Münster. Wenn Sportstudios unter Auflagen öffnen dürfen, muss das auch für Bordelle gelten, so das Oberverwaltungsgericht. NRW sieht Problem bei Umsetzung.
Bordellbetreiber und Prostituierte können ihre Dienstleistungen in der Corona-Krise wieder anbieten. Das Oberverwaltungsgericht in Münster hat das Verbot sexueller Dienstleistungen mit einem Eilbeschluss vorläufig außer Vollzug gesetzt. Das vollständige Verbot in der Coronaschutzverordnung des Landes ist nach Ansicht der Richter vermutlich nicht verhältnismäßig. Damit haben die Richter des höchsten Verwaltungsgerichts in NRW dem Antrag eines Unternehmens stattgegeben, das in Köln ein Erotik-Massagestudio betreibt. Der Beschluss ist laut Gericht unanfechtbar.
Die vollständige Untersagung aller sexuellen Dienstleistungen sei derzeit nicht mehr verhältnismäßig, heißt es in der Begründung des obersten Verwaltungsgerichts in Nordrhein-Westfalen. Das Land habe mittlerweile weitgehende Lockerungen in nahezu allen gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Bereichen zugelassen. Deshalb sei für die Richter nicht ersichtlich, warum dies nicht auch für sexuelle Dienstleistungen gelten solle, heißt es in dem Beschluss, der am Dienstag veröffentlicht wurde.
Gericht schlägt Mund-Nase-Schutz für Prostituierte und Kunden vor
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Ähnlich wie beim Sex werde auch beim Sport oder im Fitnessstudio heftig geatmet und vermehrt virushaltiges Aerosol verteilt. Auch sei nicht ersichtlich, warum die Gefahr bei sexuellen Dienstleistungen höher als bei privaten Feiern mit bis zu 150 Personen sein soll. Den Infektionsgefahren könne durch begleitende Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen begegnet werden. Im Juni hatte das OVG das Nein des Landes zu sexuellen Dienstleistungen in der Coronaschutzverordnung noch abgesegnet.
Mit einem neuen Erlass könne das Land etwa eine Pflicht zur Begrenzung der Zahl der Kunden, Abstandsgebote und Desinfektionsintervalle und Vorgaben für regelmäßige Belüftung der Räume vorschreiben. Nach Ansicht des 13. OVG-Senats komme auch eine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nase-Schutzes für Prostituierte und die Kunden in Betracht.
Im Gegensatz zu anderen Bundesländern hatte NRW seine Coronaschutzverordnung auch bei sinkenden Infektionszahlen nicht gelockert. Dagegen hatten Sexarbeiterinnen Ende August bei einer Demo vor dem Düsseldorfer Landtag protestiert. Wegen des Prostitutionsverbotes hatte zuletzt Europas größtes Bordell, das „Pascha“ in Köln, Insolvenz anmelden müssen.
Die norddeutschen Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen und Niedersachsen haben beschlossen, Prostitution ab dem 15. September unter strengen Auflagen wieder zu ermöglichen. Das teilte Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Leonhard am Dienstag mit.
Stamp sieht Probleme bei Erlaubnis für Sexarbeit in Corona-Krise
Aus Sicht des NRW-Vize-Ministerpräsidenten Joachim Stamp (FDP) stellt das OVG-Urteil die Landespolitik vor Infektionsschutz-Probleme. Es wäre in NRW schwer zu vermitteln gewesen, eine Maskenpflicht für Schüler im Unterricht zu verfügen, aber gleichzeitig die Bordelle zu öffnen.
„Bei Familienfeiern ist der körperliche Kontakt ein anderer.“ Sexarbeit basiere in der Regel auf wechselnden Partnern. „Im Bereich der Prostitution ist die Kontakt-Nachverfolgung schwierig, weil es hier ja auch um Diskretion geht“, sagte er.
Der Minister hält es anderseits für ein „großes Problem“, dass viele Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen in der Illegalität arbeiten müssten und dort zum Teil brutalster Ausbeutung ausgesetzt seien. Die Regeln zur Erlaubnis von Prostitution in der Corona-Krise etwa in Berlin bezeichnete Stamp als „teilweise bizarr“. Gegen die Verelendung und Ausbeutung von Sexarbeiterinnen müsse perspektivisch vorgegangen werden. (mawo/mk/mit dpa)