Donald Trump wechselt seinen Corona-Kurs – alles Taktik?
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Berlin. Donald Trump schlägt in der Corona-Krise plötzlich einen anderen Weg ein. Viele sehen darin jedoch nur eine Taktik des US-Präsidenten.
Donald Trump will erneut als US-Präsident wiedergewählt werden, dafür sind ihm scheinbar viele Mittel recht
Um zu unterstreichen, dass er kein Problem mit Masken habe, holt Trump bei der Pressekonferenz einen Mund-Nasen-Schutz hervor
Trump ändert seinen Kurs: Doch die neue Linie des Präsidenten ist kein radikaler Wechsel der Weltsicht. Sie ist angesichts negativer Umfragen vor allem taktisch bedingt
Es ist die wundersame Wandlung des Donald Trump. Monatelang hatte der US-Präsident die tödlichen Folgen der Corona-Pandemie geleugnet, sie als „harmlose Grippe“ kleingeredet, die Warner als Weicheier beschimpft. Und nun – plötzlich – die 180-Grad-Wende.
Trump gibt den Mahner, Klartext-Redner, den Ober-Pastor der Nation. „Es wird wahrscheinlich leider schlimmer werden, bevor es besser wird“, betont er am Dienstag im Weißen Haus. „Ich sage das nicht gerne über Dinge, aber so ist es.“ Demütig und empathisch soll das klingen.
Das sind die US-Präsidenten seit 1945
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Und nicht nur das. Der US-Präsident fordert die Bürger erstmals ausdrücklich zum Tragen von Masken auf. Wenn sie die Abstandsregeln nicht einhalten könnten, sollten die Menschen einen Mund-Nasen-Schutz benutzen, erklärt er. „Ob Sie die Maske mögen oder nicht, sie haben eine Wirkung.“ Zuvor hatte er das Tragen eines Mund-und-Nasen-Schutzes bereits als „patriotische Tat“ bezeichnet.
Um zu unterstreichen, dass er kein Problem mit Masken habe, holt Trump bei der Pressekonferenz einen Mund-Nasen-Schutz hervor. „Ich habe die Maske hier“, unterstreicht er. Beim Vorstellen von Richtlinien der Gesundheitsbehörde CDC im April hatte der Präsident noch deutlich gemacht, dass er trotz Empfehlung selbst keine Maske tragen werde. Bei einigen konservativen Republikanern gilt der Mund-Nasen-Schutz als „unamerikanisch“. Lesen Sie hier:Joe Biden bezeichnet Donald Trump als ersten Rassisten, der es ins Weiße Haus geschafft hat.
Es ist die erste Pressekonferenz seit fast drei Monaten, nachdem der Präsident ins Corona-Nirwana abgetaucht war. Fast vier Millionen Infektionen? Pustekuchen!, hatte Trump gefaucht. Mehr als 140.000 Tote. Harmlos!, hatte der Mann im Weißen Haus gezischt.
USA: Zwei Drittel der Bürger misstrauen dem Corona-Kurs Donald Trumps
Doch angesichts dieser Die-Erde-ist-eine-Scheibe-Mentalität regte sich Unmut im Land. Zwei Drittel der Bürger misstrauen der Corona-Politik des Präsidenten. Wegen Trumps Verharmlosungs-Kurs gab es zuletzt immer wieder Verstimmungen zwischen der Regierung in Washington und Gouverneuren einiger Bundesstaaten.
Auch aus den Reihen von Trumps Republikanern war zuletzt Kritik laut geworden: Der Gouverneur des Bundesstaats Maryland, Larry Hogan, warf dem Präsidenten vor, nicht schnell genug auf die Bedrohung reagiert und die Gouverneure beim Ausbau von Tests alleine gelassen zu haben.
In Meinungsumfragen liegt Trump zehn Prozentpunkte hinter Joe Biden
Die Kritik an Trumps Krisenmanagement wuchs. Auch die Meinungsumfragen – die Währung versteht der Präsident am besten – kennen nur eine Richtung: nach unten. Auf nationaler Ebene liegt er rund zehn Prozent hinter seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden. Das Besorgniserregende: Selbst in Bundesstaaten, die Trump 2016 knapp gewonnen hatte – Florida, Michigan oder Pennsylvania – ist der Präsident abgesoffen.
Seine Beraterin Kellyanne Conway zog deshalb die Reißleine. Trump müsse sich zu Corona äußern, drängte sie. „Die Menschen wollen vom Präsidenten der Vereinigten Staaten hören. Es muss nicht täglich sein, es muss nicht für zwei Stunden sein, aber aus meiner Sicht muss es sein.“ Nun also ein neues Stück: Trump, der Masken-Prediger. Der Präsident – so scheint es- mimt plötzlich seinen Virologen Anthony Fauci, den er gerade noch geschmäht hatte.
