Brüssel/Berlin. Kunden sind vom Kleingeld genervt. 1- und 2-Cent-Stücke könnten nun aus der Geldbörse verschwinden. Machen alle EU-Staaten da mit?

Das Stück Butter gibt es für 1,89 Euro, das Kilo Äpfel kostet 2,28 Euro – mit sogenannten Eckpreisen knapp unter einer runden Zahl preisen Händler ihren Kunden seit langer Zeit Waren als vermeintlich besonders günstig an.

Doch die Kleingeld-Wechselei geht vielen Kunden auf die Nerven. Die Cent-Stücke sind lästig, für den Staat sind sie ein Verlustgeschäft. Jetzt könnte es im Portemonnaie bald anders aussehen: Die EU-Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen plant das Aus für die 1- und 2-Cent-Münzen.

Das geht aus einem Programm zur Entbürokratisierung hervor, das die Kommission am Mittwoch als Teil ihrer Arbeitsplanung beschließen und veröffentlichen will. Der als vertraulich gekennzeichnete Entwurf liegt unserer Redaktion vor.

Cent-Münzen werden gehortet oder gehen verloren

Laut der umfangreichen Liste für Vorhaben mit „Vereinfachungspotenzial“ will die Kommission demnächst einen „Vorschlag für einheitliche Rundungsregeln“ präsentieren. „Der Vorschlag zielt darauf, 1- und 2-Cent-Münzen abzuschaffen“, heißt es in dem Dokument.

Zur Begründung wird auf einen Bericht der Kommission von Ende 2018 verwiesen, der bereits sehr ausführlich das Problem der Kleinmünzerei untersucht.

Hauptproblem: Weil die Bürger die 1- und 2-Cent-Stücke offenbar regelmäßig aus dem Portemonnaie aussortieren, muss in den 19 Staaten der Eurozone ständig Nachschub in Umlauf gebracht werden. Seit dem Bargeld-Start des Euro 2002 hat sich die Zahl dieser Geldstücke auf 61 Milliarden mehr als vervierfacht.

Ihr Anteil an allen Euro-Münzen stieg bis Ende 2017 von 35 Prozent auf 48 Prozent. Statistisch besitze inzwischen jeder Bürger der Eurozone 145 solcher 1- und 2-Cent-Münzen. Die Geldstücke zirkulierten nicht ausreichend, würden entweder gehortet oder gingen verloren, so der Kommissionsreport. 2019 prägten die Euro-Staaten insgesamt neue Münzen im Wert von 2,1 Milliarden Euro.

Abschaffung von Cent-Münzen: 64 Prozent der Bürger dafür

Für die Staaten, die selbst für die Münz-Produktion zuständig sind, ist das ein Verlustgeschäft: Die Herstellungs- und Bereitstellungskosten zumindest der 1-Cent-Münze sind dem Bericht zufolge höher als ihr Geldwert, bei der 2-Cent-Münze schwanken die Angaben der beteiligten Euro-Staaten. Für Deutschland gehen frühere Schätzungen davon aus, dass ein 1-Cent-Stück in der Herstellung 1,65 Cent kostet.

Einige Staaten mit der Euro-Währung sind deshalb dazu übergegangen, die eigene Produktion zu minimieren. In Deutschland hat die Nordseeinsel Wangerooge für Aufsehen gesorgt, weil die lokale Volksbank wegen der Transportkosten keine neuen Kupfermünzen mehr ordert.

Die EU-Kommission verweist auf Umfragen, nach denen eine zunehmende Zahl von EU-Bürgern für die Abschaffung der beiden Kupfermünzen sei: 64 Prozent der Befragten – in Deutschland wie in der gesamten EU – plädierten demnach für das Aus des Kleinstgeldes.

In einigen Staaten ist Auf- oder Abrunden Standard

Besonders stark ist der öffentliche Druck etwa in Finnland, Italien und den Niederlanden. Kein Zufall: Die drei gehören zu den Staaten, die von sich aus bereits Initiativen ergriffen haben – sie erklärten es zum Standard oder erlauben es, beim Einkauf den Preis auf- oder abzurunden, je nachdem was näher an der nächsten 5-Cent-Stufe liegt. Erst 2019 schloss sich Belgien an, dort reagieren die Bürger bislang aber verhalten auf die Neuerung.

Allerdings: Auch die Kleinstmünzen bleiben in diesen Ländern gesetzliches Zahlungsmittel – denn ganz abschaffen kann sie nur die EU, nicht ein einzelner Staat. Und ob ein einstimmiger Beschluss der Euroländer zustande kommt, ist fraglich. Ein erster Versuch der Kommission scheiterte vor sieben Jahren.

Auch jetzt gibt es Widerstand. Unter anderem von der Bundesregierung. Ein Sprecher von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte unserer Redaktion: „In der Bundesregierung gibt es derzeit keine Überlegungen zur Abschaffung der 1- und 2-Cent-Münzen in Deutschland.“

Die Kommission räumt ein, dass das Ende der Kleinstmünzen zu einer schlagartigen Preisänderung bei vielen Produkten führen könne – und zu einer generellen Preiserhöhung, mithin zu einer höheren Inflationsrate.

Doch dies wäre allenfalls ein vorübergehendes Phänomen. In Staaten, in denen jetzt schon auf- oder abgerundet werde, sei ein solcher Effekt jedenfalls nicht messbar. Außerdem bezahlten Bürger zunehmend bargeldlos – und elektronisch ließen sich die krummen Eckpreise ja weiter problemlos begleichen.

Hier knüpft auch Kritik an: Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber warnte umgehend, die Abschaffung der 1- und 2-Cent–Münzen sei riskanter als es zunächst scheine. Der Schritt dürfe auf keinen Fall dazu dienen, den Ausstieg aus dem Bargeld vorzubereiten. Laut einer Studie zahlt aber die Mehrheit der Deutschen lieber bargeldlos.

Abschaffung von Cent-Münzen: Grünen-Fraktionsvize dafür

Für die Abschaffung der Cent-Münzen gibt es in Deutschland auch starke Befürworter. Der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer etwa klagt über die „große Verschwendung an Geld, Metallen und Energie“ bei der Herstellung der kleinen Münzen. Die Bundesbank solle sich deshalb Finnland zum Vorbild nehmen und die Prägung einstellen.

Einen solchen Weg im Schulterschluss der Euro-Staaten hält auch die EU-Kommission für gangbar. In ihrem Report wird die Möglichkeit beschrieben, 1- und 2-Cent-Münzen vorerst nicht abzuschaffen, sondern auslaufen zu lassen, indem keine neuen Geldstücke mehr geprägt werden. Als gesetzliches Zahlungsmittel würden die Kleinstmünzen dann erst später aus dem Verkehr gezogen.

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