Berlin. Wenn Bundestag und Bundesrat grünes Licht geben, kommt ab 2021 die Grundrente. Beispiele, wer Anspruch hat und wie sie sich berechnet.

Wer sein Leben lang unterdurchschnittlich verdient hat, soll ab dem kommenden Jahr seine Rente aufbessern können. Die Bundesregierung hat sich auf einen Gesetzesentwurf zur Grundrente geeinigt, wenn jetzt der Bundestag und der Bundesrat noch grünes Licht geben, dürfen sich 1,3 Millionen Rentner, ab dem 1. Januar 2021 über einen Alterzuschuss zur Rente freuen.

Ob dieser Zeitplan tatsächlich klappt, ist noch unklar, denn die Deutsche Rentenversicherung hat schon angekündigt, dass sie nicht über die personellen Kapazitäten verfügt, um pünktlich zum 1. Januar 2021 die Grundrente auszahlen zu können. Auch die zur Gegenfinanzierung geplante Finanztransaktionssteuer, die die Kosten beginnend von 1,3 Milliarden Euro ab 2021 decken soll, stockt noch. Wer aber bekommt die Grundrente, wenn sie 2021 kommen sollte? Unsere Redaktion erklärt die Berechnung und gibt Beispiele.

Grundrente: Wer ist anspruchsberechtigt?

Grundrente können all jene beziehen, die im Berufsleben unterdurchschnittlich verdient haben. Ermittelt wird das durch die deutsche Rentenversicherung. Wer 35 Jahre lang gearbeitet hat, aber nur durchschnittlich zwischen 0,3 und 0,8 Renten-Entgeltpunkte pro Jahr erworben hat, ist anspruchsberechtigt. Die „Entgeltpunkte“ finden sich auch auf dem Rentenbescheid, die die Deutsche Rentenversicherung jährlich verschickt.

Laut vorläufigem Wert für das Jahr 2020 liegt das Durchschnittsentgelt der Rentenversicherung bei 40.551 Euro. Wer also 40.551 Euro brutto im Jahr verdient, bekommt im Jahr 2020 einen Renten-Entgeltpunkt. Der Wert hat sich in den letzten Jahren stark gesteigert, 2002 lag er beispielsweise noch bei 28.636 Euro.

Für die Grundrente ist aber eben nur anspruchsberechtigt, wer deutlich unter dem einen Renten-Entgeltpunkt liegt. Sprich: Wer also im Jahr 2020 32.440,80 Euro brutto verdient, erwirbt 0,8 Renten-Entgeltpunkte und liegt damit direkt auf der Anspruchsgrenze. 2020 wäre damit kein Jahr, das in die Berechnung für die Grundrente einfließen dürfte.

Wer nun 35 Jahre lang auf durchschnittlich weniger als 0,8 Renten-Entgeltpunkte pro Jahr gekommen ist, hat Anspruch auf die Grundrente. Wenn mehr Rentenjahre zusammengekommen sind, wird der Durchschnitt aus allen Rentenjahren genommen.

Wie wird die Grundrente berechnet?

Die Grundrente ist kein fester Wert, der an alle Anspruchsberechtigten gleichermaßen ausgeschüttet wird. Stattdessen wird sie individuell berechnet: In einem ersten Schritt werden die Renten-Entgeltpunkte verdoppelt, maximal aber auf 0,8 Entgeltpunkte angehoben. Sprich: Wer in mindestens 35 Jahren durchschnittlich 0,3 Renten-Entgeltpunkte erworben hat, bekommt weitere 0,3 Rentenpunkte hinzu. Wer dagegen auf durchschnittlich 0,7 Entgeltpunkte kommt, dessen Rentenwert wird nur auf 0,8 Entgeltpunkte und somit lediglich um 0,1 Entgeltpunkt angehoben.

Der zweite Berechnungsschritt ist kompliziert. Denn der nun verdoppelte oder angehobene Wert der Renten-Entgeltpunkte wird wieder reduziert: Ein Abschlag von 12,5 Prozent wird fällig. Welchen Sinn hat das? Laut Gesetzesentwurf soll so erreicht werden, dass die „Gesamtrente aus den eigenen Beiträgen und dem Zuschlag an Entgeltpunkten umso höher ausfällt, je höher die eigene Beitragsleistung ist.“

Oder einfacher gesagt: So soll verhindert werden, dass ein negativer Anreiz geschaffen wird, indem man sich beispielsweise auf 0,4 Entgeltpunkte pro Jahr einlässt, weil man weiß, dass sie nach 35 Jahren ohnehin verdoppelt werden würden. Denn eigentlich sollte jeder Renten-Entgeltpunkt gleich viel wert sein, also dem Äquivalenzprinzip entsprechen. Das ist er aber durch den Mechanismus nicht mehr. Mit der Reduzierung um 12,5 Prozent findet sich „das Äquivalenzprinzip auch bei der Grundrente wieder“, heißt es in dem Gesetzentwurf.

