Berlin/Brüssel. Manöver heizen den Erdgasstreit zwischen Griechenland und der Türkei an. Ist ein Krieg zwischen den Nato-Ländern im Mittelmeer denkbar?

Das Säbelrasseln wird immer bedrohlicher. Griechische und französische Kampfbomber fliegen seit Mittwoch von Zypern aus über das östliche Mittelmeer, an dem Manöver werden auch noch Kriegsschiffe teilnehmen: Die Übung gemeinsam mit Zypern ist eine Warnung an die Türkei, die Erdgasbohrungen in der Region sofort einzustellen.

Die Türkei aber hat ihrerseits ein Manöver angekündigt und ohnehin schon Kriegsschiffe entsandt, zum Schutz ihrer Bohrschiffe. Werden diese Bohrschiffe zum Auslöser eines militärischen Konflikts?

Gasstreit im Mittelmeer: Maas warnt vor dem „Spiel mit dem Feuer“

Der Streit um die türkischen Erdgas-Erkundungen eskaliert: Dass er am Ende, womöglich aus Versehen, zu einem Waffengang zwischen den Nato-Mitgliedern Türkei und Griechenland führen könnte, ist nicht mehr ausgeschlossen.

Außenminister Heiko Maas nennt die aufgeheizte Lage „ein Spiel mit dem Feuer“. Wenn der SPD-Politiker an diesem Donnerstag die EU-Außenminister in Berlin zu einer informellen Tagung empfängt, kann er seinen Kollegen berichten, wie verhärtet die Fronten sind: Am Dienstag hatte Maas in Ankara und Athen einen Vermittlungsversuch unternommen, mit zunächst wenig Erfolg.

Der EU-Außenbeauftragte schlägt zahlreiche Sanktionen vor

Die Außenminister werden deshalb auch über mögliche Sanktionen gegen die Türkei beraten. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell will ein ganzes Bündel möglicher Maßnahmen diskutieren lassen – Einreiseverbote für ausgewählte Verantwortungsträger, Sanktionen für türkische Banken, Kürzungen von EU-Hilfen, ein Aussetzen der Zollunion. Kann das den Konflikt stoppen – oder wird es Ankara anstacheln?

Die Türkei intensiviert in diesem Sommer die Suche nach Erdgas in jenen Gebieten, die die EU-Länder Griechenland und Zypern unter Berufung auf die UN-Seerechtskonvention als ihre ausschließlichen Wirtschaftszonen ausweisen. Die türkische Regierung akzeptiert die Gebietsansprüche nicht: Sie hat die Seerechtskonvention nicht unterzeichnet und betrachtet einige der Gebiete als Teil ihres Festlandsockels.

Es geht um 3,5 Billionen Kubikmeter Erdgas

Unter dem östlichen Mittelmeer liegen 3,5 Billionen Kubikmeter Erdgas. Im Weltmaßstab nicht riesig, aber genug, um Deutschland 40 Jahre lang mit Gas zu versorgen. Dazu kommen 1,7 Milliarden Barrel Erdöl. Die EU protestiert seit Monaten gegen die türkischen Erschließungspläne, die sie als illegal bezeichnet.

Es gelten bereits Einreiseverbote und Vermögenssperren gegen Personen, die an türkischen Erdgasbohrungen vor Zypern beteiligt sein sollen. Neue Strafmaßnahmen sind auf Drängen Griechenlands angedroht, aber noch sind die EU-Staaten uneins. Einige Regierungen sind nicht ganz einverstanden mit dem Vorgehen Griechenlands und Zyperns. Lesen Sie dazu auch: Erdgas-Streit: Nach Türkei schickt auch Griechenland Marine

EU-Diplomaten: Die Türkei ist nicht allein verantwortlich

EU-Diplomaten verweisen auf Provokationen aus Athen, Fragezeichen bei der völkerrechtlichen Beurteilung und den Zypern-Konflikt, der eine friedliche Lösung bislang verhindert. Der frühere deutsche Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann, mahnt: „Man kann die Türkei nicht allein verantwortlich machen.“ Das Problem sei die Rhetorik der türkischen Regierung.

Bislang bremsen zahlreiche EU-Staaten auch, weil sie um das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei fürchten. Lesen Sie dazu: EU stockt Flüchtlingshilfe für Türkei nun doch noch auf

Zu den Scharfmachern in der EU zählt dagegen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der jetzt sogar militärische Präsenz in der Region zeigt. Die Bundesregierung dagegen strebt eine Vermittlerrolle an. Als Lösung denkbar wären eine Klärung der Gebietsansprüche vor dem Internationalen Gerichtshof oder Absprachen, dass Anrainer vom Erdgas profitieren, durch eigene Förderung oder durch Gewinnbeteiligung.

Geht es Präsident Erdogan gar nicht primär um das Gas?

Sicherheitsexperten in Berlin glauben indes, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gehe es gar nicht nur ums Gas. Er schüre vielmehr außenpolitische Konflikte, um innenpolitisch Stärke zu demonstrieren. Wohin das führt, ist unklar. Lesen Sie dazu auch: Die Türkei ist auf dem Weg zur Führungsmacht der Muslime

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg rief die beiden Nato-Partner zum Dialog auf, forderte eine Lösung im Geiste der Solidarität und auf Basis internationalen Rechts. Die Nato stehe vor einem Riesenproblem, glauben hohe EU-Beamte, die Situation sei „wirklich angespannt“.

Angst vor einem ungeplanten Waffengang

Erdogan versichert, die Türkei weiche nicht zurück und bekomme, „was ihr zusteht“. Auch die griechische Regierung gibt sich kompromisslos, sie soll ein Abschreckungsszenario ausgearbeitet haben, das etwa die Zerstörung von Unterwasserkabeln der Türkei oder das Abfeuern von Warnschüssen vorsieht.

Maas- Militärischer Konflikt im Mittelmeer wäre Wahnsinn

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    Aber: Kommunikationskanäle zu Ankara sollen unter allen Umständen erhalten bleiben. Dies bestätigt Vermutungen, dass trotz Drohgebärden weder Ankara noch Athen ein Interesse an einer militärischen Auseinandersetzung oder gar einem Krieg haben können. Aber was, wenn der Konflikt ungeplant zu einem Waffengang eskaliert? Außenminister Maas warnt: „Jeder noch so kleine Zündfunke kann zu einer Katastrophe führen.“