Düsseldorf/Essen. Wie Kanzlerin Merkel ihren NRW-Besuch nutzt, um Ministerpräsident Laschet eher überraschend und etwas verklausuliert den Rücken zu stärken.

Angela Merkel posiert am Dienstagnachmittag gerade mal zwei Minuten für die Fotografen in 38 Meter Höhe auf der Terrasse des „Erich-Brost-Pavillons“ in Essen. Im Hintergrund thront der mächtige Doppelbock-Förderturm der ehemaligen Zeche Zollverein, das Wahrzeichen des Unesco-Welterbes. „Wird ja nicht besser“, sagt die Kanzlerin trocken und beendet kurzerhand die hektische Motivsuche der Bildberichterstatter.

Neben ihr steht der Gastgeber, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Obwohl das Zollverein-Foto das politisch Wertvollste sein sollte, was von diesem Besuch der Kanzlerin in Nordrhein-Westfalen bleibt, kann er Merkel in diesem Punkt nur vergnügt grinsend zustimmen. Besser kann es auch für Laschet an diesem Tag eigentlich nicht mehr werden.

Verklausuliertes Lob: "Ein Rüstzeug, das ins Gewicht fällt“

Eine Stunde zuvor hat sich Merkel bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Düsseldorfer „Ständehaus“ nämlich überraschend weit aus dem Fenster gelehnt. In dem historischen Gebäude in Alstadtnähe, das bis in die 80er Jahre den NRW-Landtag beherbergte, war Merkel in entspannter Atmosphäre mit dem Landeskabinett zusammengekommen. Als danach eine Reporterin zielstrebig die Frage nach der Kanzlertauglichkeit Laschets stellt, will es die amtierende Kanzlerin offenkundig zunächst bei einer routinierten Antwort belassen. „Armin Laschet kandidiert und als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen bringt er viele Qualifikationen mit sich. Ansonsten werde ich mich nicht einmischen“, sagt sie.

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Laschet will im Dezember zum neuen CDU-Bundesvorsitzenden gewählt werden, was ihn zum ersten Anwärter auf die Kanzlerkandidatur der Union machen würde. Nach einem Sommer mit miesen Schlagzeilen und ernüchternden Umfragewerten wegen seiner oft fahrigen öffentlichen Auftritte in der Corona-Krise wurden jedoch Zweifel laut, ob Laschet das Format für ganz oben habe.

Merkel legt dann im „Ständehaus“ überraschend nach: „Das ist eine freie Entscheidung der CDU. Aber Sie müssen mal, wenn Sie das größte Bundesland der Bundesrepublik regieren, in einer Koalition aus CDU und FDP, die effizient arbeitet, die nicht durch besonders viel Streitereien auffällt – dann ist das zumindest ein Rüstzeug, das durchaus Gewicht hat.“

Viel Gemeinsamkeit beim Corona-Kurs

Für Merkel-Verhältnisse ist der etwas umständliche Satz überdeutlich. Zumal sie zuvor Laschets Corona-Krisenmanagement inklusive der umstrittenen Maskenpflicht im Schulunterricht gelobt und in Düsseldorf „viel Gemeinsamkeit gespürt“ hat. Sie unterstreicht ausdrücklich Laschets Herangehensweise in der Krise: Restriktionen bei steigenden Infektionszahlen, Lockerungen bei sinkenden. Ungefragt bedankt sich die Kanzlerin sogar für dessen unbedingte Europa-Orientierung in der Pandemie und die jüngste Reise in die Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos, die „nicht nur vergnüglich“ gewesen sei. Merkel hat offenbar nicht vergessen, dass Laschet einer der wenigen Spitzenfunktionäre in der Union ist, der ihre Politik der offenen Grenzen aus der Flüchtlingskrise 2015 bis heute tapfer verteidigt.

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Mehr Unterstützung kann der NRW-Ministerpräsident im innerparteilichen Wettstreit von der beliebtesten Politikerin Deutschland nicht erwarten. Was war vor Merkels Besuch nicht über das protokollarische Besteck dieser Visite spekuliert worden. Seit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Juli die Kanzlerin im märchenhaften Ambiente von Herrenchiemsee mit Bootstour, Kutschfahrt und Kabinettssitzung im vergoldeten Spiegelsaal umschmeichelte, richteten sich eher mitleidige Blicke auf Laschet. Die Kanzlerin habe in Söder längst ihren Kronprinzen erkoren. Wie sollte der Aachener Prunk und Protz noch toppen?„Glücklicherweise bin ich ein Mensch, der sich an ganz verschiedenen Dingen erfreuen kann. An Kutschfahrten und an der Besichtigung von Herrenchiemsee genauso wie an einer Kabinettssitzung in einem früheren Landtag von NRW“, sagt Merkel dazu am Dienstag. Bayerischer Barock dort, Zollverein als Kathedrale der Arbeit hier. Die beiden Besuche bei den unausgesprochenen Konkurrenten um die nächste Kanzlerkandidatur der Union zeigten, „dass man es sich auf ganz unterschiedliche Weise sehr schön machen kann“, so die Kanzlerin.

Das Team mit Spahn steht

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Laschet genießt die warme Dusche eher still. So wie er schon in den vergangenen Tagen kein Wort darüber verloren hatte, dass die bayerische Staatsregierung gerade die größte Corona-Testpanne mit noch unabsehbaren Folgen zu verantworten hat. Eine heftige Schramme für Krisenmanager Söder. Laschet weiß, wie schnell das Pendel zur anderen Seite ausschlagen kann. An seinen Ambitionen lässt er jedoch keinen Zweifel. Im Dezember will er neuer CDU-Bundesvorsitzender werden. „Ziel ist, dass der Parteitag unter Corona-Bedingungen stattfindet“, sagt er. Eine neue Verständigung mit seinem Konkurrenten Friedrich Merz oder gar ein Positionswechsel mit seinem bisherigen Tandem-Partner, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn? „Ich war immer für eine Teamlösung mit Jens Spahn“, sagt Laschet und fügt hinzu: „Ich sehe keinen Anlass, dass das Team sich vergrößern könnte.“