Außerdem gibt es noch eine wesentliche Einschränkung: Für die Ermittlung der Grundrente werden höchstens 35 Jahre als Zuschlag ermittelt.

Wer bekommt wie viel Grundrente?

Entsprechend ihrer Berechnung ergibt die Grundrente für jeden Einzelnen einen individuellen Wert. Hierzu zwei Beispiele:

Beispiel 1:

Eine Verkäuferin hat in 40 Jahren durchschnittlich 40 Prozent des Durchschnittsentgelts verdient, sie hat also im Schnitt 0,4 Entgeltpunkte pro Jahr gesammelt. Aktuell liegt der Renten-Wert pro Entgeltpunkt in Westdeutschland bei 33,05 Euro, in Ostdeutschland bei 31,89 Euro. Die Verkäuferin des Beispiels hat in Westdeutschland gelebt und gearbeitet, sie hat also in 40 Berufsjahren 16 Renten-Entgeltpunkte erworben (40 Berufsjahre x durchschnittlich 0,4 Entgeltpunkte pro Jahr).

Da sie in Westdeutschland gearbeitet hat, wird der westdeutsche Rentenwert von 33,05 Euro nun mit den Entgeltpunkten multipliziert. Die Verkäuferin hat somit eine monatliche Rente von 528,80 Euro brutto.

Jetzt kommt die Grundrente ins Spiel: Die Verkäuferin kann ihre Entgeltpunkte verdoppeln, da sie im Rahmen von bis zu 0,8 Entgeltpunkten liegt. Auf ihre durchschnittlich gesammelten 0,4 Entgeltpunkte kommen also weitere 0,4 Entgeltpunkte dazu.

Jetzt kommt der kompliziertere zweite Schritt, denn bei diesen 0,4 Entgeltpunkten bleibt es nicht. Zum einen werden für diese 0,4 „Grundrenten-Entgeltpunkte“ nur 35 statt 40 Jahre herangezogen, zum anderen wird der Abschlag von 12,5 Prozent fällig. Entsprechend wird wie folgt gerechnet: 35 Grundrente-Beitragsjahre x (0,4 Entgeltpunkte x 12,5 Prozent) = 12,25 Entgeltpunkte.

Die Verkäuferin bekommt also den aktuellen Rentenwert von 33,05 Euro auf weitere 12,25 Entgeltpunkte angerechnet und somit 404,86 Euro im Monat zusätzlich. Zusammen mit ihrer eigentlichen Rente hat sie somit am Monatsende 933,66 Euro (528,80 Euro + 404,86 Euro). Statt netto also rund 475 Euro in der Tasche zu haben, hat sie künftig rund 837 Euro netto zur Verfügung.

Würde dieselbe Verkäuferin in Ostdeutschland 40 Jahre gearbeitet haben, käme sie auf eine monatliche Rente von 510,24 Euro brutto und würde durch die Grundrente 390,65 Euro zusätzlich erhalten. Sie käme also brutto in der Summe auf 900,89 Euro, netto würden davon ungefähr 808 Euro übrig bleiben.

Die Berechnung der Grundrente ist kompliziert – für jeden Einzelnen muss sie individuell berechnet werden.
Die Berechnung der Grundrente ist kompliziert – für jeden Einzelnen muss sie individuell berechnet werden. © dpa | Marijan Murat

Beispiel 2:

Ein Angestellter hat in 38 Berufsjahren durchschnittlich 0,6 Entgeltpunkte gesammelt. Er bekommt in Westdeutschland also eine Rente von 753,54 Euro (Berechnung: 38 Berufsjahre x 0,6 durchschnittliche Entgeltpunkte = 22,8 Entgeltpunkte; 22,8 Entgeltpunkte x 33,05 Euro pro Entgeltpunkt = 753,54 Euro).

Für den Grundrenten-Zuschlag können nun die Entgeltpunkte nicht verdoppelt werden, da maximal 0,8 Entgeltpunkte angerechnet werden können. Die Rente wird somit nur um 0,2 Entgeltpunkte aufgebessert (0,8 - 0,6 = 0,2). Diese erhalten wieder einen Abschlag von 12,5 Prozent und werden nur auf 35 Jahre angerechnet. Folgende Berechnung wird angewandt: 35 Grundrentenjahre x (0,2 Entgeltpunkte x 12,5 Prozent) = 6,125 Entgeltpunkte. Diese 6,125 Entgeltpunkte multipliziert mit dem West-Rentenwert von 33,05 Euro ergeben einen Zuschlag in Höhe von 202,43 Euro. Insgesamt erhält der Angestellte also 955,97 Euro brutto, ihm bleiben netto rund 857 Euro.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat die Grundrente auf den Weg gebracht.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat die Grundrente auf den Weg gebracht. © dpa | Christoph Schmidt

Was ist, wenn man einige Jahre unter 0,3 Entgeltpunkten erhalten hat?

