Düsseldorf. Die Coronakrise stößt alle, die mit Sexarbeit Geld verdienen, in tiefe Verzweiflung. Am Donnerstag demonstrierten Prostituierte vor dem Landtag.
Sie wollen die Politik „stören“ und auf ihre schlimme Lage aufmerksam machen: Sexarbeiterinnen wie Nadine, Nicole und Sibille schilderten am Donnerstag draußen vor dem Landtag, wie die Krise seit März ihr Leben bestimmt, während drinnen im Plenum Regierung und Opposition über die Stahlkrise stritten.
Nadine Kopp ist „reisende Sexarbeiterin“, besucht also in normalen Zeiten Kunden in ganz Deutschland. „Der psychische Druck, nicht mehr arbeiten zu können, ist riesig“, erzählt die Frau. Ihr ganzes „Sein“ leide darunter, Existenzängste prägten ihren Alltag. Sie bezieht jetzt Hartz IV, hat keine 450 Euro im Monat, und kommt damit kaum klar. Vor der Krise standen ihr im Monat bis zu 2000 Euro zur Verfügung, erzählt sie. „Gebt uns unsere Grundrechte zurück. Sofort!“, ruft Kopp Richtung Landesparlament.
„Laschet lässt uns am ausgestreckten Arm verhungern“
Sibille Schäfer aus Gütersloh ist sauer auf die Landespolitik. „Laschet lässt uns am ausgestreckten Arm verhungern“, meint die „Sexualassistentin“, die ihre Dienste bis März zum Beispiel Menschen mit Behinderungen und Senioren anbot. Der einzige Fetisch in dieser Gesellschaft sei das Geld, wettert Schäfer. An alle werde gedacht, aber nicht an die Nöte der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter. Vergessen, verkauft, verraten fühlen sich die Demonstranten.
Sie wollen erklären, dass es auch möglich sei, unter Hygienebedingungen diesen Beruf auszuüben. In anderen Bundesländern seien die Regeln lockerer. Hohe Hygienestandards und eine anonymisierte Kontaktdatensammlung funktionierten dort. Nicht so in NRW. Kontakt zwischen Menschen werde in der Coronakrise vielfach toleriert. „Ich darf boxen, ringen, darf in die Sauna. Tätowierer dürfen weiter tätowieren“, sagt Nadine Kopp. Aber Sexarbeiter seien von Lockerungen ausgenommen.
Große Risiken in der Illegalität
Die Kölner Sexualwissenschaftlerin Harriet Langanke erinnerte daran, dass nun viele Prostituierte in der Illegalität weiter arbeiten. „Und dort sind die Risiken viel höher als im legalen Bereich.“ Sexualität gebe es immer, bezahlte und nicht bezahlte, auch in der Krise. Dating-Apps würden weiter genutzt, private erotische Verabredungen gebe es auch in Zeiten der Pandemie.
Die Landtagsabgeordnete Josefine Paul (Grüne) zeigte Verständnis für die Demo: „Es ist gut, dass die Betroffenen auf sich aufmerksam machen. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass unter diesen Coronabedingungen Bordelle wieder öffnen. Aber diese Menschen brauchen eine Perspektive.“