Washington. Joe Biden hält zum Ende des Parteitags der Demokraten eine emotionale und kraftvolle Rede. Er will das Gegenteil von Donald Trump sein.

Der gute Hirte gegen den Fürst der Finsternis. Ein Mann des Mitgefühls, der weiß, was Leid ist, weil er es selbst durch Todesfälle in der Familie mehr als einmal erfahren hat, gegen einen Egoisten, der Amerika in seiner schwersten Stunde (Corona) im Stich gelassen hat – entlang dieser Linien empfahl sich der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden am späten Donnerstagabend zum Abschluss des Nominierungsparteitags in einer intim-emotionalen Rede dem amerikanischen Volk als Nachfolger von Donald Trump.

Im Chase-Center von Wilmington/Delaware sprach der 77-Jährige dem Amtsinhaber ab, seinen „grundlegendsten Pflichten” nachgekommen zu sein. Angesichts von über 170.000 Corona-Toten und Millionen Infizierten in der Virus-Krise müsse das Urteil vernichtend ausfallen: „Er hat uns nicht beschützt. Er hat Amerika nicht beschützt“, sagt Biden mit entschlossener Körpersprache, „das ist unverzeihlich.”

Joe Bidens Rede: „Ich werde ein Verbündeter des Lichts sein”

In der aus Sicherheitsgründen wie schon am Vorabend, als dort seine Vize-Kandidatin Kamala Harris sprach, fast menschenleeren Arena legte der seit fast 50 Jahren zum politischen Inventar der USA gehörende Arbeitersohn aus Scranton/Pennsylvania mehrmals vollmundige Versprechen ab: „Ich werde Amerika beschützen, ich werde uns gegen jede Attacke – sichtbar oder unsichtbar – verteidigen, immer, ohne Ausnahme, jedes Mal, sagte Biden. Hintergrund: Warum die Wahl der Vizepräsidentin so wichtig ist

Er betonte: „Hier und jetzt gebe ich Ihnen mein Wort: Wenn Sie mir die Präsidentschaft anvertrauen, werde ich das Beste aus uns schöpfen, nicht das Schlimmste. Ich werde ein Verbündeter des Lichts sein, nicht der Dunkelheit.”

Biden, der 1988 und 2008 im Vorwahlkampf der Demokraten die Präsidentschaftskandidatur verpasste, bevor ihn Ex-Präsident Barack Obama zu seinem Vizepräsidenten machte, setzte sich mehrfach demonstrativ von Trump ab. „Hoffnung statt Angst, Fakten statt Fiktion, Fairness statt Privilegien”, das seien die Prinzipien, von denen er sich leiten lassen werde.

Biden kündigt Corona-Strategie an

Für den ersten Amtstag am 20. Januar nächsten Jahres kündigte Biden für den Fall eines Sieges am 3. November eine nationale Strategie im Kampf gegen die Corona-Krise an, die von Experten-Erkenntnissen und einem Kern-Gedanken geprägt sein werde: Bevor das Virus nicht unter Kontrolle gebracht ist, könne Amerika weder seine Wirtschaft zu alter Stärke führen noch seine Kinder ruhigen Gewissens in die Schule schicken.

Der ehemalige Vizepräsident der USA, Joe Biden, und seine Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin, Kamala Harris, beim Nominierungsparteitag der Demokraten.
Der ehemalige Vizepräsident der USA, Joe Biden, und seine Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin, Kamala Harris, beim Nominierungsparteitag der Demokraten. © AFP | Olivier Douliery

Biden kam immer wieder auf den Punkt zurück, dass unter Trump „zu viel Wut, zu viel Angst, zu viel Spaltung” in Amerika herrsche. Seine Aufgabe sei im Falle eines Wahlsieges, nicht nur der eigenen Basis zu gefallen. Sondern auch jenen Wählern, die ihn ablehnten. „Ich werde dieses Land zusammenbringen. Und vereint werden wir die schwere Zeit überstehen.“

Joe Bidens Auftritt war kraftvoll und emotional

Befürchtungen, dass Biden, der seit Kindheitstagen ein Stotterproblem hat und zuweilen den Faden verliert, die vielleicht wichtigste Rede seines Lebens vergeigen könnte, haben sich im Rückblick als gegenstandslos erwiesen. Sein Auftritt war kraftvoll, konstant, emotional, nahbar und gemessen am Biden`schen Kosmos schlüssig und rund, erklärten US-Kommentatoren in ersten Stellungnahmen. Der Vorwurf des Trump-Lagers, Biden sei senil und nicht amtsfähig, löste sich schon nach wenigen Minuten in Luft auf.

Folgerichtig beschränkte sich Donald Trump bei seinen via Twitter erteilten Zensuren gegen den in Umfragen klar führenden Herausforderer auf die pauschale Äußerung, Biden habe in seinen beinahe fünf Jahrzehnten als Politiker in Washington, über 30 davon als Senator, nie wirklichen Fortschritt erzielt und „nichts” von den Dingen gemacht, über die er jetzt vollmundig als Kandidat rede. „Er wird sich nie ändern, nur Worte!”, schrieb Trump, der sich auf den Nominierungsparteitag der Republikaner in der nächsten Woche vorbereitet.

Trump will seine Schlüsselrede am Donnerstag auf dem Rasen vor dem Weißen Haus halten. Zuvor droht dem 74-Jährigen ein weiterer schwerer Rückschlag. 70 ehemalige republikanische Top-Funktionäre der Geheimdienste, darunter die Ex-Spitzen von FBI und CIA, werden im Laufe des Freitags Trump als „unfit” für das höchste Staatsamt bezeichnen und öffentlich zur Wahl von Joe Biden aufrufen.

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