Brüssel. Der Brexit wird jetzt Realität: Noch nie gab es einen Austritt aus der EU. Was bedeutet das für uns? Wird Reisen jetzt schwieriger?

  • Am Freitag, 31. Januar 2020, tritt Großbritannien aus der EU aus
  • Welche Auswirkungen hat diese Änderungen in der EU für die deutschen Bürger?
  • Großbritannien muss 40 bis 50 Milliarden Euro an die EU als Abschlusszahlung leisten

Es ist die Woche des Abschieds: Großbritannien verlässt an diesem Freitag nach 47 Jahren Mitgliedschaft die Europäische Union. Die Briten schreiben mit dem Brexit Europageschichte: Noch nie ist ein Mitgliedstaat wieder aus der EU ausgetreten.

Aber was genau geschieht jetzt eigentlich? Und was müssen Bürger in Deutschland wissen, was ändert sich für sie? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Brexit: Was passiert am Freitag, 31. Januar 2020?

In der Nacht zum Samstag – um 24 Uhr mitteleuropäischer Zeit, 23 Uhr britischer Zeit – endet die EU-Mitgliedschaft. Ein Point of no Return: Von diesem Zeitpunkt kann der vor fast drei Jahren eingereichte Austrittsantrag nicht mehr zurückgezogen werden. Falls die Briten doch wieder rein wollen, müssten sie ein kompliziertes Aufnahmeverfahren durchlaufen.

Brexit-Befürworter wollen in der Nacht rund um das Parlament in London eine riesige Party steigen lassen: „Es gibt einen großen Moment in der Geschichte unserer Nation zu feiern“, sagt EU-Gegner Nigel Farage, einer der Väter des Brexit.

Allerdings: Der Versuch, zur Brexit-Stunde den Big Ben läuten zu lassen, ist gescheitert. Der Glockenturm wird gerade renoviert, eine Reaktivierung für den Anlass hätte fast 600.000 Euro gekostet, und eine Spendenaktion ist wieder abgeblasen worden.

Brexit: Was ändert sich ab Samstag, 1. Februar 2020?

Erst mal nicht viel. Denn der zwischen EU und Großbritannien vereinbarte Austrittsvertrag sieht eine Übergangszeit bis Ende 2020 vor. Bis dahin hält sich Großbritannien an die EU-Regeln, bleibt im Binnenmarkt, zahlt weiter in den EU-Haushalt ein.

Der größte Unterschied: Ab sofort darf das Königreich nicht mehr in Brüssel mitbestimmen. Der 600 Seiten starke Brexit-Scheidungsvertrag hat auch festgelegt, dass Großbritannien 40 bis 50 Milliarden Euro als Abschlusszahlung an die EU leisten muss; zudem wurden eine Reihe möglicher Streitfragen vorgeklärt.

Aber die wichtigen Abkommen müssen jetzt erst noch ausgehandelt werden – vor allem ein Freihandelsabkommen. Dafür ist die Übergangszeit gedacht.

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Sind alle Formalitäten erledigt?

Nein. Das EU-Parlament muss an diesem Mittwoch dem Austrittsvertrag noch zustimmen. Die Ratifizierung gilt aber als Formsache. EU-Parlamentspräsident David Sassoli hatte unserer Redaktion kürzlich gesagt: „Das Austrittsabkommen spiegelt die Prioritäten des Europaparlaments klar wider, daher bin ich überzeugt, dass es nach dem Okay im britischen Unterhaus auch vom Europaparlament gebilligt wird.“

Das britische Parlament hat den überarbeiteten Vertrag vor wenigen Tagen endgültig ratifiziert – nachdem die ursprüngliche Fassung, die die damalige Premierministerin Theresa May ausgehandelt hatte, dreimal im Unterhaus durchgefallen war. Der für den 29. März 2019 geplante Austrittstermin musste deshalb mehrmals verschoben werden.

Was heißt überhaupt Brexit?

