Bielefeld. Milli Görüs wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Die islamistische Bewegung gilt als demokratriefeindlich. Grüne Landesspitze ist irritiert.
Bei den nordrhein-westfälischen Grünen gibt es Irritationen über die Entscheidung des Grünen-Kreisverbandes in Bielefeld, für die Kommunalwahl einen Kandidaten ins Rennen zu schicken, der zugleich Funktionär bei einer Moscheegemeinde ist, die der vom Verfassungsschutz beobachteten Milli-Görüs-Bewegung angehört.
Die Ende der sechziger Jahre in der Türkei gegründete und als extrem konservativ geltende Milli-Görüs-Bewegung vertritt laut NRW-Verfassungsschutzbericht Ziele, „die mit den Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar“ sind. Konkret strebe sie an, die Vorherrschaft der westlichen Zivilisation durch eine islamische zu ersetzen. Zudem träten bei den Äußerungen einiger Funktionäre antisemitische Einstellungen deutlich zu Tage.
Kreisverband verteidigt die Entscheidung
Im Bielefelder Stadtteil Brackwede soll nun bei den Kommunalwahlen ein Kandidat für die Grünen antreten, der zugleich Sprecher einer dortigen Moscheegemeinde ist, die zum Milli-Görüs-Dachverband gehört. Der Mann wollte sich auf telefonische Anfrage der NRZ nicht dazu äußern, wie das Engagement bei Milli Görüs mit den politischen Zielen der Grünen in Einklang zu bringen ist.
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Die Vorstandssprecher des Bielefelder Kreisverbandes verteidigen die Entscheidung. Man habe eine Liste aufgestellt, die auch „die Vielfalt der Menschen vertritt, die in dieser Stadt leben“, so Schahina Gambir und Dominic Hallau in einer Stellungnahme. Selbstverständlich seien für sie nationalistische und rechtsradikale Positionen nicht tolerierbar. In der kommunalpolitischen Zusammenarbeit mit dem Kandidaten habe es aber bislang keinen Anlass gegeben, „sein Engagement in Frage zu stellen“.
Grünen-Landesvorsitzende: Nicht vereinbar mit grünen Werten
Für die Grünen-Landesvorsitzende Mona Neubaur ist hingegen klar: „Eine Vereinbarkeit in beiden Organisationen in Verantwortung zu stehen, ist aus meiner Sicht auf keinen Fall möglich.“ Die Entwicklung von Milli Görüs gehe in großen Schritten in Richtung des türkischen Präsidenten Erdogan, seiner AKP und seines Regimes. „Nationalismus und Antisemitismus stehen diametral zu den liberalen Werten der Grünen NRW“, so die Landesvorsitzende.
Auch Berivan Aymaz, die integrationspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion ist irritiert: „Wer als Funktionär in diesen Strukturen agiert, kann nicht gleichzeitig glaubhaft für freiheitliche und demokratische Werte stehen. Dieser Widerspruch darf nicht unter den Teppich gekehrt werden.“ Türkischer Nationalismus und Antisemitismus dürften nicht länger klein geredet werden, so Aymaz. „Sie spalten unsere Gesellschaft, genauso wie die deutschen Identitären.“
Anfang Juni hatte der Fall eines türkisch-stämmigen Grünen-Ratsherrn im ostwestfälischen Bünde für Schlagzeilen gesorgt, der sich sozialen Netzwerken abfällig über den Essener Politik-Wissenschaftlers und Türkei-Experten Burak Copur geäußert und den Genozid an den Armeniern verharmlost hatte. Nach einer Intervention der Grünen-Landesspitze verzichtete der Mann auf seine Kommunalwahl-Kandidatur.