Berlin. Schule ist auch Sozialarbeit. Warum der Präsenzunterricht so dringend wieder aufgenommen werden muss – und nicht gespart werden darf.
Kennen Sie Bibi und Tina? Die freche, blonde Hexe und ihre Freundin, die Pferde noch mehr lieben als Jungs. Nach drei Monaten als Corona-Papa von zwei kleineren Mädchen und einem Jungen im Home-Office kenne ich alle Hörspiele, Filme („echte Menschen!“) und Lieder auswendig.
In einem Song bejubelt Bibi kreischend „den besten Sommer“ aller Zeiten. Nein, das ist dieser nicht. Es ist ein trauriger Corona-Sommer. Einer, der in vielen kleinen Köpfen und Seelen tiefe Spuren hinterlassen wird. Bibi und Tina ersetzen keine Klassenkameraden, Lehrer und Freunde. Langsam rollt in den Bundesländern der Schulalltag wieder an. Die Betonung liegt auf langsam. Der Föderalismus ist leider kein Ferrari, sondern ein Trabi.
Corona-Beschränkungen: Die Schulschließungen waren richtig
Es war richtig, Kitas und Schulen auf dem Höhepunkt der ersten Pandemie-Welle vorsichtshalber dicht zu machen. In Berliner, Hamburger oder Düsseldorfer Altbauten ließ sich die schulfreie Zeit einigermaßen gut überbrücken. Kinder aus bildungsnahen Familien können Lücken im Lehrstoff verschmerzen und schneller aufholen.
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Es gibt jedoch leider massenhaft Berichte über jene Kinder, die völlig in der Luft hängen. Über einen Flüchtlingsjungen, der mit leuchtenden Augen Deutsch lernte. Dann verschwand er zwölf Wochen von der Bildfläche. SMS, Anrufe blieben unbeantwortet. Dann tauchte er wieder in der Schule auf. Nur noch stockend spricht er Deutsch.
Schule ist ein soziales Biotop – Kinder erhalten dort eine Struktur
Schule ist Gott sei Dank keine Lehranstalt mehr, wo der Großelterngeneration der Stoff notfalls noch mit dem Rohrstock eingeprügelt wurde. Schule ist ein soziales Biotop. Kinder erhalten dort eine Struktur. Sie lernen, mit Autoritäten umzugehen, Konflikte ohne Fäuste zu lösen, anderes Aussehen und Verhalten (Inklusion) zu schätzen und zu schützen.
Für Kinder aus Problemfamilien sind Klassenlehrerinnen und Erzieher oft so etwas wie Ersatzeltern. Deshalb muss es jetzt so viel Präsenzunterricht so schnell wie möglich geben – ohne das Virus zu unterschätzen. Lehrer müssen über sich hinauswachsen. Viele tun das bereits. Sie bieten Handysprechstunden, schicken täglich Material, machen Hausbesuche. Aber auch nicht alle. Lesen Sie dazu: Giffey: Kita- und Schulöffnung geht nur ohne Abstandsregeln
Pädagogen mit digitalen Defiziten müssen sich fortbilden
Jene Pädagogen, die sich digital schwertun oder nur Anweisungen von oben warten, müssen die Ferien zur Weiterbildung nutzen. Sommerferien heißt für Lehrer nicht umsonst „unterrichtsfreie Zeit“. Die Sommercamps für lernschwächere Schüler sind eine gute Sache.
Digital muss der Turbo eingeschaltet werden. Weg mit Bedenken, Vorschriften. Machen. In Dänemark hatte schon 2018 jede Schule WLAN. Der internationale Mittelwert lag bei 65 Prozent. In Deutschland waren es 28 Prozent. Uruguay, Kasachstan und Chile hängten Goethes und Schillers Erben ab. Eine internationale Studie zur Medienkompetenz von Achtklässlern kam damals zum Ergebnis, dass ein Drittel unserer Kinder nur E-Mails öffnen und Links anklicken kann. Lesen Sie auch: Schule und Corona: Was in den nächsten Wochen passieren muss
Keine Kürzungen bei Schulen und Lehrern
Wie sollen sie vor Fake News geschützt werden? Als im Frühjahr zwischen Iran und USA die Säbel rasselten, war „Dritter Weltkrieg“ ein Social-Media-Megatrend. Kinder hatten Todesängste. Aus Unwissenheit, befeuert von retardierten Youtubern. Jetzt dringen Corona-Verschwörungstheorien in Kinderhirne ein, wenn die unkontrolliert auf Instagram oder Tiktok surfen.
Wenn die Krisenschulden getilgt werden, muss der Bildungsbereich ausgenommen werden. Die soziale Schere bei Kindern und Jugendlichen ist durch die Zwangspause noch größer geworden. Das darf niemanden kalt lassen. Keine Kürzungen bei Schulen und Lehrern. Das sind wir allen Pandemie gepeinigten Kindern schuldig.
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