Berlin. Corona-Impfstoff ist greifbar nahe. Doch es wird dauern, bis das alte Leben zurück ist, schreibt Alessandro Peduto in seinem Kommentar.

Es ist eine Nachricht, die weltweit für Schlagzeilen sorgt. Und sie weckt Hoffnungen auf einen Durchbruch im Kampf gegen die Pandemie. Das Pharmaunternehmen Biontech aus Mainz und der US-Konzern Pfizer haben bekannt gegeben, dass sie gemeinsam einen zu mehr als 90 Prozent wirksamen Impfstoff gegen das Virus entwickelt haben.

Bereits in der kommenden Woche wollen sie in den USA eine beschleunigte Genehmigung des Präparats beantragen. Nach monatelanger Forschungsarbeit scheint damit eine Impfung gegen den heimtückischen Corona-Erreger in greifbare Nähe zu rücken.

Gewiss, noch ist die letzte Testphase des Impfstoffs nicht abgeschlossen. Ein Etappensieg im Ringen mit dem hochansteckenden Virus ist es allemal. Und sollte es tatsächlich bald eine medizinische Waffe geben, um Corona zu besiegen, wäre dies Licht am Ende eines düsteren Tunnels, in dem sich große Teile der Welt gerade befinden.

Denn sobald es einen verlässlichen Impfstoff gibt, lässt sich die Zukunft wieder einigermaßen planen, im Privaten wie im Beruflichen, im Gesellschaftlichen wie im Wirtschaftlichen.

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Corona-Impfstoff als Weg zurück in die Unbefangenheit

Ein wirksamer Schutz gegen das Virus ist die Voraussetzung für eine Rückkehr in einen Alltag, wie wir ihn aus der Zeit vor der Pandemie kannten. Wir werden wieder arbeiten, lernen, reisen und Menschen treffen können, ohne uns vor einer Ansteckung fürchten zu müssen.

Wir werden uns wieder ohne Masken ansehen, uns umarmen und einander die Hände schütteln können. Ein Corona-Impfstoff ist der Weg zurück in die Unbefangenheit.

Alessandro Peduto kommentiert
Alessandro Peduto kommentiert © FMG

Dennoch ist trotz aller Hoffnungen schon jetzt klar, dass unser altes Leben keineswegs von heute auf morgen zurückkehren würde. Selbst wenn es weltweit bald vielleicht sogar mehrere sichere Corona-Impfstoffe geben sollte, werden wir noch viel Geduld brauchen.

Denn die Herstellungskapazitäten sind keineswegs so groß, als dass auf einen Schlag Milliarden von Menschen rund um den Globus immunisiert werden könnten.

Der Impfstoff ist kein Grund für übertriebene Euphorie

Vielmehr könnte es sogar sehr viele Monate dauern, bis nach und nach ausreichend Dosen für alle zur Verfügung stehen und verteilt sind. Bis dahin wird es zumindest in Deutschland eine gewisse Rangfolge bei der Impfung geben: zuerst Risikogruppen wie Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen, Beschäftigte in Krankenhäusern und Pflegeheimen, Mitarbeiter von Gesundheitsämtern und Sicherheitsbehörden, Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer und Erzieher.

Jedem dürfte klar sein, dass dies allein schon eine ziemlich große Gruppe ist. Erst danach werden alle übrigen an die Reihe kommen. Einige werden vermutlich lange warten müssen, bis auch sie eine Corona-Impfung erhalten. Bis dahin dürfte für sie der Pandemie-Alltag erst einmal weitergehen. Das wird zu Frust führen.

Trotzdem ist aus ethischer Sicht kaum ein anderer Weg denkbar, um die Verteilung eines anfangs knappen Impfstoffs zu organisieren. Es muss Kriterien geben, um zuerst diejenigen zu schützen, die dem größten Risiko ausgesetzt sind und denen das Virus am ehesten gefährlich werden kann. Alles andere wäre nicht solidarisch.

Oder was sind die Alternativen? Privatversicherte vor Kassenpatienten? Die Schnellsten zuerst? Impfung per Losverfahren? Nein, gewiss nicht.

Bei aller berechtigten Hoffnung darüber, dass das Virus in absehbarer Zeit besiegbar sein könnte, sollten wir uns daher nicht zu übertriebener Euphorie hinreißen lassen. Sich schon jetzt auf ein schnelles Ende der Pandemie und eine rasche Rückkehr unseres früheren Alltags einzustellen wäre ein Fehler.