Düsseldorf. CDU-Vorsitzkandidat Armin Laschet über den Kampf gegen die Corona-Epidemie und die zugespitzte Flüchtlingssituation an der EU-Grenze.

Armin Laschet hat keine Scheu, Besuchern die Hand zu geben – obwohl das Coronavirus in Nordrhein-Westfalen so weit verbreitet ist wie nirgendwo sonst in Deutschland. Der Ministerpräsident will sich aber strikt an die Richtlinien des Robert-Koch-Instituts halten: Hände waschen, sich nicht ins Gesicht fassen.

Herr Laschet, das Coronavirus breitet sich auch in Deutschland immer weiter aus. Wie groß ist Ihre Sorge?

Armin Laschet: Natürlich mache ich mir Sorgen. Politik und Verwaltung tun alles Menschenmögliche, um die Epidemie so weit wie möglich einzudämmen. Dazu kann aber auch jeder und jede Einzelne von uns durch Umsicht einen Beitrag leisten.

Kann es dazu kommen, dass – nach chinesischem Vorbild – ganze Großstädte abgeriegelt werden?

Laschet: Nein. Für die Abriegelung ganzer Städte gibt es nach Einschätzung der Experten zur Stunde keine Veranlassung. Wir sollten besonnen in dieser sehr herausfordernden Situation handeln. Bei einigen Großveranstaltungen wie Messen ist es sicher richtig, sie abzusagen – oder auf besondere Regeln zu achten. Ich war gerade bei einer Veranstaltung der Indus­trie- und Handelskammer mit 300 Leuten. Dort wurde genau festgehalten, wer auf welchem Platz sitzt, um mögliche Infektionsketten zurückverfolgen zu können. Das finde ich sehr vorausschauend.

Mit der Corona-Krise wird sich auch der Koalitionsgipfel von Union und SPD am Sonntag befassen. Wie kann die Regierung verhindern, dass die Epidemie voll auf die Wirtschaft durchschlägt?

Laschet: Wir sind in einer weltwirtschaftlich schwierigen Lage, über der gleich mehrere Damoklesschwerter schweben – nicht nur die Ausbreitung des Coronavirus. Ich denke an den Handelskrieg zwischen China und den USA, der unsere Wirtschaft immer betreffen kann. Oder an protektionistische Maßnahmen der USA gegen europäische Produkte. Und an den kompletten Umbau der Energiewirtschaft und gleichzeitig der Automobilindustrie. Wir müssen der Wirtschaft helfen, wettbewerbsfähig zu bleiben – auch über Bürokratieabbau und schnelleres Planungsrecht. Wir brauchen ein Entfesselungspaket.

• Newsblog: Alle Entwicklungen zur Ausbreitung des Coronavirus

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Was soll das sein?

Laschet: Wir müssen alle Planungsverfahren überdenken, um sie zu beschleunigen und von unnötiger Bürokratie zu befreien. Das betrifft zum Beispiel auch das Verbandsklagerecht. Schauen Sie nur, was Tesla mit dem Bau seiner Gigafabrik erlebt. Es kann nicht sein, dass ein kleiner Verband aus dem fernen Bayern gegen ein Projekt im ostdeutschen Brandenburg klagt. Verbände sollen nur klagen dürfen, wenn eigene Belange direkt und lokal betroffen sind oder wenn ihnen im Genehmigungsverfahren keine Möglichkeit gegeben wurde, sich ordnungsgemäß an der Planung zu beteiligen. Ansonsten wird doch das Verbandsklagerecht pauschal für die Blockade von bedeutsamen Infrastrukturprojekten oder Investitionen nationaler Dimension missbraucht. Ich erwarte vom Koalitionsgipfel einen Pakt für Beschleunigung. Jeder muss erkennen: Die wirtschaftliche Substanz Deutschlands ist zwar noch gut, aber wir gehen in eine Phase großer Herausforderungen.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet in seinem Büro.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet in seinem Büro. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Genügt Bürokratieabbau, um die Wirtschaft zu stabilisieren?

