Berlin/Potsdam. Ab Dienstag ringen Bund und Kommunen mit den Gewerkschaften um die Tarife im öffentlichen Dienst. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Die Arbeitgeber von Bund und Kommunen und die Gewerkschaften treffen an diesem Dienstag in Potsdam aufeinander, um die Tarife von 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auszuhandeln. Die Vorzeichen sind schlecht. Kommt es wie 2018 zu Streiks oder einer Schlichtung? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wer verhandelt?
Auf der einen Seite stehen die Gewerkschaft Verdi und der Beamtenbund dbb, auf der anderen Seite die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und der Bund.
Für wen wird verhandelt?
2,3 Millionen Tarifbeschäftigte sind direkt betroffen – darunter Kita-Erzieherinnen, Müllwerker, Busfahre r oder Flughafen-Mitarbeiter. Nach Angaben der Gewerkschaften soll das Ergebnis auf mehr als 200.000 Beamte übertragen werden.
Was fordern die Gewerkschaften?
4,8 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Kleine Einkommen sollen um mindestens 150 Euro monatlich steigen, Ausbildungs- und Praktikantenentgelte um 100 Euro. Die Gewerkschaften fordern, die Arbeitszeit im Osten um eine Stunde auf 39 Stunden zu senken und damit dem Westen anzugleichen.
Wie reagieren die Arbeitgeber?
Die VKA nennt die Forderungen „völlig überzogen“. „Dies zeigt, dass die Gewerkschaften den Ernst der Lage offensichtlich nicht erkannt haben – und das in der schlimmsten Rezession seit Gründung der Bundesrepublik“, sagte VKA-Präsident und Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD). „Die Kassen sind leer.“ Es gebe nichts zu verteilen. Die Umsetzung der Forderungen würde nach übereinstimmenden Angaben etwa sechs Milliarden Euro kosten.
Welche Rolle spielt die Corona-Krise?
Nach Angaben von Verdi und dbb erwarten viele Beschäftigte, dass ihr Einsatz während der Pandemie honoriert wird. So hätten etwa Pflegekräfte und Ärztinnen und Ärzte, Kita-Personal oder Mitarbeitende der Bundesagentur für Arbeit, die massenhaft Überstunden zur Bearbeitung von Kurzarbeitergeld-Anträgen leisten mussten, in der Krise Besonderes geleistet. Verdi-Chef Frank Werneke betonte: „Auch wir sind einer Erwartungshaltung ausgesetzt.“ Lesen Sie dazu: Verdi-Chef Frank Werneke: „Die Undankbarkeit ist zurück“
dbb-Chef Ulrich Silberbach räumt ein, dass die Gewerbesteuereinnahmen eingebrochen seien. Doch: „Für die Einnahmeausfälle durch den Corona-Lockdown gibt es umfangreiche Ausgleichszahlungen des Bundes.“
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Drohen auch diesmal Streiks?
Still stehende Busse und Bahnen, gestörter Flugverkehr – 2018 bekamen Millionen Bürger die Tarifausandersetzungen im öffentlichen Dienst zu spüren. In diesem Jahr werden Warnstreiks mit öffentlich sichtbaren Protesten als Druckmittel wegen der Abstands- und Hygieneregeln erschwert. Großkundgebungen unter Pandemiebedingungen soll es laut Verdi-Chef Werneke nicht geben.
Proteste mit einem Abstand von 1,5 Metern könnten aber stattfinden – und Arbeitsniederlegungen sowieso: „Das Wesen des Streiks ist, dass man nicht arbeitet. Dass kann in verschiedenen Formationen stattfinden“, erklärte Werneke: „Wir wollen keine Eskalation, das setzt aber voraus, dass die Arbeitgeber zu einem sehr frühen Zeitpunkt ein konstruktives Angebot vorlegen.“ Lesen Sie auch: Das neue Gesicht von Verdi – Was Frank Werneke plant
Wie ist die Stimmung vor den Verhandlungen?
Angespannt. Die Vorbereitungen fanden meist per Videoschalte statt. Nur ein Teil der Mitglieder der Bundestarifkommission von Verdi war unmittelbar anwesend, andere wurden zugeschaltet. Die Gewerkschaften baten die Arbeitgeber nach eigenen Angaben um Verschiebung der Verhandlungen.
Der Bund hätte zugestimmt, die VKA nicht, sagt Werneke und kritisiert: „Es wäre ein Zeichen der Fairness gewesen, dem Wunsch der Verschiebung nachzukommen.“ Vor zwei Jahren saßen sich zudem noch zwei Verhandlungspartner gegenüber, die sich gut kannten und einander freundschaftlich verbunden waren: Verdi-Chef Frank Bsirske und der VKA-Vorsitzende Thomas Böhle. Ab Dienstag müssen Werneke und Mädge nun erstmals miteinander auskommen.
Werden Krisenbranchen besonders berücksichtigt?
Ja. Für das Flughafenpersonal ist ein Sanierungs- oder Notlagentarifvertrag geplant, sagte Verdi-Vizechefin Christine Behle. 80 Prozent der Betroffenen seien in Kurzarbeit. Ohne Tariflösung drohten ihnen Kündigungen in großem Umfang. Behle sagte aber auch: „Wir wissen nicht, ob sich der Luftverkehr überhaupt wieder auf dem alten Stand konsolidiert.“
Gibt es positive Aspekte vor der Tarifrunde?
Abgesehen vom Einkommen gibt es diesmal nur wenige Streitpunkte. An der Einstufung der Berufe und Erfahrungsstufen in die Gehaltsgruppen etwa soll sich nur wenig ändern.
Droht erneut eine Schlichtung?
Die Interessen sind sehr unterschiedlich. Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass beide Seiten nach dem für 22. und 23. Oktober angesetzten dritten Verhandlungstermin ein Scheitern einräumen müssen. Dann würden wieder unabhängige Schlichter zum Einsatz kommen. (dpa/max)
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