Washington. Der Corona-kranke US-Präsident hat das Krankenhaus kurz verlassen, um sich vor Fans zu zeigen. Das zeigt, dass er nichts gelernt hat.
Wer einen Funken Hoffnung besaß, das Coronavirus, am eigenen Leib erlebt, würde Donald Trump ein bisschen Demut lehren und nach acht Monaten Chaos-Management auf einen für Amerika unschädlicheren Kurs im Umgang mit der Pandemie führen, hat sich bitter getäuscht.
Was das Weiße Haus seit dem eiligen Transport des Präsidenten in ein Militär-Krankenhaus bei Washington am Freitagabend in die Öffentlichkeit entließ, ist mit Konfusion und bewusster Irreführung nur unzureichend beschrieben.
Vom Zeitpunkt der diagnostizierten Infektion über die tatsächliche Schwere der Krankheitssymptome bis zur Aussicht auf Gesundung weiß Amerika aus offiziellem Munde nichts, worauf es sich einen Monat vor den Präsidentschaftswahlen hundertprozentig verlassen könnte. Es wird im Stundentakt gelogen und verheimlicht.
Trump inszeniert seine Corona-Infektion als Reality-TV-Show
Trump inszeniert seine persönliche Begegnung mit dem Virus wie seine ganze Präsidentschaft – als Reality-TV-Show, die allein um ihn kreist. Dass der menschenverachtende Zynismus Trumps wirklich keine Grenzen kennt, erwies sich am Sonntagabend.
Kurz nach Veröffentlichung eines quacksalbernden Videos, in dem Trump so unfassbar linkische Sachen sagt wie, er habe in den vergangenen 48 Stunden eine „interessante Reise” erlebt, „viel” über Corona gelernt und finde seine Erkrankung „sehr interessant”, ließ sich der Mann, ohne dessen Totalversagen die USA heute nicht über fast 210.000 Virus-Toten zu trauern hätten, völlig gehen.
Trump lässt sich bei bizarrem Auto-Korso vor der Klinik von Fans feiern
Unter dem Einfluss von schweren Medikamenten wie Dexamethason ließ sich der 74-Jährige in einem bizarren Jubel-Auto-Korso von seinen Anhängern vor den Toren des Militärkrankenhauses im Schritt-Tempo vor den Fernsehkameras feiern.
Die Angehörigen von Amerikas Corona-Toten müssen beim Ansehen der der an fahrlässige Körperverletzung grenzenden PR-Aktion rot vor Zorn geworden sein.
Trump, noch inmitten einer tödlichen Erkrankung und hoch ansteckend, saß mit Mundschutz in einem schwarzen SUV und winkte durch die Fensterscheibe. Vor ihm auf dem Beifahrersitz ein bemitleidenswerter Agent des Secret Service, dessen Augenpartie das Gegenteil von Wohlbefinden ausdrückt. Rücksichtsloser geht es nicht.
Trumps Botschaft zwischen den Zeilen: Leute, ich bin nicht zu erschüttern. Ich habe Corona so gut wie besiegt. Es war nicht schön. Aber es geht. Nehmt euch ein Beispiel an mir.
USA in der Krise: Corona – Drei Szenarien der Erkrankung von Donald Trump
Arzt übt scharfe Kritik an Trumps Aktion: „Politisches Theater“
Wie unverantwortlich und selbstsüchtig Trumps Kurztrip war, um den „Patrioten” da draußen Dank zu sagen für die Anteilnahme an seinem Schicksal, hat ausgerechnet ein Doktor des Walter-Reed-Militärhospitals formuliert, wo Trump sündhaft teure Hochleistungsmedizin erhielt, von der Otto-Normal-Coronakranke nur träumen können.
„Jede einzelne Person, die während dieser total unnötigen präsidialen Vorbeifahrt im Fahrzeug war, muss jetzt für zwei Wochen in Quarantäne”, schrieb Dr. James Phillips, „sie könnten krank werden. Sie könnten sterben. Für politisches Theater. Von Trump angehalten, ihre Leben für Theater aufs Spiel zu setzen. Das ist Wahnsinn.”
Trump liebäugelt mit Klinik-Entlassung – und zeigt damit heillose Unreife
Und letzterer geht nahtlos weiter. Dass Trump damit liebäugelt, bereits am heutigen Montag, keine 72 Stunden nach Einlieferung, das Krankenhaus gen Weißes Haus wieder zu verlassen, dokumentiert nicht anderes als die heillose Unreife eines Mannes, der vorgibt Amerika zu beschützen und sich nicht einmal selbst schützen kann.
Jedem anderen Patienten mit gleichem Krankheitsbild hätten die Ärzte einen Vogel gezeigt und die Sie-können-gehen-aber-auf-eigene-Gefahr-Erklärung unterschreiben lassen. Donald Trump jedoch diktiert seinen Behandlungsplan selbst. Das Risiko liegt nun ganz bei ihm.
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