Berlin. Biontech hat einen ersten Corona-Impfstoff entwickelt. Möglich gemacht haben es neben den findigen Forschern mehrere Milliardäre.
Das hat es wohl noch nie gegeben: Ein Unternehmen aus Mainz, das den meisten Deutschen bis vor Kurzem unbekannt war, schenkt der Welt Hoffnung im Kampf gegen das Coronavirus. Die Biotech-Firma Biontech hat einen Impfstoff entwickelt, der einen mehr als 90-prozentigen Schutz verspricht.
Die Weltbörsen feierten diese Meldung mit einem Kursfeuerwerk. Die Euphorie mag zwar etwas übertrieben erscheinen angesichts der logistischen und medizinischen Herausforderungen, die bei einer Impfung noch warten. Und doch bleibt es ein Tag der Freude.
Es ist zugleich aber ein Tag, an dem sich jede Selbstzufriedenheit verbietet. Denn Biontech gelang dieses Husarenstück nicht wegen des glorreichen Standorts Deutschland, sondern ihm zum Trotz. Ein Blick auf die Fakten: Möglich gemacht haben es neben den findigen Forschern mehrere Milliardäre – die Lieblingsfeinde der politischen Linken.
Der Aufstieg zur Hoffnung für die Welt gelang mit einem Börsengang im Land der Erzkapitalisten, den USA, und dem Einstieg zweier asiatischer Geldgeber – der chinesischen Fosun Pharma und Temasek, dem Staatsfonds aus Singapur. Deutschland hat sich nicht beteiligt.
Biontech: Qualität hiesiger Forschung und gigantisches Erfolgspotenzial
Biontechs industrieller Partner wiederum ist Pfizer – hierzulande gibt es keinen Pharmakonzern mehr von Weltrang. Gut möglich, dass Amerikaner als Erste den deutschen Impfstoff bekommen. Biontech, gelistet an der US-Börse Nasdaq, ist nun rund 25 Milliarden Dollar wert – und damit mehr als die Deutsche Bank. Das würde für einen Platz im Dax locker reichen.
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Wenn in dieser Bundesregierung noch Reste von Wirtschafts- und Kapitalmarktkompetenz existieren, muss der Fall Biontech hektische Betriebsamkeit auslösen. Das Unternehmen, das Uğur Şahin, ein Deutscher türkischer Herkunft, erst vor zwölf Jahren gründete, beweist einerseits die Qualität hiesiger Forschung und ihr gigantisches Erfolgspotenzial.
Andererseits zeigt es zugleich die Beschränkungen. Es gibt drei Milliardäre, die die deutsche Biotech-Branche fast im Alleingang aufgebaut haben: den SAP-Gründer Dietmar Hopp, der mit Curevac den zweiten Hoffnungsträger im Rennen um einen Impfstoff finanziert, und die Hexal-Gründer Andreas und Thomas Strüngmann, die Biontech seit der Gründung Geld geben.
Deutschland braucht einen funktionierenden Kapitalmarkt
Doch sie können nicht alles stemmen. So wächst die Abhängigkeit von ausländischen Geldgebern. Da der Neue Markt als Wachstumsbörse in deutscher Gründlichkeit erledigt wurde, bleibt jungen Firmen nur die US-Börse. Damit verschwinden ein beträchtlicher Teil der Wertschöpfung und am Ende vielleicht sogar die Unternehmen in Amerika.
Deutschland und Europa benötigen deshalb einen funktionierenden Kapitalmarkt und vernünftige Anreize, das Geld in Wachstumsunternehmen zu investieren. Hätten wir statt Schiffsfonds Biotechbeteiligungen steuerlich bevorzugt, wie sähe dieses Land heute aus?
Hoechst AG: Der eins größte Pharmakonzern ging im Sanofi-Konzern auf
Doch es geht nicht ums Geld allein: Es bedarf eines grundlegenden Wandels in der Einstellung zu neuen Techniken in Politik und Gesellschaft. In diesem Zusammenhang erinnert Dietmar Hopp gern an die Geschichte der Hoechst AG, des einstmals größten Pharmakonzerns der Welt. Dessen gentechnische Insulin-Produktion wurde von Aktivisten beklagt und von der Politik – vor allem dem damaligen hessischen Umweltminister Joschka Fischer – hartnäckig behindert.
Das Ende ist bekannt: Hoechst fusionierte sich in die Selbstaufgabe und ging im französischen Sanofi-Konzern auf. Von jenem Joschka Fischer gibt es den schönen Satz, er habe viele Fehler gemacht – aber jeden Fehler nur einmal. Es wäre schön, wenn man von dieser Bundesregierung das Gleiche behaupten könnte.
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