Düsseldorf. Gewerkschaft Verdi fordert, NRW soll Krankenhäuser anweisen, planbare OPs wegen Covid-19-Patienten zu verschieben. Personal an Belastungsgrenze.
Die sich deutlich mehrenden Covid-19-Patienten in den Krankenhäusern bringt das dortige Pflegepersonal an die Belastungsgrenze, insbesondere auf den Intensivstationen. Die Gewerkschaft Verdi fordert jetzt, das Land NRW soll Krankenhausbetreiber anweisen, planbare Eingriffe zu verschieben, um das Personal zu entlasten.
„Wir nähern uns wieder der Situation vom Frühjahr“, sagt Jan von Hagen, Verdi-Sekretär für Krankenhäuser und Reha-Kliniken in NRW auf Anfrage. Das Land NRW müsse deshalb nun veranlassen, „die Arbeitsmenge insbesondere in den Intensivstationen zu verringern“. Planbare OPs, die für Patienten nicht akut notwendig sind, seien deshalb zu verschieben: „Wir fordern, dass das Land NRW die Krankenhausbetreiber dazu jetzt auffordert“.
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Im NRW-Gesundheitsministerium sieht man die Lage an den Kliniken indes aktuell noch nicht als gefährdet an. „Aktuell gibt es ausreichend Intensivbetten und Beatmungsmöglichkeiten“, heißt es im Ministerium auf Nachfrage: „Die stationäre Versorgung ist aktuell sicher gewährleistet“. Mit Blick auch auf die Belastung des Pflegepersonals gelte nach wie vor der Runderlass vom April, indem das Land Krankenhausbetreiber die „Empfehlung“ ausgesprochen hat, planbare Eingriffe je nach Lage zurückzufahren, um zehn Prozent der Intensivkapazitäten für Covid-19-Patienten „durchgehend frei zu halten und bei bedarf innerhalb von 24 bzw. 48 Stunden um jeweils weitere zehn Prozent zu erhöhen.“
Stand Montag standen in NRW insgesamt 7846 Intensivbetten zur Verfügung, 21 Prozent (1628) davon waren am Montag noch frei. Von den 5582 Intensivbetten mit Beatmung waren Stand Montag noch 1085 frei, hieß es im Ministerium (19,5 Prozent). Den jüngsten Zahlen nach wurden am Montag insgesamt 2667 Patienten in den Krankenhäusern in NRW wegen Covid-19 behandelt. Davon sind 588 auf einer Intensivstation. 367 von Ihnen werden künstlich beatmet.
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Am Uniklinikum Düsseldorf hat man am Montag einen neuen Höchststand bei Covid-19-Patienten gezählt: Wurden von einer Woche 22 Patienten mit Covid-19 behandelt, waren es am Montag 51, sagte ein Sprecher. Zum Vergleich: Vor einem Monat waren es fünf. „Die Lage ist alarmierend“, sagt ein Sprecher. Deshalb werde ab diesem Dienstag eine zweite Intensivstation für Covid-19-Patienten eröffnet. Das führe indirekt dazu, dass die Kapazitäten für andere, nicht akut notwendige Eingriffe, am Klinikum gesenkt werden, erklärte der Sprecher. Es sei zudem geplant, Personal „intern umzuschichten“.
Beim deutschen Berufsverband für Pflegeberufe für die Region NRW und Norddeutschland sieht man die Situation für Pflegekräfte etwa an Krankenhäusern im Vergleich zur Lage im Frühjahr nur in einem Punkt als etwas besser an: „Das Positive, was wir beobachten, ist zum Beispiel eine bessere Ausstattung der Pflegenden mit persönlicher Schutzausrüstung“, sagt Katharina von Croy auf Anfrage. Insgesamt aber kommt man beim Verband zu diesem Fazit: „Die Arbeitsbedingungen insgesamt haben sich nicht verbessert.“
Bizarre Situation: Pflegepersonal zwischen Kurzarbeit und Überlastung
So fürchtet man beim Verband, dass es in der Pflege in Kürze erneut zu der bizarren Situation kommt: „Dass in einigen Pflege-Branchen Kurzarbeit herrscht, in anderen das Personal extrem gefordert ist“, sagt Referentin Anja Sollmann.
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In der Tagespflege und im Reha-Bereich etwa war im Frühjahr Pflegepersonal vielfach für durchschnittlich drei bis vier Monate auf Kurzarbeit gesetzt, weil dort Patienten ausblieben, sagt Sollmann. An Krankenhäusern wiederum gab es das andere Extrem: Personal war überlastet.
Doch der Personalmangel etwa bei Intensivpflegepersonal lasse sich nicht kurzfristig einfach durch Pflegekräfte ausgleichen, dies an anderer Stelle als Folge der Corona-Pandemie zeitweise unterbeschäftigt sind, sagt Sollmann: „Eine Fachkrankenschwester Anästhesie und Intensivmedizin zum Beispiel braucht eine zweijährige Fachweiterbildung“. Die Corona-Pandemie führe auf drastische Weise vor Augen: „Man kann mehr Pflegepersonal nicht einfach ‘backen'.“ Die Zahl der Menschen, die man auf Intensivstationen behandeln kann, sagt Sollmann, „hängt vom Personal ab, das dort zur Verfügung steht“.