Düsseldorf. Der Untersuchungsausschuss im Fall Lügde befragt Mitarbeiter eines Kindergartens. Sie sollen frühzeitig auf Gefährdungen hingewiesen haben.

Der Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtags zum sexuellen Kindesmissbrauch in Lügde hat am Montag unter anderem vier Zeugen, die in einem Heilpädagogischen Kindergarten tätig sind, befragt. Einer von ihnen hat bereits 2015 erste Bedenken geäußert. Auch eine Mitarbeiterin des Kinderschutzbundes in Bad Pyrmont machte Jugendamt und Polizei auf den späteren Haupttäter aufmerksam. Zuvor suchte ein alleinerziehender Vater ihren Rat, nachdem der Mann sich ihm gegenüber pädophil geäußert hatte.

Fall-Lügde: Kindergarten-Mitarbeiter sollen gewarnt haben

Drei der Kita-Mitarbeiter sollen sich demnach bemüht haben, auf Gefährdungen der Pflegetochter des später wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs zu 13 Jahren Freiheitsstrafe verurteilten Haupttäters hinzuweisen. Zudem habe eine Kindergarten-Psychologin bereits 2016 den Verdacht auf sexuell übergriffiges Verhalten geäußert. „Ich habe der Polizei gesagt: Bitte, bitte, überprüfen Sie diesen Mann. Da stimmt etwas nicht.“ Die Antwort der Polizei bekam die 62-Jährige drei Tage später: Man habe nichts feststellen können.

Und auch seitens der Jugendämter habe sie keine weiteren Rückmeldungen bekommen. „Ich dachte, der Fall sei in guten Händen.“ Immerhin sei die Zusammenarbeit mit den Jugendämtern bislang immer gut verlaufen. „Hätte ich gewusst, dass es noch ein Pflegekind gibt und wäre ich vom sexuellen Missbrauch ausgegangen, hätte ich bestimmt anders gehandelt.“

Täter erhält das Aufenthaltsbestimmungsrecht

Im Falle eines 7-jährigen Mädchens – dem späteren Pflegekind und Opfer des Haupttäters – habe ein 41-jähriger Mitarbeiter einer Kita in Niedersachsen erste Hinweise auf Kindeswohlgefährdung gegeben. Mit dreieinhalb Jahren sei das Mädchen 2014 in den niedersächsischen Kindergarten – eine Einrichtung für Kinder mit Behinderungen und Verhaltensauffälligkeiten – gekommen. „Der emotionale Zustand war alarmierend“, erinnert sich der 41-jährige Pädagoge, der damals die Gruppe betreute. Die Mutter kaum erreichbar, das Kind mit hygienischer, emotionaler und sprachlicher Auffälligkeit: So kam es, dass er 2015 eine Meldung wegen Kindeswohlgefährdung schrieb.


Geändert habe sich seit dem wenig, außer, dass 2016 immer wieder der Name des späteren Haupttäters erwähnt wurde. Das Mädchen habe immer wieder von ihm geschwärmt und von den gemeinsamen Ausflügen erzählt. Wenig später wurde bekannt, dass es vollständig bei ihm auf dem Campingplatz leben soll – auf Wunsch der Mutter. „Wir kannten den Mann nicht, also haben wir den Kontakt zu ihm gesucht. Das Jugendamt hat uns dann gesagt, dass er das Aufenthaltsbestimmungsrecht zugesprochen bekam“, sagt der Pädagoge.

Die Mitarbeiter haben diesbezüglich immer wieder ihre Bedenken geäußert. Von Gerüchten, der Mann habe sich pädophil geäußert, dass ein Campingplatz nicht der richtige Ort für das Mädchen sei, dass das Verhalten des Mannes dubios sei – all das habe nur wenig Anklang gefunden. Eine Rückmeldung seitens des Jugendamtes habe es danach nicht mehr gegeben. „Das ist leider normal“, bestätigt der Mitarbeiter der Kita.

Fehleinschätzungen und Versäumnisse der Behörden?

Der Untersuchungsausschuss durchleuchtet seit September 2019, inwieweit Fehleinschätzungen oder Versäumnisse von Regierungsstellen oder Behörden den Missbrauch auf einem Campingplatz im lippischen Lügde begünstigt haben. Dort hatte es über viele Jahre hundertfach sexuelle Gewalt gegen zahlreiche Kinder gegeben. Das Landgericht Detmold hatte im Herbst langjährige Freiheitsstrafen und Sicherungsverwahrung gegen die Haupttäter verhängt.

Zeugenaussagen offenbaren Mängel in der Kommunikation

Die ersten Zeugenaussagen im Ausschuss hatten Ende Januar eklatante Defizite im Umgang mit dem Fall offenbart. Demnach gab es gravierende Kommunikationsmängel zwischen Jugendamt und Familienhilfe und – trotz mehrerer Hinweise – kein geordnetes Frühwarnsystem über den Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch auf dem Campingplatz. (dpa)