Washington. Donald Trump will die USA in der Corona-Krise mit einem Milliarden-Rettungsprogramm stabilisieren. Es droht eine schlimme Rezession.

Wenn Amerika hustet, bekommt Europa eine Grippe. Das Bild, mit dem Ökonomen lange die Abhängigkeiten der Welt von einer ihrer größten Volkswirtschaften beschrieben haben, wirkt im Zeitalter des Coronavirus fast schon verharmlosend. Die Vereinigten Staaten sind durch eigenes Verschulden – späte Tests, Verharmlosung des Erregers durch Präsident Donald Trump – selbst auf dem besten Weg zur (Corona) Grippe.

Schon im nächsten Quartal wird die Wirtschaftsleistung um 14 Prozent schrumpfen, sagen Analysten der Bank JP Morgan. Amerika stehe vor der schlimmsten Rezession seit der Weltfinanzkrise 2008. Das Peterson Wirtschaftsinstitut in Washington befürchtet bis zum Sommer mehrere Millionen Arbeitslose. Droht dem Rest der Welt, dessen Wertschöpfungsketten traditionell eng mit den USA und der Leitwährung Dollar verbunden sind, wirtschaftlich damit eine Lungenentzündung?

Coronavirus in den USA: 110 Milliarden Dollar für das Rettungsprogramm

„Viel wird davon abhängen, wie schnell und durchdacht die Regierung Trump die Reparatur-Maschine anwirft – und gleichzeitig bei steigenden Krankenzahlen den Kollaps des in der Breite untauglichen Gesundheitssystems verhindert”, heißt es unter Experten der Denkfabrik Brookings, „ob die Stabilisierung der Lage gelingt, ist offen.”

Bisher ist nur die Ambition klar: Weißes Haus und Kongress haben nach ersten Linderungsmaßnahmen im Volumen von 110 Milliarden Dollar ein beispielloses Mammut-Rettungsprogramm im Visier, mit dem man sich den absehbaren Verheerungen der schrittweisen Stilllegung des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens entgegenstemmen will. Klotzen statt Kleckern, lautet analog zum Handeln der Notenbank die Devise.

Die „Fed” hatte zuletzt die Leitzinsen auf fast null gesenkt und den Geldmärkten Liquidität in Billionenhöhe verschafft. Die Summen, die auf der Ebene Trumps gehandelt werde, sind gigantisch. Belief sich das unter Vorgänger Obama 2009 initiierte Paket aus Steuersenkungen, Arbeitslosenhilfen und Aufträgen, Krediten und Garantien des Staates auf knapp 750 Milliarden Dollar, so geht es heute um das Doppelte – und mehr.

Coronavirus-Krise in den USA: Präsident Donald Trump stemmt sich gegen die drohende Rezession.
Coronavirus-Krise in den USA: Präsident Donald Trump stemmt sich gegen die drohende Rezession. © AFP | BRENDAN SMIALOWSKI

„Helikoptergeld” soll massenhaften sozialen Absturz verhindern

500 Milliarden Dollar sollen schon in wenigen Tagen per Scheck an Bürger verteilt werden, die maximal 100.000 Dollar im Jahr verdienen. Ein Familie mit zwei Kindern käme so auf 3400 Dollar, eine erwachsene Einzelperson auf 1200 Dollar. Trump will mit dem „Helikoptergeld” ein erstes Zeichen setzen, um den massenhaften sozialen Absturz zu verhindern. Kritiker halten das staatliche Taschengeld für „Strohfeuer”.

Klein- und mittelständische Unternehmen, die das Rückgrat der US-Wirtschaft bilden, sollen mit 300 Milliarden Dollar gestützt werden. Die angeschlagene Luftfahrtindustrie darf mit 60 Milliarden Dollar rechnen. Dazu kommen Steuerstundungen für Konzerne, Kredithilfen und andere regulatorische Lockerungen, die in der Summe noch nicht beziffert sind.

Weil Trump signalisiert hat, die schützende Hand über weitere Sektoren halten zu wollen, hat das Hotel- und Restaurantgewerbe, in dem bereits in drei Monaten nach Einschätzung von Branchenkennern bis zu fünf Millionen Menschen arbeitslos sein könnten, Staatshilfen im Umfang von 400 Milliarden Dollar erbeten. Der Dachverband der Krankenhäuser fordert 100 Milliarden Dollar, um die eklatanten Versorgungsmängel (es fehlt an Atemschutzmasken und Beatmungsgeräten) abzustellen.

Lohnfortzahlung existiert in den USA nur rudimentär

Auto-Industrie und Energiewirtschaft werden in Kürze mit Wünschen folgen. Die Liste ließe sich fortsetzen. „Am Ende wird die Rechnung noch viel, viel höher ausfallen und die Staatsschulden enorm steigen lassen”, fürchten Fiskal-Konservative in der republikanischen Partei. Was Trump nicht bekümmert. Unter seiner Verantwortung ist das Defizit seit 2017 ohnehin um rund drei Billionen Dollar (3000 Milliarden) gestiegen.

