Washington. Anthony Fauci soll vor dem US-Kongress über Trumps Krisenmanagement in der Corona-Krise sprechen. Doch ihm wurde ein Maulkorb verpasst.

In punkto Vertrauenswürdigkeit kann Donald Trump ihm laut Umfragen nicht das Wasser reichen. Dr. Anthony Fauci, Chef des Instituts für Allergie- und Infektionserkrankungen am Nationalen Gesundheitsinstitut (NIH) in Bethesda nahe Washingtons, ist seit Wochen der heimliche Star im Coronavirus-Krisenmanagement der US-Regierung.

Wenn der 79-Jährige, der vor Trump bereits fünf andere Präsidenten beraten hat, mit wundgeraspelter Stimme vor die Kamera tritt und den aktuellen Stand der Epidemie referiert (und wie man sie am besten eindämmen kann), hört Amerika zu und gibt Vertrauensvorschuss.

Hauptgrund: Fauci scheut sich nicht, dem Präsidenten zu widersprechen, wenn es ihm wissenschaftlich begründbar geboten erscheint. Seit Wochen gibt der New Yorker mit italienischen Wurzeln den dezenten Mahner, wenn Trump, seine Minister oder republikanische Kongress-Abgeordnete einer schnellen Aufhebung der Einschränkungen des öffentlichen Lebens das Wort reden. Wer zu früh öffne, so Faucis Credo, riskiere ein erneutes Ansteigen der Kurve bei Infizierten und Todesopfern.

Donald Trump will nicht, dass der Experte vor dem Kongress spricht

Diesen Tenor hätte der durch seine Arbeit in der Aids-Bekämpfung in den 80er Jahren weltbekannt gewordene Mediziner auch in der kommenden Woche bei einer Kongress-Anhörung wiederholt, zu der ihn die Demokraten im Repräsentantenhaus eingeladen haben.

Allein, Fauci hat Redeverbot. Das Weiße Haus, sprich: Trump, hat dem Top-Regierungsberater verboten, vor einem Unterausschuss aufzutreten, der sich gesondert mit dem Krisenmanagement Trumps beschäftigen will.

Hintergrund: Dem Präsidenten werden in der Frühphase der Epidemie auch von Wissenschaftlern schwere Versäumnisse und Ignoranz vorgeworfen. Beides habe maßgeblich dazu beigetragen, dass Amerika weltweit die meisten Corona-Infizierten und -Toten aufweise, sagen die Demokraten. Trump bestreitet das und spricht von Wahlkampf-Geklingel.

US-Präsident hat schon bei Ukraine-Affäre Maulkörbe verteilt

Ein Sprecher der Regierung nannte die Einbestellung Faucis zu diesem Zeitpunkt „kontraproduktiv”, nannte aber keine Details. Trump hatte von derlei Maulkorb-Verfügungen, die keiner besonderen Legitimierung bedürfen, bereits bei den Ermittlungen zur Ukraine-Affäre Gebrauch gemacht, die ihm ein Amtsenthebungsverfahren eingetragen hatte.

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Die Demokraten reagierten verstimmt auf die Intervention des Weißen Hauses und stellten die Frage in den Raum, wovor Trump eigentlich Angst habe, wenn er seinem wichtigsten Ratgeber in der Corona-Krise Sprechverbot erteilt. Insider vermuten, dass Trump verhindern will, dass Fauci Argumente verstärkt, die der Präsident so nicht teilt oder politisch gerade nicht gebrauchen kann.

Anthony Fauci ist gegen das Ende von Ausgangssperren

Als da wären: Fauci pocht auf massive Ausweitung von Corona-Tests und hat bis zuletzt bestätigt, dass Amerika trotz enormer Fortschritte hier immer noch im Hintertreffen ist. Trump tut dagegen so, als seien die USA hier weltweit führend.

Außerdem ist Fauci nicht geheuer, dass immer mehr Bundesstaaten Ausgehsperren aufheben, obwohl ein Kern-Kriterium, das von Trump ausgegeben wurde, nicht erfüllt ist: Danach muss ein Bundesstaat über 14 Tage einen Rückgang bei Infektionen und Toten nachweisen, bevor die Restriktionen zum ersten Mal leicht gelockert werden können.

Fauci befürchtet, dass bei übereilten Entscheidungen erzielte Erfolge bei der Eindämmung der Seuche binnen weniger Wochen zunichte gemacht werden könnten.

Donald Trump hingegen ist Verfechter der These, dass die wirtschaftliche Strangulierung Amerikas, die bereits über 30 Millionen Arbeitslose gebracht hat, so schnell wie möglich beendet werden muss. Die Therapie gegen Corona, sagt er, dürfe nicht schlimmer sein als die Krankheit an sich.