In Wahrheit sieht sich der Donald Trump als Ober-Sheriff der Nation
Doch die neue Linie des Präsidenten ist kein radikaler Wechsel der Weltsicht. Sie ist angesichts negativer Umfragen vor allem taktisch bedingt. Der wahre Trump ist der Ober-Sheriff der Nation, der Verteidiger von „Recht und Ordnung“. Er zeichnet ein apokalyptisches Gemälde vom Zustand des Landes und sieht sich als Retter vor dem Untergang.
Der Präsident drohte bereits mit der Entsendung von paramilitärisch ausgerüsteten Einheiten der Bundespolizei nach Chicago und in andere Städte. Er nannte Chicago „schlimmer als Afghanistan“. Die Zahl der tödlichen Schusswaffenvorfälle in Chicago hat in diesem Sommer deutlich zugenommen. Allein am vergangenen Wochenende wurden in der Stadt laut Lokalmedien zwölf Menschen erschossen und 51 weitere durch Schüsse verletzt.
Der Einsatz der Bundespolizei löste heftige Kontroversen aus
Trumps Drohung ist allerdings in erster Linie eine Reaktion auf die Anti-Rassismus-Proteste, bei denen es manchmal zu Ausschreitungen kommt. In Chicago war es zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen, die versucht hatten, ein Denkmal des Seefahrers Christoph Kolumbus umzustürzen.
Bundespolizisten wurden zuletzt bereits nach Portland im Bundesstaat Oregon an der Westküste geschickt. Der Einsatz der Bundespolizei bei den Protesten in Portland löste eine heftige Kontroverse aus. Die Bürgermeister von sechs Großstädten – darunter die von Chicago und Portland – kritisierten in einem Brief an die Trump-Regierung, die Entsendung von Paramilitärs in US-Städte ohne Zustimmung der örtlichen Behörden sei verfassungswidrig.
Doch Trump hält daran fest. Mit harter Law-and-Order-Rhetorik will er seine Wähler-Basis mobilisieren. Vor allem bei weißen Männern kommen derlei Töne an.
Facebook verlinkt Trumps Beitrag mit offiziellen Wahlkampfregelungen
Auch in den sozialen Netzwerken wird der Wahlkampf rauer. Facebook hat nun einen Beitrag des Präsidenten zur Briefwahl mit den offiziellen Wahlregelungen verlinkt. „Briefwahl wird, sofern sie nicht von den Gerichten geändert wird, zur korruptesten Wahl in der Geschichte unserer Nation führen!“, hatte Trump am Dienstag auf Facebook geschrieben. Hintergrund:Darum hat Donald Trump Angst vor Briefwählern
Das Netzwerk versah die Äußerung mit einem Link, der Nutzer zu einer Regierungsseite mit Informationen zur Stimmabgabe bei den US-Wahlen am 3. November leitet.
Facebook war erst vor wenigen Wochen heftig kritisiert worden, weil das Netzwerk umstrittene Äußerungen von Trump nicht von der Plattform nahm oder als problematisch markierte. Facebooks Gründer und Chef Mark Zuckerberg rückte zwar von Trump-Äußerungen persönlich ab. Aber gleichzeitig erklärte er, dass sie im öffentlichen Interesse weiter zugänglich sein müssten.
Daraufhin hatte das Netzwerk angekündigt, unter anderem Beiträge von Trump und seinem demokratischen Rivalen Joe Biden zum Wahlkampf mit Zusatzinformationen zu versehen. Auch Beiträge Bidens wurden zuletzt entsprechend verlinkt.
Bidens Dilemma: Der Vorsprung in den Umfragen reicht nicht
Trumps Konkurrent Biden rügte die jüngste Kehrtwende des Präsidenten. Es klinge „hohl“, wenn Trump behaupte, er habe einen „unermüdlichen Fokus“ auf die Corona-Krise, wetterte er. Trump habe Monate damit zugebracht, den unglaublichen Schaden, den das Virus verursacht hat, abzutun.
Donald Trump- Schräge Fotomomente
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Der Demokrat profitiert derzeit von Trumps Fehlern. Doch er tritt öffentlich kaum in Erscheinung. Vom Kellerstudio seines Hauses in Wilmington im Bundesstaat Delaware schickt er gelegentlich Videos mit seinen Botschaften ins Land. Irgendwann muss aber auch er in die Arena. Der Vorsprung in den Meinungsumfragen reicht nicht. Hillary Clinton musste im November 2016 diese bittere Lektion lernen.
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