Washington. Nirgends wütet die Coronavirus-Pandemie derzeit so schlimm wie in den USA. Das liegt auch am Reden und Handeln von Präsident Trump.
- In den USA breitet sich das Coronavirus mit einer rasanten Geschwindigkeit aus
- Bis zum Montagmittag waren mehr als 367.620 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, fast 11.000 sind bereits an den Folgen der Lungenkrankheit gestorben
- Experten prognostizieren, dass alles noch schlimmer kommen könnte: Täglich könnte es bis zu 2600 Tote geben
- Aus vielen Krankenhäusern der Stadt werden seit Tagen alarmierende Hilferufe laut
- US-Präsident Donald Trump übt sich in Kriegsrhetorik und stimmt seine Landsleute auf ein Massensterben ein
- Das Credo des US-Präsidenten in der Corona-Krise: „Die Therapie darf nicht schlimmer sein als das Problem”
Im Zweiten Weltkrieg appellierte der britische Premierminister Winston Churchill an seine Landsleute, sich Hitler-Deutschland entgegenzustemmen – und mit „Blut, Schweiß und Tränen“ den Krieg zu gewinnen. Donald Trump, der sich in der Coronavirus-Katastrophe, die in den USA bei mehr als 360.000 Infektionen bislang fast 11.000 Menschen getötet hat, als „Kriegspräsident” gegen einen „bösartigen, unsichtbaren Feind” empfindet, geht anders vor.
In einem Atemzug bereitete Trump, dem über Wochen Zaudern und Zögern in der Coronakrise vorgeworfen wurden, seine Landsleute in dieser Woche auf ein Massensterben vor: „Es wird viele Tote geben. Schreckliche Zeiten stehen bevor, Wir haben wahrscheinlich noch nie in der Geschichte dieses Landes solche Zahlen gesehen”, sagte Trump am Samstag im Weißen Haus.
Trump zu Coronavirus: „Die Therapie darf nicht schlimmer sein als das Problem”
Gleichzeitig ließ er zum Missfallen seiner obersten Seuchen-Experten erkennen, dass die (bis auf wenige Bundesstaaten) für fast 300 Millionen Amerikaner geltenden Einschränkungen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens unbedingt zeitlich begrenzt werden müssten.
„Wir werden unser Land nicht zerstören. Die Therapie darf nicht schlimmer sein als das Problem”, erklärte Trump diffus und kündigte an: “Zu einem bestimmten Zeitpunkt werden wir einige harte Entscheidungen zu treffen haben”. Aktuelle News zum Coronavirus in den USA im Newsblog.
Dahinter steckt laut Experten der Washingtoner Georgetown-Universität offenbar „die bewusste Inkaufnahme von weiteren Infektionen und Toten, wenn Wirtschaft und Alltag frühzeitig wieder hochgefahren werden, ohne dass das Virus bis dahin besiegt ist”. Bei seinen Anmerkungen beruft sich Trump auf seine wichtigsten Berater, Deborah Birx und Anthony Fauci.
Coronavirus in den USA: Experten rechnen mit 2600 Toten – pro Tag
Sie sagen voraus, dass bis Mitte dieses Monats bis zu 2600 Amerikaner ihr Leben wegen Corona verlieren könnten – pro Tag. Rechenmodellen einer Universität im Bundesstaat Washington an der Westküste zufolge, sei bis Juni mit 90.000 Toten zu rechnen. Fast doppelt so viele Opfer, wie Amerika im Vietnamkrieg zu beklagen hatte. Zum Vergleich: weltweit hat das unter dem Kürzel Sars-CoV-2 bekannte Virus bisher etwa 65.000 Opfer gefordert.
Das sind die US-Präsidenten seit 1945
Unverändert gilt in Amerika der Bundesstaat New York mit der Acht-Millionen-Metropole New York City als „Ground Zero“ der Pandemie. Hier wurden bisher mehr als 115.000 Infektionen und mehr als 3500 Tote registriert. Gouverneur Andrew Cuomo erwartet den Höhepunkt in den kommenden sieben Tagen.
New Yorks Krankenhäuser flehen um Hilfe
Trotz Hilfs-Krankenhäusern (beispielsweise im Central Park) und einem Marine-Lazarettschiff mit 1000 Betten ist die Versorgung der Patienten in New York City nicht gewährleistet, sagt der Demokrat und beklagt zum x-ten Mal, dass die Katastrophenschutzbehörden in Washington nicht genügend Beatmungsgeräte zur Verfügung stellen, um Schwererkrankte vor dem Tod zu bewahren.
