Berlin. Dan Smith, Direktor des Friedensforschungsinstituts Sipri, warnt: Das Coronavirus schwächt Staaten und stärkt Terrorgruppen wie den IS.

Dan Smith, Direktor des renommierten Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri, malt ein düsteres Bild von den internationalen Auswirkungen der Corona-Krise. Insbesondere die Konflikte in Syrien, im Irak, in Afghanistan sowie in Nord- und Westafrika würden sich verschärfen, warnt er.

Herr Smith, wie wirkt sich die Corona-Krise auf internationale Konflikte und Kriege aus?

Dan Smith: Wir werden die vollen Auswirkungen der Corona-Pandemie im Laufe der kommenden Monate sehen. Was wir bislang wahrgenommen haben, ist der Effekt des Virus in den wohlhabenden Ländern. Wir beobachten gegenwärtig, dass sich das Virus in einigen ärmeren Ländern ausbreitet, die eine viel größere Bürde zu tragen haben als die reicheren. In vom Bürgerkrieg zerrissenen Ländern wie Afghanistan, wo es derzeit viele Neuinfektionen gibt, wird die Wirkung verheerend sein.

Dan Smith, Direktor des Sipri-Friedensforschungsinstituts.
Dan Smith, Direktor des Sipri-Friedensforschungsinstituts. © dpa Picture-Alliance / Yonhap

In welchen Ländern werden sich die Konflikte im Zuge von Corona verschärfen?

Smith: Das trifft insbesondere auf den Irak und Syrien zu. Im Irak gibt es bereits Anzeichen für ein Wiederaufflammen der Aktivitäten der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Im Jemen könnten sich die Fronten verhärten. In Afghanistan ist im Zuge der Corona-Krise mit einem Wiedererstarken der radikalislamischen Taliban zu rechnen.

Aber auch am Horn von Afrika und in Teilen Westafrikas wie zum Beispiel in Nigeria oder Mali drohen neue Spannungen. Dort ist in einigen Regionen wegen der Ausbreitung der Seuche die Infrastruktur des Staates sehr geschwächt. Die Menschen bekommen nicht die Unterstützung, die sie brauchen. Einige werden sich daher gewalttätigen Milizen anschließen, die ihnen Hilfe wie etwa den Zugang zu Nahrungsmitteln versprechen.

Forscher warnt: Corona verschärft Konflikte im Irak und Syrien

Naiv gesprochen könnte man annehmen, dass die Corona-Krise die Menschen schwächt und kriegerische Aktivitäten dämpft. Warum ist das nicht so?

Smith: Das Bild ist gemischt. Einige nichtstaatliche Akteure haben ihre Handlungen zurückgefahren. Andere Gruppierungen haben die Krise hingegen zum eigenen Vorteil ausgenutzt. Die Politik hört wegen der Corona-Krise nicht auf.

Sind es vor allem Terrorgruppen, die den Niedergang von staatlicher Autorität und die Schwächung des Gesundheitssystems für ihre Zwecke nutzen?

Smith: Es handelt sich um ein Spiel mit verschiedenen Parasiten. Das Coronavirus ist ein Parasit, der die Schwäche der öffentlichen Infrastruktur ausnutzt, um immer mehr Menschen anzustecken. Bewaffnete Gruppen sind ein anderer Typ von Parasit. Sie nutzen die Schwäche der Infrastruktur aus, um mehr Territorium und mehr Macht zu bekommen.

Wird es mehr Unruhen wegen der Corona-Krise geben?

Smith: Das ist gut möglich. Zum Beispiel, wenn die Nahrungsmittelpreise ansteigen und die Menschen das Gefühl haben, die Regierung tut nicht genug. Das könnte politische Instabilität und Unruhen anfachen.

Welche Länder sind besonders gefährdet?

Smith: Orte, wo die Autoritäten als willkürlich oder schwach wahrgenommen werden. Das trifft zum Beispiel auf einige Regierungen in Südost- und Zentralasien zu. Oder auf Länder wie Indien und Pakistan, wenn sich das Virus dort ausbreitet. Gefährdet sind auch Teile des Nahen Ostens und Nordafrikas, wo es bereits Unsicherheit und Unruhen gibt. Das gilt ebenfalls für einige Länder in Subsahara-Afrika wie Mali, Kamerun oder Nigeria.

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