Berlin. Angela Merkel berät sich in Berlin mit den Ministerpräsidenten über Corona-Maßnahmen – persönlich. Es zeigt wie ernst die Lage ist.
- Im Kanzleramt kommen heute die Länder-Chefs mit Kanzlerin Angela Merkel zusammen, um die aktuelle Corona-Lage zu besprechen
- Die Lage ist ernst: Am Mittwoch meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) mehr als 5000 Neuinfektionen
- Zum ersten Mal seit dem Sommer gibt es keine Videoschalte, Merkel und die Ministerpräsidenten besprechen die Lage gemeinsam in Berlin
- Wir geben einen Überblick über die zu erwartenden Beschlüsse und Streitpunkte
Es dürfte ein entscheidender Tag im Kampf gegen die Pandemie werden. Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) spricht von einer Debatte, die „historische Dimensionen“ haben könne: Am Mittwoch beraten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder das weitere Vorgehen in der Corona-Bekämpfung. Ihr erstes Treffen seit Juni findet auf Merkels Wunsch nicht per Videoschalte, sondern in Berlin statt – schon das gilt als Indiz dafür, wie ernst die Lage ist. Lesen Sie hier: Das sind alle Corona-Risikogebiete in Deutschland.
Laschet dringt auf weitere Kontaktbeschränkungen
Die Politik steht unter Druck angesichts der steigenden Infektionszahlen. Die Bundesregierung spricht offiziell von einer „zweiten Welle“ und warnt vor einem „Kontrollverlust“. In den Bundesländern herrscht ein Wirrwarr von Auflagen und Regeln.
Aber die Bürger in den Hotspots hätten „das Recht auf klare, verbindliche Regeln, die jeder nachvollziehen kann“, mahnte der Ministerpräsident von Nordrhein Westfalen, Armin Laschet (CDU) im Gespräch mit unserer Redaktion. Lesen Sie hier: Wann ist die Pressekonferenz von Angela Merkel heute?
Er dringt auf weitere Kontaktbeschränkungen. „Feiern müssen reduziert werden, Partys können jetzt nicht stattfinden“, sagte er. Die aktuellen Zahlen der Neuansteckungen mit Covid-19 seien in vielen Städten und Regionen „besorgniserregend“. Lesen Sie hier: Diese Vorschläge hat Angela Merkel zu neuen Corona-Regeln gemacht.
Was planen Merkel und die Länderchefs? Finden sie zu einer gemeinsamen Linie? Es gibt etliche Vorschläge – angefangen von einem Neuzuschnitt der Schulferien bis hin zu geänderten Quarantäneregeln. Ein Überblick.
Corona in Schulen: Union schlägt längere Weihnachtsferien vor
Ein lebhaft diskutierter Vorschlag kommt aus der Union im Bundestag. Man könne die Weihnachtsferien verlängern und so die Zeit verringern, die Kinder und Jugendliche im Klassenraum verbringen, schlugen die Abgeordneten Christoph Ploß (CDU) und Stephan Pilsinger (CSU) vor. Zum Ausgleich könnten spätere Ferien zu Ostern oder im Sommer verkürzt werden.
Die beiden Politiker griffen damit eine Idee von Virologen auf. Hintergrund sind Befürchtungen, dass gerade in Schulen, wo Unterricht im Winter bei offenem Fenster nur schwer möglich ist, große Infektionscluster entstehen könnten.
Lehrer halten „gar nichts“ von längeren Ferien
Die Idee stieß allerdings auf Kritik. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands (DL), Heinz-Peter Meidinger, sagte unserer Redaktion, man halte von solchen Überlegungen „gar nichts“. Er betonte: „Zum einen sollten wir die Zeit nutzen, in der Präsenzunterricht mit vollen Klassen noch möglich ist. Niemand weiß, ob und wann ein neuer Lockdown kommt beziehungsweise eine neuerliche Phase des Wechselbetriebs.“
Zum anderen sei es widersinnig, zum Ausgleich für längere Weihnachtsferien die Sommerferien 2021 zu verkürzen, „bei denen zumindest die Hoffnung besteht, dass wegen eines dann hoffentlich vorhandenen Impfstoffs und besserer Medikamente wieder Urlaubsreisen in größerem Umfang möglich wären“.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, es sei jetzt nicht die Zeit, über Ferienverlängerungen zu reden und mit „zusätzlichen Dingen“ für Verunsicherung zu sorgen. Auch Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) äußerte sich skeptisch. „Ende Januar ist der Winter ja noch nicht vorbei – deshalb ist das ein wenig zu kurz gedacht“, kritisierte sie. Alle News zum Corona-Gipfel und weitere Nachrichten finden Sie hier: der Corona-News-Ticker.