Die Grundrente ist nicht nur nach oben mit den 0,8 Entgeltpunkten gedeckelt, sondern auch nach unten begrenzt. Jahre mit unter 0,3 Entgeltpunkten werden nicht berücksichtigt. Trotzdem können auch diese Jahre als Grundrentenzeit gewertet werden. Auch hierzu ein Beispiel:

Eine Verkäuferin kommt auf 38 Jahre, die sie in die Rentenkasse eingezahlt hat. In dieser Zeit hat sie durchschnittlich 0,6 Entgeltpunkte erzielt. Sie bekommt also monatlich in Westdeutschland 754 Euro Rente (brutto).

Nun hat sie aber, beispielsweise wegen Kindererziehungszeiten oder Minijobs, sehr unregelmäßige Einkommen gehabt und lag zwölf Jahre lang unter den für die Grundrente erforderlichen 0,3 Entgeltpunkten. In den übrigen 26 Jahren hat sie dagegen durchschnittlich 0,7 Entgeltpunkte erzielt. Für die Grundrente werden jetzt nur diese 26 Jahre berücksichtigt. Die Berechnung folgt demselben Muster wie oben:

0,8 Entgeltpunkte - 0,7 Entgeltpunkte = 0,1 Entgeltpunkt. Die Verkäuferin bekommt also Grundrente auf 0,1 Entgeltpunkt. Hiervon gehen 12,5 Prozent Abschlag ab, es bleiben also 0,0875 Entgeltpunkte. Grundrentenberechtigte Jahre sind jetzt eben nur die 26 Jahre, in denen sie über den 0,3 Entgeltpunkten lag. Also gilt: 26 Jahre x 0,0875 Entgeltpunkte x 33,05 Euro/Entgeltpunkte (Westdeutschland) = 75,19 Euro Grundrente pro Monat.

Was hat es mit den Einkommensgrenzen auf sich?

Auf eine Bedürftigkeitsprüfung wurde in dem Gesetzesentwurf verzichtet. Trotzdem soll verhindert werden, dass Senioren eine zusätzliche Alterssicherung erhalten, die darauf gar nicht angewiesen wären. Deshalb gibt es Einkommensgrenzen: Der Freibetrag bei Alleinstehenden liegt bei 1250 Euro. Wer weniger Einkommen hat, muss also keinen Abschlag zahlen.

Zwischen 1250 Euro und 1600 Euro wird der Betrag zu 60 Prozent auf die Grundrente angerechnet, bei über 1600 Euro zu 100 Prozent. Bei Paaren liegt die Freigrenze bei 1950 Euro, 60 Prozent Abschlag gibt es bis zu 2300 Euro, alles darüber wird zu 100 Prozent auf die Grundrente angerechnet. Was heißt das konkret?

Ein Arbeiter aus Westdeutschland hat durchschnittlich 0,55 Entgeltpunkte in 38 Beitragsjahren erzielt, er bekommt rund 691 Euro Rente. Mit der Grundrente bessert er sein Einkommen um weitere 253 Euro auf, erzielt also eine Gesamtrente von 944 Euro brutto.

Nun besitzt der Arbeiter aber auch noch eine Mietwohnung und erhält als Einkommen eine monatliche Miete in Höhe von 400 Euro. Sein Einkommen beträgt somit 1344 Euro, er liegt also 94 Euro über dem Freibetrag von 1250 Euro. Auf diese 94 Euro wird nun ein 60-prozentiger Abschlag, also 56,40 Euro, von der Grundrente abgezogen. Die Grundrente verringert sich also wie folgt: 253 Euro - 56,40 Euro = 196,60 Euro.

Angenommen, derselbe Arbeiter hätte weitere Nebeneinkünfte und würde auch die zweite Einkommensgrenze von 1600 Euro übersteigen und ein monatliches Einkommen von 1620 Euro haben, würde noch mehr abgezogen werden. Denn dann gilt: Die 350, die sich zwischen den Freigrenzen von 1250 und 1600 Euro befinden, würden einen Abschlag von 60 Prozent erhalten, macht also 210 Euro. Die 20 Euro, die die Grenze von 1600 Euro übersteigen, würden zu 100 Prozent, also vollständig auf die Grundrente angerechnet. Die anfängliche Grundrente von 253 Euro würde sich also sowohl um die 210 Euro also auch um die 20 Euro reduzieren. Es bliebe eine Grundrente von 23 Euro brutto im Monat übrig.

Mehr zur Grundrente:

Zwar hat sich die Regierung auf einen Gesetzesentwurf geeinigt, dennoch ist die Grundrente innerhalb der Parteien hoch umstritten. Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Vorsitz, sagte im Interview mit unserer Redaktion beispielsweise, dass die CDU Entscheidungen zulasten der jüngeren Generation mittrage.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans würde die Grundrente dagegen noch ausweiten und provoziert damit die Union. Besonderen Zündstoff erzeugt die Frage nach der Bezahlbarkeit.ist aber sicher, dass die Grundrente pünktlich kommen wird.