Washington. Im US-Südstaat Georgia ist der schwarze Ahmaud Arbery von Weißen erschossen worden. Nach einem Handyvideo gab es nun Festnahmen.
Es geschieht nicht häufig, dass sich amerikanische Präsidentschaftskandidaten offensiv in unaufgeklärte Tötungsdelikte einmischen. Joe Biden machte am Mittwoch eine Ausnahme. Nachdem ein Handy-Video aus dem Südstaat Georgia in sozialen Netzwerken hohe Wellen schlug, bezog der designierte demokratische Herausforderer von Donald Trump Position.
„Ahmaud Arbery wurde kaltblütig ermordet”, schrieb Biden (77) auf Twitter und verlangte eine „zügige, umfassende und transparente Untersuchung” inklusive Anklage der mutmaßlichen Täter. Dazu wird es jetzt kommen. Mit 74 Tagen Verspätung.
Ahmaud Arbery wurde auf offener Straße beim Joggen erschossen
Vor mehr als zehn Wochen wurde der 25-jährige Arbery in der Nähe von Brunswick am hellichten Tag und auf offener Straße beim Joggen erschossen. Nach massivem öffentlichen Druck durch Medienberichte, schwarze Senatoren, Kongress-Abgeordnete und Prominente wie Basketballstar LeBron James und Justin Timberlake wurden am Donnerstag die mutmaßlichen Täter vom Landeskriminalamt (GBI) Georgias festgenommen und ins Gefängnis von Glynn County gesteckt. Es handelt sich bei den beiden Männern um einen pensionierten Ex-Polizisten und dessen Sohn. Beide sind weiß.
Gregory McMichael (64) und seinem Sohn Travis (34) werden Mord und schwere Körperverletzung zur Last gelegt. Im Falle eines Prozesses und einer Verurteilung drohen den beiden Männern lebenslange Freiheitsstrafen. Am Freitag will der jetzt zuständige Staatsanwalt Tom Durden in Brunswick bei einer Pressekonferenz Details nennen.
Ahmaud Arbery: Polizei hatte Handyvideo der Tat zurückgehalten
Dabei erwarten nicht nur lokale Medien Antworten auf die Frage, die spätestens seit Bekanntwerden eines teilweise verwackelten Handy-Videos über die an Lynchjustiz erinnernde Tat landesweit gestellt wird: Wie konnten Jackie Johnson und George Barnhill, beide weiß, den Fall schleifen und die Täter unbehelligt lassen?
Die zunächst zuständige Bezirksstaatsanwältin, die im Sommer zur Wiederwahl steht, hatte sich für befangen erklärt, weil einer der Todesschützen für sie persönlich als Ermittler gearbeitet hatte. Ihr „Nachfolger” Barnhill argumentierte ähnlich, stellte jedoch in einer Art Rechtsgutachten Gregory McMichael und seinem Sohn Travis einen Persilschein aus. Tenor: Es geben keinen „hinreichenden Verdacht”, um gegen Vater und Sohn vorzugehen. Die Gesetze Georgias erlaubten es Normalbürgern, einen potenziellen Straftäter dingfest machen zu wollen. Wenn es dabei zu einer Notwehrsituation komme, bei der geschossen wird – dann sei das tragisch, aber legal.
Ahmaud Arbery: Bezirksstaatsanwälte unter starker Kritik
Barnhills Lesart ist inzwischen von Jura-Professoren und Strafrechtlern als absurd zerrissen worden. Sie beziehen sich dabei auf das, was bisher bekannt ist – durch die Täter. Das Opfer, das am Freitag 26 Jahre alt geworden wäre, kann sich nicht mehr äußern.
Danach haben Gregory McMichael und sein Sohn Travis, beide Weiße, am 23. Februar in Ahmaud Arbery einen Einbrecher vermutet, der bereits mehrfach in der Gegend zugeschlagen habe. Bewaffnet mit einer Schrotflinte und einem Magnum-Revolver hätten sie den Schwarzen zur Rede auf der Straße stellen wollen. Dabei sei es zu einem Handgemenge gekommen, weil Arbery gewalttätig geworden sei. Aus Notwehr hätten sich drei Schüsse gelöst. Sekunden später brach der ehemalige Football-Spieler tödlich getroffen auf dem Asphalt zusammen.
Facetten dieser unbestätigten Erzählung sind auf dem Handy-Video zu sehen, dessen Brutalität sich am Donnerstag bis ins Weiße Haus herumgesprochen hatte. „Sehr traurige Sache”, gab Präsident Donald Trump zu Protokoll.
Die knapp 30 Sekunden lange Aufnahme war seit Februar in Polizeibesitz, aber unter Verschluss gehalten worden. Auf den Auslöser soll ein Nachbar/Freund der McMichaels, William Bryan, gedrückt haben, der bis gestern noch auf freiem Fuß war. Ein ortsansässiger Anwalt, Alan Tucker, hatte das Video am Dienstag auf eigene Faust über einen lokalen Radiosender öffentlich gemacht. Begründung: „Weil fehlerhafte Anschuldigungen und Vermutungen meine Gemeinde zerreißen.”
Ahmaud Arberys Familie spricht von Rassismus und Selbstjustiz
Familie und Freunde des Opfers sprechen von rassistisch motivierter Selbstjustiz, von einem Hassverbrechen. „Dieser mordgierige Vater und sein Sohn haben das Gesetz in die eigenen Hände genommen”, sagte der Anwalt Ben Crump. Wanda Cooper-Jones, die Mutter, erklärte, ihr Sohn sei an besagtem Sonntag beim Joggen gewesen und völlig unschuldig.
Prominente schwarze Wortführer wie der Publizist Shaun King hatten den Fall landesweit öffentlich gemacht und in sozialen Medien eine Kampagne gestartet. Wann der Fall einer Geschworenen-Jury vorgelegt wird, um die McMichaels formal anzuklagen, steht noch nicht fest. Wegen der Corona-Krise ist die Justiz in Georgia bis 12. Juni im Dämmerschlaf.
Die schwarze Bürgerrechts-Organisation N.A.A.C.P. betonte, mit der Festnahme der Täter sei nur ein erster Schritt getan. Bis zum einem Urteil sei es noch ein weiter Weg. „Wir werden nicht zulassen, das Afro-Amerikaner in diesem Bundesstaat ermordet werden und die Täter Straffreiheit erlangen”, sagte N.A.A.C.P.-Funktionär Gerald Griggs in Atlanta.
Rassismus in den USA – Mehr zum Thema:
Immer wieder ist die US-Polizei in Rassismus-Skandale verwickelt. Zuletzt hatte im August 2019 das Foto eines afro-amerikanischen Mannes, der von Polizisten an einem Strick abgeführt wird, für Entsetzen gesorgt. Kurz zuvor war weltweit über Präsident Donald Trump und seine Hetze gegen Demokratinnen mit Migrationshintergrund berichtet worden.