Washington. Das „Arctic National Wildlife Refuge“ ist ein einzigartiges Ökosystem. Nun ist es in Gefahr, weil Trump ein Versprechen einlösen will.

Man nennt den Landstrich wegen seiner tierreichen Naturbelassenheit die „Serengeti” Nordamerikas. Doch das im Jahr 1980 unter Präsident Jimmy Carter auf 78.000 Quadratkilometer erweiterten und unter Schutz gestellten „Arctic National Wildlife Refuge”, kurz ANWR, in nordöstlichen Zipfel Alaskas ist in Gefahr.

Noch haben Eisbären, Grizzlybären, Wölfe, Elche, Moschus-Ochsen, Dutzende Vogelarten und Hunderttausende Rentiere, die hier Karibus heißen, ihren Lebensraum, den sie nur mit einigen Hundert Ureinwohnern der Gwich’in-Indianer teilen müssen. Demnächst sollen nach dem Willen der Regierung von Donald Trump Energie-Unternehmen und Bohrtürme folgen.

Trump will Öl-Förderung durchsetzen – Viele Präsidenten vor ihm an Plänen gescheitert

Nach über 30-jährigem Streit in Washington, den Umweltschützer und Demokraten bisher für sich und die Natur entschieden haben, will der Amtsinhaber unbedingt durchsetzen, woran Präsidenten seit Ronald Reagan und republikanische Mehrheiten im Kongress regelmäßig gescheitert sind.

Entlang eines Küstenabschnitts an der Beaufortsee, der den Karibu-Herden als Migrationsroute dient und darum als Herz der ANWR-Naturschutzgebietes gilt, sollen ab Dezember zwei jeweils 1600 Quadratkilometer große Teilstücke an Energie-Riesen verpachtet werden, um die Erschließung der dort vermuteten Vorräte von bis zu 16 Milliarden Barrel Öl zu beginnen (ein Barrel sind 159 Liter).

Das hat Trumps Innenminister David Bernhardt am Montag bekanntgegeben. Die eigentlichen Förder-Arbeiten könnten bei optimalem Verlauf 2028 beginnen und über 50 Jahre dauern, sagte Bernhardt.

Öl-Förderung im Naturschutzgebiet würde Tausende Arbeitsplätze schaffen

Schon 2018 hatte die Regierung in einer Art Umweltverträglichkeitsprüfung eingeräumt, dass Energiegewinnung in der Wildnis Flora, Fauna und die dort lebenden Ureinwohner beeinflussen werde, wenn Bohrplattformen, Straßen, Pipelines und Landebahnen für Versorgungsflugzeuge gebaut würden.

Ein Alaska-Tundra-Wolf im Naturschutzgebiet „Arctic National Wildlife Refuge“ –  nur eine von vielen Tierarten, die in dem einzigartigen Ökosystem im Norden Amerikas leben.
Ein Alaska-Tundra-Wolf im Naturschutzgebiet „Arctic National Wildlife Refuge“ – nur eine von vielen Tierarten, die in dem einzigartigen Ökosystem im Norden Amerikas leben. © Getty Images/iStockphoto | troutnut

Allerdings sei eine Ko-Existenz wirtschaftlich geboten, um Amerikas Energie-Unabhängigkeit zu sichern und, wie Alaskas Gouverneur Michael Dunleavy betonte, wichtige Steuer-Einnahmen zu erzielen. Durch die zu vergebenden Lizenzen würden Tausende Arbeitsplätze in der ansonsten fast menschenleeren Region jenseits des Polarkreisen entstehen, sagt die für Alaska zuständige republikanische Senatorin Lisa Murkowski.

Vor 20 Jahren hatte bereits ihr Vater, Senator Frank Murkowski, für das Projekt gestritten, das bis zuletzt immer im Sande verlief. Mal blockierten abtrünnige Republikaner, die mit den Demokraten stimmten, den massiven Eingriff in die unberührte Natur. Mal legten Präsidenten wie Bill Clinton (1995) ihr Veto ein.

Trumps Vorgänger Barack Obama forderte den Kongress sogar auf, auch die jetzt in den Blickpunkt gerückte Küstenebene offiziell zur „Wildnis” zu erklären und damit unantastbar zu machen.

Trumps Kritiker: Pläne seien „absolut bescheuert“

Kritiker, nicht nur in Umwelt- und Tierschutzverbänden, die bereits Klage angekündigt haben, halten dem entgegen, dass die Ölpreise weltweit sinken und Energiegewinnung im ANWR-Gebiet witterungsbedingt enorm teuer sei. Lesen Sie dazu: Ölpreis abgestürzt: Was das für den Verbraucher bedeutet

„Darum gehen große Banken bei der Finanzierung solcher Vorhaben längst nicht mehr mit”, sagt Adam Kolton von der „Alaska Wilderness League”. Seine Kollegin Kirsten Monsell vom Zentrum für Bio-Diversität sekundiert: „Es ist absolut bescheuert, diese Region während eines weltweiten Überangebots an Öl in Gefahr zu bringen.”

Außerdem erfordere der Klimawandel ein radikales Umsteuern hin zu erneuerbaren Energien. Und die Umweltorganisation Sierra Club stellt grundsätzlich fest: „Es gibt Gebiete, die schlicht zu heilig für Ölbohrungen sind.”

Das Arctic National Wildlife Refuge ist Gwich’in-Indianern heilig

Das Argument knüpft an die Haltung der Gwich’in-Indianer an; ein Volk, dem das Gebiet seit Jahrhunderten heilig ist. Sie nennen es, „den Platz, wo Leben beginnt”. Die Gwich’in leben maßgeblich von den Karibus. Sie sind sicher, dass Vibrationen und Pipelines die sogenannte Porcupine-Herde (fast 200.000 Tiere) in die Flucht schlagen werden.

Die Regierung Trump sieht in der Freigabe dagegen das Einlösen eines Versprechens des Präsidenten zu Beginn seiner Amtszeit. Danach müsse Amerikas Öl-Reichtum konsequent genutzt werden, um von ausländischen Energiequellen vollkommen unabhängig zu werden. Problem im ANWR neben allen anderen genannten Umweltaspekten: Ob die Region erdbebensicher ist, Kernvoraussetzung für Öl-Förderung, wurde zuletzt vor 20 Jahren untersucht.

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