Laschet: Er ist ein wichtiger Hebel, weil er unser Land befähigt, wieder schneller und flexibler zu werden. Wir lassen zu viele Chancen liegen, weil wir in zu vielen Instanzen und Behörden alles mehrfach regeln, prüfen und bürokratisch reglementieren. Und wir müssen jetzt auch in der Lage sein, schnell auf spezifische Situationen von Unternehmen mit Anpassungen der Regeln für Kurzarbeitergeld zu reagieren. Und es muss dann unbürokratisch gezahlt werden. Auch das gehört zur Entfesselung.

Das Corona-Krisenmanagement wird auch als Reifeprüfung, als Kanzler-Test für den ehrgeizigen Gesundheitsminister Jens Spahn beschrieben. Halten Sie das für übertrieben?

Laschet: Jens Spahn ist längst einer der Pluspunkte der großen Koalition. Das zeigt sich auch im Umgang mit Corona. Er braucht keine Reifeprüfung. Er ist ein starker Minister.

Coronavirus- Spahn gegen Schließung der Grenzen in der EU

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    Sie kandidieren im Doppel mit Spahn für den Vorsitz der CDU. Kann sich die Epidemie auf den Wahlausgang auswirken?

    Laschet: Ich denke nicht. Wir haben zu entscheiden über die Zukunft der CDU nach 2021. Das sollte nicht von kurzfristigen Ereignissen geprägt sein, sondern von der Grundsatzfrage: Wie stellt sich eine moderne Volkspartei für die Zukunft auf?

    Ihr Mitbewerber Friedrich Merz stellt Sie als Kandidat des Weiter-so dar. Ärgert Sie das?

    Laschet: Nein. Aber natürlich ist das falsch, weil es ab 2021 kein Weiter-so geben wird. Die Kanzlerin ist nach 16 Jahren dann nicht mehr Kanzlerin. Der Koalitionspartner dürfte dann auch nicht mehr der gleiche sein. Angela Merkels Kanzlerschaft war geprägt durch den Umgang mit drei großen Krisen: die Weltfinanzkrise, die Euro-Schuldenkrise und die Flüchtlingskrise. Jetzt, zu Beginn der 2020er-Jahre, kommen neue Herausforderungen, eine neue Dynamik. Es geht jetzt um die Zukunft unserer Industrie und unseres Mittelstandes in der digitalen Welt, um Europas Rolle im Wettbewerb mit China und den USA, um den Wandel in der Energiewirtschaft und in der Automobilindustrie. Es geht um Zukunft und nicht um Vergangenheitsbewältigung. Alles wird anders.

    Was unterscheidet Sie politisch am meisten von Merkel?

    Laschet: (lacht) Nehmen Sie schon das biografisch Augenfällige: Ich bin Rheinländer, ein Mann aus dem Westen, katholisch, regiere mit der FDP. Und ich habe Jura studiert, keine Naturwissenschaften. Im Ernst: Ich halte nichts von solchen Typenbeschreibungen. Jeder Mensch hat seine eigene Biografie. Und die Lebensgeschichte von Angela Merkel als Pfarrerstochter in der DDR ist für mich, wenn sie davon erzählt, auch 30 Jahre nach der Einheit noch faszinierend, weil sie so völlig anders ist als meine Jugend im katholischen Milieu der alten Bundesrepublik.

    Wird der neue CDU-Vorsitzende auch Kanzlerkandidat der Union?

    Laschet: Völlig klar: Wer jetzt CDU-Chef wird, ist auch ein potenzieller Kanzlerkandidat. Die Frage der Kanzlerkandidatur entscheiden wir aber zusammen mit der CSU.

    Friedrich Merz ist von seinem Sieg überzeugt. Wie optimistisch schätzen Sie Ihre Chancen ein?

    Gut. In der Partei finde ich viel Zuspruch für die Idee, die CDU breit aufzustellen. In der Kombination mit Jens Spahn führen wir unterschiedliche Akzente zusammen. Und für viele ist nicht ganz unwichtig, dass jemand die Partei führt, der schon Wahlen gewonnen und als Regierungschef ein Land geführt hat.

    Stellen wir uns vor, Sie sind Bundeskanzler. Was tun Sie, um die Flüchtlingssituation an der türkisch-griechischen Grenze zu entschärfen?