Aus vielen Krankenhäusern der Stadt werden seit Tagen alarmierende Hilferufe laut: „Zu wenig Personal, zu wenig Material, viele zu viele Fälle.” Am Wochenende bewerkstelligte der chinesische Milliardär Jack Ma den Transport von 1000 „ventilators” (Beatmungsgeräte) zum John F. Kennedy-Flughafen. Der kleine Westküsten-Bundesstaat Oregon ließ 140 Geräte gen Osten verschiffen.
Trump reagiert dünnhäutig auf Kritik
Gouverneur Cuomo befürchtet den Offenbarungseid Ende dieser Woche – dann gingen der Stadt endgültig die Beatmungsgeräte aus. Trump reagiert auf solche Kritik konstant allergisch, kanzelt nachfragende Journalisten als „gemein” ab und schießt aus vollen Rohren zurück.
Tenor: Cuomo und viele andere Gouverneure seien unersättlich bei ihren Wünschen an die Zentralregierung, dabei hätten sie selber Vorsorge treffen sollen. Trotzdem schickte Trump am Samstag 1000 Militär-Ärzte und -Pfleger nach New York. Darum gefährdet die Corona-Krise Donald Trumps Wiederwahl.
Unter Wissenschaftlern und Ärzten gelten die inflationär irreführenden Äußerungen des Präsidenten als große Erschwernis, um das Land von den Kommunen bis zur Zentralregierung auf eine einheitliche Corona-Strategie einzuschwören. Jüngste Beispiele: Obwohl die Schutzwirkung nach wie vor nicht erwiesen ist, hat die Seuchenschutzbehörde CDC am Wochenende der Bevölkerung dazu geraten, generell in der Öffentlichkeit Atemschutzmasken zu tragen. So kann man sich Corona-Mundschutz selbst machen - Anleitung der Stadt Essen
Trump will freilich keine Schutzmaske tragen
Anstatt sich hinter den Rat zu stellen, betonte Trump, dass der Gebrauch von Masken völlig „freiwillig“ sei. Er selbst habe sich entschieden, „es nicht zu tun”. Begründung: Er wolle nicht hinter einer Maske sein, wenn er „Präsidenten, Ministerpräsidenten, Diktatoren, Könige und Königinnen grüßt”. Nichtsdestotrotz wendet der Präsident bei der Beschaffung gerade von Schutzmasken rabiate Methoden an.
So wurde die ihre Produkte global vertreibende US-Firma 3M genötigt, nur noch für den US-Markt zu produzieren. “Wir brauchen die Masken, wir wollen nicht, dass andere Leute sie bekommen”, sagte Trump, „und wenn wir nicht kriegen, was wir für unsere Bevölkerung benötigen, werden wir sehr unangenehm.” Darum gefährdet die Corona-Krise Donald Trumps Wiederwahl
New York rückt andere Corona-„Hotspots” in den Hintergrund
Europäische Regierungen werfen Trump darum „Wildwest-Methoden” vor, weil er den Export von Gesichtsmasken und anderer Schutzkleidung untersagt hat. In einem anderen Fall mit hoher Medienwirksamkeit betätigte sich Trump am Samstag erneut als medizinischer Laien-Ratgeber und rief ernsthaft zur Einnahme von Hydroxychloroquin (HCQ) auf.
Obwohl sein Chef-Virologe Anthony Fauci davor warnt, die bisher nur in Einzelfällen als positiv dokumentierte Wirkung des Anti-Malaria-Mittels gegen Corona-Symptome zu verallgemeinern, da es noch keine verlässlichen Studien gibt.
Trump deutete erstmals an, er wolle das Präparat selber vorbeugend einnehmen. Unterdessen macht den Seuchen-Experten des Präsidenten zu schaffen, dass die mediale Konzentration auf den „Hotspot” New York in den Hintergrund gerückt hat, dass es mit Detroit, Miami oder New Orleans andere Großstädte mit dramatisch steigenden Infektionszahlen gibt.
Massengottesdienste trotz Coronavirus: Evangelikale setzen auf Gott
Weil Patienten mit schweren Symptomen in der Regel drei Wochen nach der Ansteckung sterben, sagt die Trump-Beraterin Birx, sei dort bis in den Mai hinein mit steigenden Totenzahlen zu rechnen. Birx bekräftigte die Einhaltung der Vorschriften zur „sozialen Distanzierung”. Nur so könnte die Infektionskurve abgeflacht werden.
In Baton Rouge im besonders gefährdeten Bundesstaat Louisiana wollte Tony Spell am Sonntag einen heftig angefeindeten Kontrapunkt setzen. Der evangelikale Pastor der „Life Tabernacle”-Kirche lud seine 1000 Gemeinde-Mitglieder am Palmsonntag zu drei Gottesdiensten ein. Gott werde die Gläubigen vor dem Virus beschützen, sagte er.
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