In der aktuellen Krise hält der Präsident auch die vorübergehende staatliche Beteiligung an relevanten Unternehmen für denkbar; ebenfalls ein Milliarden-Projekt. Noch nicht berücksichtigt sind bei den Zahlenkolonnen die finanzwirksamen Heftpflaster, die die oppositionellen Demokraten gezielt für Arbeitnehmer ausreichen wollen.

Dabei spielt Lohnfortzahlung eine entscheidende Rolle, die in den USA nur rudimentär existiert. Nach heutigem Stand würden laut Arbeitsmarkt-Analysten über 20 Millionen Arbeitnehmer, die in losen Beschäftigungsverhältnissen stecken oder nach Stunden bezahlt werden, bei den angedachten staatlichen Hilfsmaßnahmen durch den Rost fallen.

Arbeitslosenzahl könnte in kurzer Zeit auf 20 Prozent steigen

Ziel müsse es aber sein, alle in den nächsten Monaten auf den Gehaltslisten zu halten, sagen die führenden Demokraten Nancy Pelosi und Chuck Schumer. Mit den nötigen parlamentarischen Beschlüssen ist trotz tiefer Verstimmung zwischen Republikanern und Demokraten schon in den nächsten Tagen zu rechnen. Ein Grund: Das Coronavirus hat bereits etliche Abgeordnete infiziert. Je länger man wartet, desto größer wird das Risiko der Beschlussunfähigkeit.

Zumal die Hiobsbotschaften seit Tagen immer dramatischer werden. Landesweit schließen bereits die ersten Betriebe. Die Zahl der Arbeitslosmeldungen ist in nicht einmal einer Woche um fast 80.000 gestiegen. Wenn nicht umgehend brachial gegengesteuert wird, prophezeite Finanzminister Steve Mnuchin hinter verschlossenen Türen vor Kongress-Vertretern, könne die Arbeitslosenquote (mit 3,5 Prozent derzeit so niedrig wie seit 50 Jahren nicht) in kurzer Zeit auf 20 Prozent hochschnellen – sprich: eine zweistellige Millionenzahl.

Coronavirus könnte Trumps Wiederwahl stark gefährden

Für Trumps Wiederwahl-Ambitionen im November wäre das der Sargnagel. Dabei hatte der Präsident noch vor sechs Wochen seinen Anhängern eingetrichtert, dass Amerikas Wirtschaft mit stetem Wachstum, Börsenrekorden und steigenden Löhnen die robusteste weltweit sei. Das Coronavirus, das Trump fahrlässigerweise Ende Februar schon „so gut wie eingedämmt” und auf jeden Fall „unter Kontrolle” sah, hat die Kalkulation des selbsternannten „Dealmakers” über den Haufen geworfen.

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Die Zahl der Infizierten ist allein zwischen dem 12. und 20. März um fast das Zehnfache von rund 1300 auf rund 14.300 angestiegen. Mehr als 200 Menschen sind bisher an den Folgen der Infektion gestorben (Stand: 20. März, 17.30 Uhr MEZ). Bedingt durch sehr spät begonnenes Testen der Bevölkerung (330 Millionen Amerikaner) werden die Zahlen voraussichtlich schon in kurzer Zeit sechsstellig sein, deutete die Koordinatorin der Corona-Sondereinheit im Weißen Haus, Dr. Deborah Birx, zwischen den Zeilen an.

Ausgehsperre in Kalifornien verhängt

In Kalifornien könnten sich bis Mitte Mai im schlimmsten Fall sogar 25 Millionen Menschen mit dem Virus anstecken, hat Gouverneur Gavin Newsom ermitteln lassen – und für alle 40 Millionen Einwohner eine unbefristete Ausgehsperre verhängt. In New York und anderen Ballungsräumen wird in Kürze mit ähnlichen Maßnahmen gerechnet, um die Ansteckungsquoten zu senken.

Welche Auswirkungen das Krisen-Management in Washington im globalen Maßstab haben wird? Dass Trumps „America First”-Strategie viele Verwerfungen ausgelöst hat, etwa den Handelskrieg mit China, sei kein ermutigendes Zeichen, sagen inoffiziell EU-Diplomaten in Washington.

„Die Anstrengungen im Kampf gegen das Coronavirus müssen unbedingt gebündelt werden.” Mehr Gemeinsamkeit einzuüben, dazu wäre im Juni beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrie-Nationen (G 7) auf Trumps Präsidenten-Landsitz Camp David Gelegenheit gewesen. Wegen Corona ist der Termin zur Videokonferenz umfunktioniert worden.

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