Düsseldorf. Lehrer beklagen Wildwuchs beim Online-Fernunterricht wegen Corona. Nun lenkt das NRW-Schulministerium ein. Erweiterung für Lernplattform Logineo.

Drei Monate nach dem Lockdown im Kampf gegen das Coronavirus ist an den Schulen in NRW, trotz inzwischen begonnener Öffnung, keine Normalität in Sicht. Das gilt auch für den Fern-Unterricht online. Lehrerverbände beklagen einen „Wildwuchs“ an digitalen Werkzeugen, mit denen Lehrerinnen und Lehrer ihren Fernunterricht zum Teil improvisiert hätten – ungewiss, ob sie sich damit rechtliche Probleme einhandeln. Die im November vom Schulministerium präsentierte Lernplattform „Logineo“ bietet bis dato weder einen rechtssicher verwendbaren Messenger-Dienst noch ein Videokonferenz-Werkzeug. Auch können sich dort bis dato nur Lehrer untereinander austauschen.

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Von Matthias Korfmann und Christopher Onkelbach

Doch nun scheint sich etwas zu bewegen: „Das Ministerium für Schule und Bildung prüft zurzeit, ob und – wenn ja – welches Angebot den Schulen hinsichtlich eines Videokonferenztools zeitnah gemacht werden kann. Ein FAQ zum Einsatz von Videokonferenzen, welches sich in Vorbereitung befindet, soll die Lehrkräfte bei Auswahl entsprechender Tools und bei der pädagogisch-didaktischen Umsetzung unterstützen“, heißt es am Dienstag auf Anfrage aus dem NRW-Schulministerium.

Lehrerverbände fordern seit Monaten Hilfe von Schulministerium

Lehrerverbände beklagen seit Monaten, dass Schulen sich vom NRW-Schulministerium mit Blick auf die Nutzung frei verfügbarer Online-Tools wie „Zoom“ für Videokonfernenzen etwa für den Fern-Unterricht oder Messenger-Diensten wie „Whatsapp“ im Regen stehen gelassen sehen: „Wir haben bis heute auf mehrfache Anfragen seit Monaten keine Antwort vom Ministerium, welche freien Tools das Ministerium toleriert oder womöglich empfiehlt“, sagt Sven Christoffer vom Lehrerverband NRW, Berufsvertretung der Sekundarstufe-Lehrer.

Beim Schulleiterverband NRW hat man auch die Sorge, dass Lehrkräfte Gefahr laufen, sich durch eigenes Engagement beim Online-Unterricht Ärger einhandeln könnten, etwa wegen Verstoßes gegen den Datenschutz. So drohte jüngst Lutz Hasse, Datenschutzbeaufragter von Thüringen dortigen Lehrerinnen und Lehrern mit Bußgeldern, weil sie rechtlich umstrittene Software für den Distanzunterricht nutzen.

Datenschutzbeaufragte setzt wegen Corona nicht auf Härte

In NRW indes gibt sich die Datenschutzbeaufragte Helga Block pragmatisch: „Der Augenblick der Pandemie ist nicht der Zeitpunkt, seit Jahren noch nicht hinreichend gelöste Probleme der digitalen Datenverarbeitung in Schulen aufgreifen und einer dauerhaften Lösung zuführen zu wollen“, heißt es in einer Erklärung der Landesdatenschutzbehörde (LDI). Schulen in NRW seien wegen der Corona-Pandemie „in einer besonderen Ausnahmesituation“, so Block. Hauptziel sei daher vorerst, „den Schulbetrieb fortzuführen, ohne den Datenschutz und die Datensicherheit an Schulen zu torpedieren“. Beides müsse aber „in Einklang gebracht“ werden, deshalb setzt das LDI „in der gegenwärtigen Situation schwerpunktmäßig auf Überzeugungsarbeit bei den Verantwortlichen“, sagt ein Sprecher auf Anfrage.

In Sachen Whatsapp hat das Ministerium den Schulen unterdessen klar zu verstehen gegeben, dass der umstrittene zu Facebook gehörende Messengerdienst, der beim Installieren auf einem Smartphone unter anderem alle dort gespeicherten Telefondaten abgreift, „die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen (für eine dienstliche Nutzung; Red.) nicht erfüllt“. Aber: „Wenn Lehrkräfte mit Eltern sowie Schülerinnen und Schülern über WhatsApp kommunizieren und keine sensiblen personenbezogenen Daten übermittelt werden, liegt dies im persönlichen Ermessen aller Beteiligten und ist keine von der Schulleitung zu verantwortende dienstliche Kommunikation“, heißt es im Schulministerium.

Lehrer fordern rechtssichere Online-Tools für den Fernunterricht

In der Schulleitervereinigung NRW nimmt man unterdessen bereits die Zeit nach den Sommerferien in den Blick: „Nur wenn es eine Impfung gibt oder Deutschland Coronaviren-frei ist, wird ein normaler Präsentzunterricht in den Schulen wieder möglich sein“, glaubt Harald Willert, Vorsitzender der Schulleitervereinigung. Daraus folgt: „Dass wir nach den Ferien endlich die nötigen Werkzeuge brauchen, um Distanz-Unterricht in den Schulen fest zu installieren“.

Das Schulministerium NRW wollte dazu am Dienstag noch keine Details nennen. Eine Sprecherin erklärte, die Lernplattform Logineo werde durch weitere Funktionen ergänzt: „Geplant ist die Erweiterung des Nutzerkreises für Schülerinnen und Schüler sowie die Anbindung der beiden digitalen Schulbücher BioBook NRW und mBook Gemeinsames Lernen.“ NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer hat für diesen Mittwoch eine Erklärung dazu in Aussicht gestellt.

Bei der Landesdatenschutzbeauftragten liegen unterdessen nach eigenen Angaben „keine Beschwerden in Bezug auf den bisherigen Distanzunterricht an Schulen in NRW vor“. (dae)