    Laschet: Als Ministerpräsident sage ich Ihnen: Es ist zwingend, dass wir das Prinzip aufrechterhalten, die europäischen Außengrenzen zu schützen, illegale Migration zu verhindern und humanitäre Hilfe im Herkunftsland leisten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war sofort in Griechenland und hat Unterstützung beim Grenzschutz zugesagt. Das ist der richtige Weg: Europa muss sich zeigen an der griechischen Grenze. Außerdem müssen wir dem türkischen Präsidenten Erdogan deutlich machen, dass es nicht akzeptabel ist, Flüchtlinge für seine Kriegsziele in Syrien zu missbrauchen.

    Was bedeutet das für die Flüchtlinge auf den griechischen Inseln?

    Jeder, der illegal die Grenze überschreitet, wird zurückgeführt – in die Türkei, wo er nicht verfolgt, sondern in Flüchtlingslagern versorgt werden sollte. Und wenn der Bürgerkrieg vorbei ist, kann er von dort nach Syrien zurückkehren. Das regelt das Abkommen mit der Türkei. Dieses kann man sicher verbessern. Aber das Prinzip bleibt richtig.

    • Newsblog: Alle Entwicklungen an den EU-Grenzen in Griechenland

    • Die Bildergalerie zeigt alle CDU-Vorsitzenden seit 1946:

    Das sind die CDU-Vorsitzenden seit 1946

    Konrad Adenauer gehörte zu den Begründern der CDU. Der aus Köln stammende Jurist war von 1950 bis 1966 CDU-Bundesvorsitzender. Seit 1946 war er bereits Vorsitzender der CDU in der britischen Besatzungszone. Von 1949 bis 1963 war Adenauer der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Von Konrad Adenauer bis Angela Merkel: Seit 1946 standen sechs Männer und eine Frau an der Spitze der CDU. Hier stellen wir sie vor.
    Konrad Adenauer gehörte zu den Begründern der CDU. Der aus Köln stammende Jurist war von 1950 bis 1966 CDU-Bundesvorsitzender. Seit 1946 war er bereits Vorsitzender der CDU in der britischen Besatzungszone. Von 1949 bis 1963 war Adenauer der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Von Konrad Adenauer bis Angela Merkel: Seit 1946 standen sechs Männer und eine Frau an der Spitze der CDU. Hier stellen wir sie vor. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
    Ludwig Erhard, Vater des „deutschen Wirtschaftswunders“ und zweiter Bundeskanzler (1963 bis 1966), hatte den CDU-Vorsitz von 1966 bis 1967 inne.
    Ludwig Erhard, Vater des „deutschen Wirtschaftswunders“ und zweiter Bundeskanzler (1963 bis 1966), hatte den CDU-Vorsitz von 1966 bis 1967 inne. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
    Kurt Georg Kiesinger, dritter Bundeskanzler (1966 bis 1969), war von 1967 bis 1971 CDU-Chef. Schon 1933, im Jahr von Hitlers Machtübernahme, war Kiesinger in die NSDAP eingetreten. Das wurde ihm in den 1960er-Jahren vor allem von der „Außerparlamentarischen Opposition“ immer wieder vorgehalten.
    Kurt Georg Kiesinger, dritter Bundeskanzler (1966 bis 1969), war von 1967 bis 1971 CDU-Chef. Schon 1933, im Jahr von Hitlers Machtübernahme, war Kiesinger in die NSDAP eingetreten. Das wurde ihm in den 1960er-Jahren vor allem von der „Außerparlamentarischen Opposition“ immer wieder vorgehalten. © imago/United Archives International | Personalities
    Rainer Candidus Barzel war von 1971 bis 1973 CDU-Parteivorsitzender.
    Rainer Candidus Barzel war von 1971 bis 1973 CDU-Parteivorsitzender. © imago | SVEN SIMON
    Helmut Kohl war von 1973 bis 1998 CDU-Parteivorsitzender.
    Helmut Kohl war von 1973 bis 1998 CDU-Parteivorsitzender. © imago/WEREK | imago stock&people
    Kohl führte von 1982 bis 1998 als sechster Bundeskanzler der BRD eine CDU/CSU/FDP-Koalition und ist damit der Kanzler mit der längsten Amtszeit.
    Kohl führte von 1982 bis 1998 als sechster Bundeskanzler der BRD eine CDU/CSU/FDP-Koalition und ist damit der Kanzler mit der längsten Amtszeit. © imago/imagebroker | imago stock&people
    Wolfgang Schäuble, aktueller Bundestagspräsident, war von 1998 bis 2000 CDU-Parteivorsitzender.
    Wolfgang Schäuble, aktueller Bundestagspräsident, war von 1998 bis 2000 CDU-Parteivorsitzender. © imago/ZUMA Press | Emmanuele Contini
    Angela Merkel ist seit dem Jahr 2000 CDU-Vorsitzende. Seit 22. November 2005 ist die studierte Physikerin Bundeskanzlerin.
    Angela Merkel ist seit dem Jahr 2000 CDU-Vorsitzende. Seit 22. November 2005 ist die studierte Physikerin Bundeskanzlerin. © Getty Images | Carsten Koall
    Annegret Kramp-Karrenbauer war vom 7. Dezember 2018 bis Januar 2021 die Bundesvorsitzende der Partei.
    Annegret Kramp-Karrenbauer war vom 7. Dezember 2018 bis Januar 2021 die Bundesvorsitzende der Partei. © dpa | Sebastian Gollnow
    Der damalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet setzte sich Anfang 2021 gegen seine Konkurrenten Norbert Röttgen und Friedrich Merz durch. Er wurde CDU-Vorsitzender und trat als Spitzenkandidat im Bundestagwahlkampf 2021 an. Die Union verlor die Wahl. Laschet zog als einfacher Abgeordneter in den Bundestag ein und machte den Weg frei für eine neue CDU-Spitze.
    Der damalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet setzte sich Anfang 2021 gegen seine Konkurrenten Norbert Röttgen und Friedrich Merz durch. Er wurde CDU-Vorsitzender und trat als Spitzenkandidat im Bundestagwahlkampf 2021 an. Die Union verlor die Wahl. Laschet zog als einfacher Abgeordneter in den Bundestag ein und machte den Weg frei für eine neue CDU-Spitze. © dpa | Bernd Weißbrod
    Friedrich Merz folgt auf Armin Laschet. Der Sauerländer (*11. November 1955 in Brilon) ist seit dem 31. Januar 2022 Bundesvorsitzender der CDU. Seit 2021 sitzt Merz auch für die Partei im Bundestag.
    Friedrich Merz folgt auf Armin Laschet. Der Sauerländer (*11. November 1955 in Brilon) ist seit dem 31. Januar 2022 Bundesvorsitzender der CDU. Seit 2021 sitzt Merz auch für die Partei im Bundestag. © dpa
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    Ist der Flüchtlingspakt mit der Türkei überhaupt zu retten?

