Berlin. Wie geht es in Deutschland in der Coronavirus-Krise weiter? Dieser Frage hat sich das Corona-Krisenkabinett der Bundesregierung gewidmet.
Ostern rückt näher, die 14-tägige Quarantäne von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist zu Ende – die Corona-Krise hingegen noch lange nicht. Die Zahl der mit dem Virus infizierten Bürger steigt. Am Montag überschritt sie die 100.000er-Grenze. „Wir leben weiter in der Pandemie“, stellte Merkel klar. Am Dienstag nach Ostern will sie mit den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer darüber beraten, ob und wann die zumeist bis zum 19. April datierten Kontaktauflagen reduziert werden.
Die Sehnsucht nach Normalität ist groß, das Symbol für den Alltag in Zeiten von Corona ist eine Maske: der Mundschutz. Deutschland will bei der Produktion der Masken autark werden, wie das Krisenkabinett klargemacht hat. Die Beschlüsse und Merkels Positionen im Einzelnen.
Corona-Maßnahmen: Exit-Strategie ohne Enddatum
Zur Exit-Strategie nur so viel: Das öffentliche Leben wird nicht abrupt, sondern schrittweise hochgefahren. Merkel wäre nach ihren eigenen Worten eine schlechte Bundeskanzlerin, „wenn wir jetzt schon ein Datum nennen würden“. Vor allem glaubt sie, dass sich die Diskussion drehen würde, wenn mehr Menschen sterben, weil das Gesundheitssystem überfordert wird.
Merkel will keine Auflagen erst lockern und dann wieder neu anordnen müssen. Auch Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hat vor einer Lockerung der Corona-Regelungen gewarnt. „Es gibt derzeit keinen Grund zur Entwarnung“, sagte er unserer Redaktion. Nach wie vor seien die Infektionszahlen sehr hoch, und mit einem schnellen Rückgang sei nicht zu rechnen. Es dürfe kein Risiko eingegangen werden.
Garantie für die Maskenhersteller
37 Millionen Masken sind zuletzt eingetroffen. Die weltweite Beschaffung des Mundschutzes läuft auf Hochtouren. Merkel hat aus dem Verlauf der Krise gelernt, „dass wir eine gewisse Souveränität brauchen, eine Säule der Anfertigung“.
Eine Reihe von Unternehmen hat angeboten, bei der Produktion einzuspringen. Damit sie Planungssicherheit haben, will ihnen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen Rahmenvertrag bis Ende 2020 anbieten. Das läuft auf eine Abnahmegarantie hinaus. Der Bund will zudem sicherstellen, dass auch die Ausgangsstoffe für die Produktion erhältlich sind.
Meldepflicht für Intensivbetten
Derzeit sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums 10.000 Betten in der Intensivmedizin frei. Bisher werden sie freiwillig gemeldet. Auf der Internetseite divi.de kann jeder mittels eines Ampelfarbsystems die Auslastung der einzelnen Krankenhäuser verfolgen. Jetzt will Spahn die Kliniken verpflichten, ihre Kapazitäten täglich zu melden.
„Wenn alle transparent zusammenarbeiten, gelingt eine bessere Versorgung“, sagte er. Gestern hatten 1015 der 1160 Krankenhäuser freie Betten angemeldet. Der Bund will keinen Ausgleich zwischen den Hospitälern organisieren. Das ist Sache der Länder.
Quarantäne für Einreisende
Nach zweiwöchigem Hickhack hinter den Kulissen hat sich Innenminister Horst Seehofer (CSU) mit seiner Forderung durchgesetzt, allen Einreisenden eine 14-tägige Quarantäne vorzuschreiben. Das Krisenkabinett betonte, der Bund sei daran interessiert, „dass wir ein einheitliches Vorgehen haben“. Tatsächlich kann eine Quarantäne nicht von der Bundespolizei angeordnet werden, sondern nur von den örtlichen Gesundheitsämtern. Seehofer ist darauf angewiesen, dass alle 16 Bundesländer mitziehen.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) feiert es als Erfolg, dass er Schließungen an den Grenzen nach Holland und Belgien verhindert hat. „Der Kampf hat sich gelohnt, die Grenze bleibt offen – ein guter Tag für Nordrhein-Westfalen!“, twitterte er. Seit Mitte März hat die Bundespolizei 70.000 Menschen an den Grenzen nach Österreich, Schweiz, Frankreich, Luxemburg und Dänemark abgewiesen.
Passieren dürfen hier neben dem Gütertransport nur noch Berufspendler und Menschen mit einem unaufschiebbaren Termin oder mit einem triftigen Grund (etwa eine neue Arbeit). Tschechien und Polen haben ihre Grenzen nach Deutschland geschlossen. Aber an den Übergängen nach Holland, Belgien und nach Schweden gilt weiter die Reisefreiheit, künftig mit der Quarantäne-Auflage. Das gilt auch für Menschen, die an deutschen Flughäfen ankommen.
Sofortkredite für den Mittelstand
Die bisherigen Hilfsprogramme haben strukturell einen Nachteil: Der Staat haftete nur zu 90 Prozent für die Kredite. Das bedeutet, dass die Banken für die restlichen zehn Prozent die Antragsteller prüfen mussten. Das ist aufwendig, dabei vergeht Zeit, „die nicht jeder hat“, erkannte Finanzminister Olaf Scholz (SPD).
Überfordert werden gerade kleinere Unternehmen. Damit deren Liquidität nicht leidet, haben Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ein Schnellkreditprogramm aufgelegt: Wer schon 2019 wirtschaftlich aktiv war, Umsätze machte, Gewinne erzielte und kreditwürdig war, soll schnell und unbürokratisch Kredite von bis zu 500.000 Euro (bis zu einer Größe von 50 Mitarbeitern) erhalten, für noch größere Betriebe sogar 800.000 Euro. Und ab jetzt bürgt der Bund zu 100 Prozent.
Europaweite Corona-App
„Ein ganz zentraler Baustein“ ist nach den Worten von Regierungssprecher Steffen Seibert die sogenannte Corona-App – also die Möglichkeit, die Kontaktpersonen von Erkrankten digital zu erfassen, und zwar anonym und nur freiwillig.
Noch vor Ostern soll eine technische Rahmenarchitektur vorliegen, auf die dann die Apps aufsetzen würden. In Deutschland bereiten das Robert-Koch-Institut und das Heinrich-Hertz-Institut eine solche App vor. Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) machte aber klar, dass man eine europaweite Lösung brauche. Technisch ist das gewährleistet. Hintergrund: Die neue Hoffnung der Tracking-Apps in der Coronavirus-Krise
Lockerung beim Kurzarbeitergeld?
Der CDU-Wirtschaftsrat forderte für Mittelständler, die über keinen Betriebsrat verfügen, die Möglichkeit, Werke oder Betriebseinheiten in Kurzarbeit zu schicken. Der Generalsekretär des Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, erklärte unserer Redaktion: „Gerade in der gegenwärtigen Krisensituation ist es unsäglich, dass Mittelständler ohne Betriebsräte nicht als Ganzes in Kurzarbeit gehen können, sondern sich um einzelvertragliche Regelungen mit jedem Arbeitnehmer bemühen müssen. Stimmen Beschäftigte nicht zu, laufen für sie die Personalkosten weiter wie bisher.“ In der jetzigen Corona-Krise sei das „absolut existenzgefährdend“. Die Bundesregierung sei gefordert.
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