Corona-Risikogebiete: Beherbergungsverbote steht auf der Kippe
Für Unmut sorgen derzeit auch Beherbergungsverbote für Personen aus Corona-Risikogebieten. Solche Verbote gelten in mehreren Bundesländern und sehen vor, dass Menschen aus Regionen mit mehr als 50 Neuinfektionen auf 100.000 Menschen binnen einer Woche nur in einem Hotel beherbergt werden können, wenn sie einen aktuellen Corona-Test mit negativem Ergebnis vorweisen können.
Kritisiert wird, die Regelung sei überzogen und binde anderweitig benötigte Testkapazitäten. Nach Einschätzung von Beobachtern dürften Bund und Länder das Beherbergungsverbot am Mittwoch wohl kippen.
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Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sieht darin ein untaugliches Mittel im Kampf gegen Corona. Solche Regelungen seien „ungeeignet, das Pandemiegeschehen einzugrenzen“, sagte Reinhardt unserer Redaktion. So habe sich etwa „die Infektionsdynamik trotz des sehr intensiven innerdeutschen Reiseverkehrs in diesem Sommer kaum beschleunigt“.
Die regional unterschiedlichen Verbotsregeln führten zu Verunsicherung und Verwirrung bei den Menschen. Damit gefährde die Politik die Akzeptanz der Anti-Corona-Maßnahmen in der Bevölkerung. Reinhardt betont: „Viel sinnvoller sei es, „dass wir weiter versuchen, Infektionscluster zu isolieren und bei grober Missachtung der Hygieneregeln konsequent durchgreifen“.
Die Infektionslage in Deutschland ist weiterhin hoch.
- Die Gesundheitsämter hatten nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Dienstagmorgen erneut mehr als 4000 neue Corona-Infektionen innerhalb eines Tages gemeldet.
- Insgesamt belief sich die Zahl auf 4122. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion lag bei 9634. Das waren 13 mehr als am Vortag. Aktuelle RKI-Fallzahlen und Corona-Reproduktionsfaktor
Neue Quarantäneregeln für Reisende werden verschoben
- Die Einführung einer fünftägigen Quarantänepflicht für Einreisende aus Corona-Risikogebieten wird voraussichtlich auf den 8. November verschoben – auf die Zeit nach den Herbstferien.
- Für die Verschiebung zeichnet sich eine Mehrheit unter den Länderchefs ab.
- Sie wollen Rücksicht auf die Menschen nehmen, die bereits im Urlaub sind und ihre Ferien unter anderen staatlichen Auflagen geplant haben.
Nach der bisherigen Regelung, die kostenlose Tests an Flughäfen vorsieht, werden Einreisende aus Risikogebieten von der Quarantäne befreit, sobald sie einen negativen Corona-Test vorlegen, der nicht älter als 48 Stunden ist. Diese Praxis wollte die Bundesregierung mit einer Neuregelung schon zum 15. Oktober verschärfen.
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Corona-Kennzahlen sollen auf den Prüfstand
Ärztepräsident Reinhardt fordert, „die gängigen Corona-Kennzahlen auf den Prüfstand“ zu stellen. Ziel müsse es sein, „zu einer viel differenzierteren Betrachtungsweise des Infektionsgeschehens“ zu kommen. Die Neuinfektionszahlen reichten nicht aus, um die Gefährdungslage der Bevölkerung abzubilden.
Sinnvoll und notwendig seien weitere Kriterien: das Verhältnis von positiven Testergebnissen zur Gesamtzahl der vorgenommenen Abstriche, die Zahl der tatsächlich Erkrankten unter den positiv Getesteten, die Unterscheidung nach Altersgruppen unter den Infizierten sowie die Relation von schweren Verläufen zur Kapazität an Intensivbetten.
EU führt neues Corona-Ampelsystem ein
Bürger können sich künftig auf einer Ampelkarte über die Corona-Lage in Europa informieren. Auf Grundlage gemeinsamer Kriterien werden Regionen je nach Infektionsgeschehen entweder grün, orange oder rot markiert. Für grüne Gebiete mit niedrigen Infektionszahlen sollen künftig keine Einreiseverbote mehr verhängt werden.
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Gemeinsame Standards für Reisende aus stärker betroffenen Regionen sieht das Konzept aber nicht vor. Ebenso wenig gibt es einheitliche Kriterien für eine Quarantäne- und Testpflicht. Einreiseverbote soll es trotz Corona generell nicht geben. Die Mitgliedstaaten sollen aber bei höheren Infektionszahlen Quarantäne anordnen oder Corona-Tests verlangen können.
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