Berlin. Rund 1,5 Milliarden Euro Hilfen haben Bund und Länder für die Rettung der Wälder versprochen. Doch davon ist bislang wenig angekommen.

In den Wäldern im Land sind derzeit Menschen mit Ferngläsern, Bildbänden und Notizblöcken unterwegs. Sie streifen zwischen Buchen und Fichten hindurch, sie blicken aufmerksam in die Baumkronen: Lichten sich da die Zweige? Ist das Laub grün, wie es sein soll, oder schon jetzt herbstlich braun? Haben Schädlinge den Baum in Beschlag genommen?

Die jährliche Waldzustandserhebung ist in vollem Gang. Rund 10.000 Bäume werden dafür in Augenschein genommen. Und auch wenn die Ergebnisse erst in einigen Monaten kommen – gute Nachrichten haben die Beobachter nicht, so viel lässt sich jetzt schon sagen.

Zeichen von Trocken- oder Hitzeschäden

„Ähnlich wie in den letzten zwei Jahren wird die Waldzustandserhebung wahrscheinlich nicht sehr gut ausfallen“, sagt Nicole Wellbrock, Wald-Expertin des Thünen-Instituts, dem Bundesforschungsinstitut für Land, Wald und Fischerei. Die Buchen, sagt sie, hätten Bereiche in der Krone, die schon braune Blätter haben, ein Zeichen von Trocken- oder Hitzeschäden. „Auch die anderen Arten sehen schon früher aus, als wäre es Herbst.“ Lesen Sie auch: Wegen Klimawandel: Mäuse fressen Ernte 2020 auf

In großen Teilen Deutschlands geht es dem Wald schlecht. Es ist das dritte harte Jahr in Folge: Schon 2018 und 2019 hatte es viel zu wenig geregnet, auch in diesem Jahr war das Frühjahr zu trocken.

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    Eine Krise von gigantischen Ausmaßen

    Der Dürremonitor des Helmholtz-Zen­trums für Umweltforschung in Halle/Leipzig zeigt weite Teile einer Deutschlandkarte in sehr dunklem Rot: „Außergewöhnliche Dürre“, weist die Legende für diesen Farbton aus, die höchste von fünf Warnstufen. Die zu warmen Winter überleben mehr Schädlinge, dazu kommen neue Arten von Insekten, die mit den steigenden Temperaturen einwandern, sagt Wellbrock.

    Vor allem Fichten leiden, massenhaft fallen sie dem Borkenkäfer zum Opfer. Das Ergebnis sind riesige Flächen zerstörter Wälder. Von 245.000 Hektar Schadfläche gingen Experten im Frühjahr aus. Beim Verband der Waldeigentümer findet man drastische Worte: „Es handelt sich um die größte Krise im Wald seit Beginn der Forstwirtschaft“, sagt Sprecherin Larissa Schulz-Trieglaff.

    800 Millionen Euro für Waldeigentümer allein 2019

    Schon im vergangenen Jahr haben Bund und Länder deshalb tief in die Tasche gegriffen, rund 800 Millionen Euro Hilfen für die Waldeigentümer wurden 2019 bewilligt. Im Konjunkturprogramm der Bundesregierung kamen in diesem Jahr noch einmal 700 Millionen Euro dazu. Lesen Sie auch: Studie: Deutsche wollen Naturschutz – aber nicht überall

    Finanziert werden soll mit dem Geld ein großflächiger Waldumbau, weg von Monokulturen wie Fichtenwäldern, die den steigenden Temperaturen und der Trockenheit wenig entgegenzusetzen haben, hin zu Mischwäldern mit resistenteren Arten.

    Auch Geld für die Beseitigung von Schadholz und zur Förderung des klimafreundlichen Bauens mit Holz ist vorgesehen. Gebraucht werde beides, sagt Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), schnelle Hilfe beim Aufarbeiten der Schäden und Unterstützung beim Umbau in klimaresistente Waldökosysteme. Eine Aufgabe, die noch teurer werden könnte als bisher: „Ob die Finanzmittel genügen, kann derzeit niemand seriös abschätzen“, so Schulze.

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      Erst wenig Geld angekommen

      Allerdings: Bislang ist selbst von dem bereits versprochenen Geld wenig angekommen. Gerade einmal 31 Millionen Euro haben die Länder laut Bundeslandwirtschaftsministerium ausgezahlt – von 138 Millionen, die für 2020 zur Verfügung stehen. „Dieser Wert ist derzeit zwar noch relativ gering“, räumt eine Sprecherin des Ministeriums gegenüber unserer Redaktion ein. In der zweiten Hälfte des Jahres solle die Summe aber deutlich steigen. Lesen Sie auch: Bericht „Lage der Natur“: Schlechte Nachrichten für Käfer

      Die niedrige Zahl passt zu dem, was die Länder berichten: In Niedersachsen zum Beispiel wurden nach Auskunft des zuständigen Ministeriums von 32 verfügbaren Millionen Euro bislang 2,2 Millionen ausgezahlt, in Baden-Württemberg 2,8 Millionen Euro von 14, die 2020 ausgezahlt werden können. In Hessen sind es immerhin 9,6 von 14 vorhandenen Millionen Euro.

      Ähnlich sah das Bild auf Anfrage in den meisten Ländern aus. Bayern hat mit 22,6 Millionen Euro nach eigener Auskunft fast die Hälfte der vorhandenen 55,7 Millionen bereits an die Waldeigentümer überwiesen.

      Waldeigentümer klagen über komplizierte Antragsverfahren

      Das Geld komme langsam an, sagt auch Schulz-Trieglaff. Vor allem aber plagen die Waldeigentümer die komplizierten Antragsverfahren: „40 Seiten sind für Kleinprivatwaldbesitzer und kleine Betriebsgemeinschaften einfach zu viel“, sagt Schulz-Trieglaff. Lesen Sie auch: Dürre und Brände: Wie geht es weiter mit unseren Wäldern?

      Gebraucht werde deshalb mehr Infrastruktur für Beratungen und Unterstützung für die Geschäftsführer forstwirtschaftlicher Zusammenschlüsse. Denn die Personaldecke im Wald ist dünn geworden: „In den vergangenen Jahren sind Weichen falsch gestellt worden“, sagt Waldexpertin Wellbrock. Viele Stellen im Forstbereich seien abgebaut worden, die Reviere wurden immer größer. „Langfristig muss man hier in Personal investieren.“