Berlin. Das Ringen um ein Konjunkturpaket geht weiter. Gestritten wird um Familienbonus, Auto-Prämie und einen Schuldenschnitt für Kommunen.

Zumindest auf eine Sache haben sich die Spitzen der großen Koalition frühzeitig geeinigt: auf die Nachtruhe. Anders als bei viele anderen gemeinsamen Treffen dieser Art sollte es diesmal keine Kräfte zehrende Marathonsitzung bis zum Morgengrauen werden. Am Dienstagabend kurz nach 23 Uhr unterbrachen CDU, CSU und SPD ihre Verhandlungen über ein milliardenschweres Konjunkturpaket nach rund neunstündiger Sitzung.

„Konzentriert und intensiv“ seien die Gespräche gewesen, war zu hören. Das klingt freundlich, aber doch nicht so, als seien immer alle einer Meinung. Das wäre auch sonderbar bei einer Tagesordnung, die rund 70 Einzelpunkte umfasst. Mittwochvormittag gehen die Beratungen nach der Kabinettssitzung in die zweite Runde. Im Lauf des Nachmittags sollen die Ergebnisse dann als Gesamtpaket präsentiert werden.

Es geht dabei um eines der größten Konjunkturprogramme, die es in Deutschland bislang gab. Rund 80 Milliarden Euro soll der Staat dem Vernehmen nach lockermachen. Doch wozu das Geld im einzelnen ausgegeben werden soll, um der deutschen Wirtschaft aus der Corona-bedingten Talsohle zu helfen und die Kaufkraft der Bürger zu stärken – darüber herrschte in der Koalition bislang keine gemeinsame Linie.

Grundsätzlich einig sind sich die Regierungspartner, dass etwas zur Unterstützung von Familien, Kommunen und Unternehmen passieren muss. Doch in der Frage, wie genau die Hilfen aussehen sollen, liegen die Ansichten der Parteien noch weit auseinander.

Was ist für Familien geplant?

Vor allem die SPD macht sich für einen Familienbonus stark. Er soll einmalig 300 Euro pro Kind betragen. Ziel ist es auch, den Konsum und in der Folge die Konjunktur anzukurbeln. Das Vorhaben würde 4,3 Milliarden Euro kosten.

In der Union gibt es gegen diese Pläne Widerstand – aber auch Befürworter: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat sogar 600 Euro vorgeschlagen. Unklar ist, ob ein solcher Bonus an alle Familien ausgeschüttet werden soll oder nur an bedürftige. Die CSU plädiert dagegen für eine Verdopplung des Steuerfreibetrags für Alleinerziehende von 1908 Euro auf 4000 Euro.

Kommt eine Kaufprämie für Autos?

Auch dies ist ein Streitpunkt. In der Koalition gibt es auf beiden Seiten Befürworter und Gegner. Erstere sehen in Kaufprämien eine Möglichkeit, die deutsche Schlüsselindustrie und von ihr abhängige Branchen wie Zulieferer zu stützen.

Die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen mit ihren starken Automobilstandorten sind ebenfalls dafür. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder will vor allem moderne Autos fördern, die weniger CO2 produzieren. Aus Sicht der SPD-Spitze darf es aus Gründen des Klimaschutzes keine Kaufprämie für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor geben.

Wird der Strom billiger?

Wahrscheinlich. Die Koalition diskutiert über Entlastungen bei den Strompreisen. Voraussichtlich gibt es eine Senkung der EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms. Die SPD will festschreiben, dass die Entlastung von den Stromanbietern auch an die Endverbraucher weitergegeben werden muss.

Welche weiteren Hilfen sind für die Wirtschaft geplant?

Für mittelständische Unternehmen, aber auch Kneipen, Bars, Jugendherbergen, Reisebüros, Sportvereine, Schausteller und Künstler könnte es zusätzliche Milliardenzuschüsse geben. Sie alle leiden unter der Krise besonders. Umstritten ist aber, wie die Zuschüsse genau organisiert werden.

Insgesamt will die Koalition 25 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Zudem sind für Unternehmen steuerliche Entlastungen im Gespräch, etwa durch bessere Abschreibungsbedingungen und Verrechnungsmöglichkeiten. Auf diese Weise sollen Firmen schneller wieder investieren können.

Fließt auch Geld in die Infrastruktur?

Gemeinsames Ziel ist es zumindest, Deutschland auf diesem Gebiet fit zu machen. Nach Plänen von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sollen 28 Milliarden Euro unter anderem in Bahnverkehr, Straßenbau und die digitale Infrastruktur fließen. Vor allem bei Letzterem hatte die Corona-Krise den Entwicklungsrückstand in Deutschland deutlich gemacht.

Gibt es einen Altschuldenschnitt für klamme Kommunen?

Auch dies ist eine der strittigen Fragen. Zwar sind sich die Spitzen der Koalition darüber einig, dass Städte- und Gemeinden Hilfe brauchen, weil ihnen durch die Krise Steuereinnahmen wegbrechen und gleichzeitig mehr Kosten durch steigende Arbeitslosigkeit entstehen. Doch der Weg dorthin ist offen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) möchte Städten und Gemeinden unter anderem durch eine Übernahme ihrer Altschulden durch den Bund helfen. Das lehnt die Union ab. Ihr Gegenvorschlag: Der Bund könnte die Kommunen entlasten, indem er einen größeren Anteil der Wohnkosten von Hartz-IV-Empfängern trägt und auf Anteile aus der Gewerbesteuer verzichtet. Diese blieben dann in den Kassen den Kommunen.

Was ist beim Gesundheitsschutz geplant?

Die Regierungspartner stimmen überein, dass es eine Situation wie zu Beginn der Corona-Pandemie mit fehlender Schutzausrüstung für Mediziner und Patienten nie wieder geben soll. Ziel ist es daher, stärker auf die Eigenproduktion von medizinischen Gütern, Arznei und Impfstoffen zu setzen und eine Notfallreserve anzulegen. Auch bei Investitionen in Krankenhäuser und den Ausbau der Gesundheitsämter zur Infektionsbekämpfung soll es vorangehen.

Wie geht es nach einer Einigung weiter?

Wenn CDU, CSU und SPD heute ein Konjunkturpaket beschließen, geht die Arbeit erst richtig los. Sollen die Maßnahmen schnell wirken, braucht es rasch die entsprechenden Gesetze, die dann den üblichen Weg der Gesetzgebung durch Bundeskabinett, Bundestag und Bundesrat gehen. Bis zur Sommerpause hat der Bundestag nur noch zwei Sitzungswochen. Der Bundesrat tagt noch einmal.

Coronavirus – Mehr zum Thema