Berlin. Der Staatsschutz ermittelt wegen Drohbriefe an Politiker. Darin heißt es: „Ausreichend Munition, um jeden Adressaten zu liquidieren“.
Der Absender macht keinen Hehl aus seiner politischen Gesinnung. „Sieg Heil“ und „Heil Hitler“ – so sollen die Drohbriefe unterschieben sein. Der oder die Verfasser schreiben, man habe ausreichend Munition, um jeden der Adressaten zu töten.
Die Briefe im terroristischen Duktus wurden in der vergangenen Woche an zwei Bundestagsabgeordnete, je einen Landtagsabgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern und Bayern, die Staatsanwaltschaft Schwerin sowie neun Redaktionen und eine Berliner Rechtsanwaltskanzlei verschickt. Über die Briefe berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Der Staatsschutz hat demnach Ermittlungen wegen neuer rechtsextremer Drohbriefe aufgenommen. Die Morddrohungen richteten sich gegen Politiker, Staatsanwälte und Journalisten. Die gleichlautenden Briefe stammen demnach vom sogenannten „Staatsstreichorchester“.
Bombendrohungen gegen Gerichte und Ämter
Die Gruppe war schon in der Vergangenheit durch ähnliche Morddrohungen aufgefallen. In den vergangenen Monaten waren immer wieder Drohbriefe aufgefallen, anonym verschickt, mal unterzeichnet mit „NSU 2.0“, „Nationalsozialistische Offensive“, „Elysium“ – und eben wie jetzt mit „Staatsstreichorchester“. Es waren Morddrohungen und Bombendrohungen – gegen Gerichte, gegen Ämter, gegen Vertreterinnen und Vertreter des Staates. Sprengsätze fand die Polizei bisher allerdings in keinem Fall.
Wer steckt dahinter? Im Visier ist derzeit ein mutmaßlich gewaltbereiter Extremist, der den Sicherheitsbehörden schon vor der Serie an Drohungen mit Briefen bekannt war. So hatte unter strengen Sicherheitsvorkehrungen Mitte April am Landgericht Berlin der Prozess gegen Andre M. aus Halstenbek begonnen, der als Apfelfestbomber und Feuerteufel von Rellingen traurige Berühmtheit erlangte.
Der Vorwurf: Er soll für eine der bundesweiten Serien von rechten E-Mails verantwortlich sein, in denen er mit Sprengstoffanschlägen und Tötungsdelikten gedroht haben soll. Andre M. werden 107 Taten vorgeworfen, die sich zwischen Dezember 2018 und seiner Verhaftung im April 2019 abgespielt haben sollen.
Nun tauchen die neuen Briefe auf. Offensichtlich ist die Serie an Drohungen nicht mit der Festnahme von Andre M. beendet. Offenbar gibt es weitere Täter. In den jetzigen Schreiben an Staatsanwaltschaften, Politiker und Redaktionen heißt es laut RND, die Absender hätten ausreichend Munition, um jeden der Adressaten zu liquidieren. Die Schreiben würden vom Bundeskriminalamt (BKA) und mehreren Landeskriminalämtern untersucht.
Im Januar hatte der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby eine ähnliche Morddrohung vom „Staatsstreichorchester“ erhalten. Im vergangenen Oktober 2019 hatte Thüringens CDU-Chef Mike Mohring eine Drohung durch den mutmaßlich selben Absender publik gemacht.
Drohungen auch von anderen rechtsextremen Gruppen gegen Politiker
Und auch andere rechtextremistische Gruppierungen fallen mit massiven terroristischen Drohungen auf. So etwa die selbsternannte „Atomwaffen Division“. Im Visier: die beiden bekannten Grünen-Politiker Cem Özdemir und Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth. Unsere Redaktion berichtete damals über die Vorfälle.
Drohmails wurden laut Absender vom Neonazi-Netzwerk „Atomwaffen Division Deutschland“ unterzeichnet, gingen am 27. Oktober ein und nahmen Bezug aufeinander. Wörtlich hieß es in dem Schreiben an Roth: „Sie sind zurzeit Platz zwei auf unserer Abschussliste.“ Die Politikerin wird darin aufgefordert, sich bis Ende dieser Woche mit einer schriftlichen Erklärung in den sozialen Medien „klar von den Grünen zu distanzieren“.
Vom Duktus her erinnert das Schreiben an die Drohungen des nun genannten „Staatsstreichorchesters“. In den USA gilt die „Atomwaffen Division“ als extrem gewaltbereit. Doch Recherchen von Medien belegen auch einen deutschen Ableger der Neonazi-Gruppe. Im Sommer 2018 tauchte ein entsprechendes Rekrutierungsvideo im Internet auf. Darin ließ sich ein vermummter Mann mit technisch verzerrter Stimme über den Nationalsozialismus aus und sprach von „gewetzten Messern“.
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