen.
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte, für Dezember-Hilfen gebe es noch Luft im Haushalt: „Wir haben jetzt in die Kasse gegriffen, und wenn man dieselben Auflagen wieder weiterführen würde, dann müssen wir natürlich dafür auch einspringen.“
Wie viel Corona-Hilfen sind bereits abgeflossen?
Unternehmen erhielten mit Stand 10. November Kredite und Bürgschaften im Gesamtumfang von 71,4 Milliarden Euro . Der größte Anteil davon mit knapp 46 Milliarden Euro entfällt auf ein Sonderprogramm der Staatsbank KfW, von dem rund 90.000 Unternehmen profitieren. Für 1,8 Millionen Kleinunternehmer, Selbstständige und Freiberufler wurden bis Ende September 13,8 Milliarden Euro an Soforthilfen bewilligt.
Viele kleine und mittelgroße Betriebe aus dem Mittelstand verzichteten aber auf staatliche Hilfe. So flossen aus dem 25-Milliarden-Topf für Überbrückungshilfen bisher nur 1,5 Milliarden ab. Auch deshalb haben Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Spielräume für weitere Hilfsprogramme wie eine geplante Überbrückungshilfe III, die bis zum Sommer 2021 gewährt werden soll.
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Woher nimmt Scholz das viele Geld?
Der Finanzminister nimmt Rekordschulden auf. Im laufenden Jahr 218 Milliarden Euro, 2021 voraussichtlich noch einmal mehr als 100 Milliarden Euro. Das fällt Scholz, der zum Verdruss vieler in der SPD lange Zeit ein Verfechter eines ausgeglichenen Haushalts war, leicht. Investoren bezahlen Deutschland dafür, dass sie dem Top-Schuldner Geld leihen dürfen – so betrug die Durchschnittsrendite für einen Ende Oktober ausgegebenen Schatzbrief mit 15 Jahren Laufzeit minus 0,46 Prozent.
Nicht jeder Experte ist vom Corona-Krisenmanagement begeistert: „Die Zinsen werden irgendwann wieder steigen. Und wenn sie das auch nur um einen Prozentpunkt tun, zahlt der Bund pro Jahr schnell wieder zusätzliche zehn Milliarden. Das ist hochriskant“, warnte Rechnungshofpräsident Kay Scheller im „Handelsblatt“. Die Tragfähigkeit des Bundeshaushaltes sei durch die Rekordschulden in Gefahr.
Wer bezahlt die Rechnung dafür?
Scholz kalkuliert so: Wie nach der Finanzkrise 2008/09 soll die deutsche Volkswirtschaft nach der Pandemie mit einem Super-Aufschwung aus ihren Schulden hinauswachsen. „Wir werden am Ende der Krise besser dastehen als vor zehn Jahren“, sagte Scholz. Es gibt Indizien, dass dies gelingen kann. So ergab die neue Steuerschätzung, dass Bund, Länder und Gemeinden in diesem Jahr 10,6 Milliarden Euro mehr Steuern einnehmen als noch vor zwei Monaten erwartet.
Erholt sich die Wirtschaft so schnell vom Corona-Schock, wie es derzeit zu beobachten ist, und hält der neue Impfstoff der Mainzer Pharmafirma Biontech seine Versprechen, könnte Deutschland bei den Steuereinnahmen bereits 2022 mit 816 Milliarden Euro das Vor-Corona-Niveau von 799 Milliarden (2019) deutlich übertreffen.
Interessant: Die Einnahmen von Ländern und Kommunen erholen sich schneller als die des Bundes – der den Ländern aber auf Dauer Milliarden-Sozialkosten abgenommen hat. So zählen die Ministerpräsidenten hier zu Corona-Gewinnern.
Wann soll die wegen Corona ausgesetzte Schuldenbremse wieder greifen?
Scholz geht davon aus, dass dies ab 2022 wieder der Fall ist. CDU/CSU-Chefhaushälter Eckhardt Rehberg hat da seine Zweifel: „Der Bund kann die coronabedingten Steuerausfälle und Mehrausgaben nur durch neue Schulden in außerordentlicher Höhe stemmen.“
Sind Steuererhöhungen ausgeschlossen?
Im Wahljahr 2021 wird nichts mehr passieren. SPD und Linke ziehen aber mit der Forderung nach einem höheren Spitzensteuersatz und einer Vermögensteuer in den Wahlkampf. Lesen Sie hier : Hartz IV: Großteil der Kinder profitiert nicht vom Zuschuss
Was passiert mit dem Soli?
Zum 1. Januar 2021 wird der Zuschlag für über 90 Prozent der Steuerzahler (Singles mit Einkommen bis 73.000 Euro, Eheleute bis 151.000 Euro) abgeschafft. Die Steuersenkung, die wie ein Konjunkturpaket wirken soll, kostet elf Milliarden Euro.
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