    Laschet: Man muss ein wirksames Abkommen sicherstellen. Es leben in der Türkei über dreieinhalb Millionen Flüchtlinge. Die Türkei braucht unsere Unterstützung, um den Flüchtlingen eine menschenwürdige Unterbringung und Ernährung zu ermöglichen, den Kindern Bildung zu geben. Und wir brauchen die Kooperation mit der Türkei, um zu verhindern, dass sich alle auf den Weg nach Europa machen. Daher müssen wir finanzielle Unterstützung bereitstellen.

    Tatsache ist: In griechischen Lagern leben Flüchtlinge im Elend – und die Türkei nimmt sie nicht zurück. Daher wollen die Grünen 5000 besonders schutzbedürftige Menschen nach Deutschland holen. Ist das nicht ein Gebot der Humanität?

    Laschet: Die Grünen senden das fatale Signal, dass Flüchtlinge nur an die Grenze kommen müssen, um in der EU aufgenommen zu werden. Es wäre aktuell falsch, jetzt isoliert von dort Flüchtlingskontingenten zuzustimmen. Wir müssen konsequent bleiben, sonst lösen wir neue Fluchtbewegungen und neues Elend aus. Deshalb muss humanitäre Hilfe vor Ort geleistet werden.

    Sendet auch Innenminister Seehofer ein fatales Signal, wenn er sich zur Aufnahme von Kindern bereit erklärt?

    Laschet: Wir brauchen in Europa eine abgestimmte Lösung, die auch Kindern in Not Rechnung trägt. In der Europä­ischen Union herrscht zugleich Einigkeit, dass wir die Grenze zur Türkei nicht öffnen. Erdogan versucht, die Europäer zu erpressen. Und wir zeigen, dass wir nicht erpressbar sind.

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