Berlin. Das Coronavirus ist schnell und kennt keine Grenzen. Aber Tracking durch spezielle Handy-Ortungs-Apps kann uns Zeit verschaffen.
Hoffnung ist wertvoll. Ein heiliger Rasen. Bitte nicht zertrampeln. Die Hoffnung dieser Tage ist klein, aber real und ein Kind ihrer Zeit: eine App. Sie ist keine Einbildung oder Glaubenssache, sie ist begründet, sogar empirisch belegt. Südkorea und Singapur machten es vor: Die Ausbreitung des Coronavirus mit Handy-Ortungs-Apps wurde eingedämmt.
Ein Leben nach Sars-CoV-2 ist nicht in Sicht – nur eine Rückkehr zur Normalität mit/neben dem Virus. Das setzt voraus, dass sich alle über eine längere Zeit schützen, neue Infektionsketten früh entdeckt und unterbunden werden. Handy-Tracking hilft, Kontaktpersonen zu orten und schnellstmöglich zu warnen. Die App ist nur eine Informationsübermittlung. Der Erfolg hängt davon ab, ob viele Bürger mitmachen.
Coronavirus: Fallzahlen verdoppeln sich alle sechs Tage
Singapur ist wie das ebenfalls erfolgreiche Taiwan ein Inselstaat, Südkorea eine Halbinsel, (verkehrs)politisch hat es eine Insellage. Diese Staaten haben es geografisch leichter, sich abzuschotten, vor allem sind sie rigoros. Wer infiziert ist, muss in Singapur ins Krankenhaus.
Wer in häuslicher Quarantäne ist, weil er Kontakt zu einem Infizierten gehabt hat, wird von den Behörden über sein Smartphone kontrolliert. Es ist dort ein Überwachungstool. Wenn man nur auf die Seucheneindämmung achtet, ist ein Kontrollregime wie in Singapur das Maximum. Aber ist es auch das Optimum?
Diese Frage beantwortet jede Gesellschaft anders. In Deutschland hat man sich davor zurückgescheut, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Das System, das ein Netzwerk von Wissenschaftlern gestern vorgestellt hat, wird dieser Befindlichkeit gerecht, weil es Freiwilligkeit, Anonymität, Staatsferne verspricht. Jeder entscheidet selbst, ob und wie lange er seine anonymen Daten freigibt, um andere zu warnen.
Er hat keinen Schaden und wird nicht an den Pranger gestellt. Dies ist eine Geschäftsgrundlage, die uns politisch schon eher geheuer ist. Wenn die App hält, was sie verspricht, wird sie Akzeptanz finden. Das darf man sich jedenfalls wünschen.
Tracking würde uns einen Zeitgewinn verschaffen
Noch gibt es die Corona-App nicht. Gäbe es sie, könnte sie ihre Stärken nicht ausspielen. Die Fallzahlen verdoppeln sich alle sechs Tage. Die Behörden kommen nicht mehr nach, alle Risikofälle zu testen und die Kontaktwege der Infizierten zu verfolgen. Wir leiden unter Kontrollverlust. Der Staat konzentriert seine Anstrengungen darauf, genug Behandlungsplätze zu sichern. Es soll keiner sterben, weil kein Bett frei, kein Arzt zur Seite oder kein Beatmungsgerät da ist.
Am 20. März hat Bayern Ausgangssperren verhängt. Das ist 14 Tage her, die Spanne der Inkubationszeit. Wenn die Auflagen im Freistaat und danach in anderen Ländern befolgt wurden, müssen die Kontakte zurückgegangen sein, damit auch die Zahl der Neuansteckungen. Wenn das so eintritt, werden die Behörden sich darauf konzentrieren, jeder gemeldeten Infektion nachzugehen und weitere Ansteckungen zu unterbinden. Da würde die App helfen. Tracking würde uns einen Zeitgewinn verschaffen.
Der Gesamterfolg hängt nicht von einer Applikation ab, sondern von der Strategie. Es gibt zwei im Kampf gegen Corona: Unterdrückung und Abschwächung. China hat sich für den ersten Ansatz entschieden. Welche die Bundesländer und die Bundesregierung verfolgen, ist nicht so klar.
Erst Abschwächung, zuletzt Unterdrückung, indes nicht mit letzter Konsequenz: In Bayern gibt es Ausgangssperren, woanders Kontaktauflagen, an der Grenze nach Luxemburg gilt ein strenges Regime, nach Holland nicht. Obendrein hält ein Teil der Bürger die Corona-Warnungen immer noch für einen Medienhype.
Wir sind zu halbherzig. Es fehlt an Konsequenz. Die App dafür muss erst noch erfunden werden.
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