Es ist eine Wortschöpfung aus „British“ und „Exit“, also britischer Austritt. Den Begriff hat schon 2012 der Brexit-Gegner und frühere Mediendirektor der Tories, Peter Wilding, erfunden („ein trauriges Wort“), bald übernahmen ihn die Befürworter einer Loslösung von der EU.

Beim Referendum im Juni 2016 stimmten dann 51,9 Prozent der Briten für den EU-Austritt – in der Hoffnung, das Vereinigte Königreich könne ohne Vorschriften der EU erfolgreicher sein, die Zuwanderung reduzieren und Geld sparen. Ob sich diese Erwartungen erfüllen, ist mehr als ungewiss.

Was ändert sich durch den Brexit für EU-Bürger auf der Insel und Briten in der EU?

Der Brexit-Vertrag sichert den mehr als drei Millionen EU-Bürgern in Großbritannien und einer Million Briten auf dem Festland zu, auch nach der Übergangsphase so weiterleben zu können wie bisher. Das betrifft das Recht auf Aufenthalt, Erwerbstätigkeit oder Familiennachzug.

Allerdings muss später eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt werden, die versagt werden kann, wenn etwa schwere Straftaten begangen wurden. 1,5 Millionen EU-Bürger auf der Insel haben eine solche Erlaubnis schon erhalten.

Der Brexit steht bevor: Was bedeutet das für Reisen ins Vereinigte Königreich?
Der Brexit steht bevor: Was bedeutet das für Reisen ins Vereinigte Königreich? © dpa | Dominic Lipinski

Brexit: Wie kompliziert werden Reisen?

Bis Ende des Jahres ändert sich nichts. Es reicht weiter ein gültiger Personalausweis oder Reisepass für die Einreise nach Großbritannien. Schon jetzt gibt es Grenzkontrollen, weil Großbritannien nicht zur Schengenzone gehörte. Deutsche sind bei Reisen in Großbritannien auch weiterhin durch ihre Krankenversicherung abgesichert, auch der Führerschein gilt weiter.

Wer allerdings auf eine Schnäppchen-Reise hofft, könnte enttäuscht werden: Das britische Pfund ist zwar immer noch um gut zehn Prozent schwächer als vor der Brexit-Entscheidung 2016, aber den starken Einbruch vom vergangenen Sommer hat die Währung überwunden. Ein Pfund ist derzeit 1,19 Euro wert.

Wird das EU-Parlament jetzt kleiner?

Ja. Die 73 britischen Abgeordneten verlassen diese Woche das Parlament. Allerdings: Die Zahl der Sitze verkleinert sich nur um 44. Denn 27 Mandate werden unter jenen Mitgliedstaaten aufgeteilt, die bisher leicht unterrepräsentiert waren, etwa Spanien und Frankreich. Diese 27 Abgeordneten hatten schon bei der Europawahl im Mai 2019 ein Mandat gewonnen, durften es aber bis zum Brexit nicht besetzen. Am 29. Januar wurde der Brexit-Vertrag im EU-Parlament beschlossen. Es flossen viele Tränen und die Parlamentarierer sangen zusammen.

Spart die EU durch den Brexit Geld?

Unterm Strich nicht. Großbritannien war nach Deutschland der zweitgrößte Nettozahler in der EU. Die Lücke von etwa 12 bis 14 Milliarden Euro jährlich in der EU-Gemeinschaftskasse müssen jetzt die anderen Mitgliedstaaten durch höhere Beiträge schließen, voran Deutschland als größtes EU-Land. Ein Teil soll aber auch durch Kürzungen ausgeglichen werden.

Was wird mit Nordirland?

Damit die Grenze zwischen EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland weitgehend offen bleibt, soll Nordirland laut Austrittsvertrag de facto Teil des EU-Binnenmarktes bleiben und die EU-Standards einhalten. Dafür muss es Kontrollen zwischen Nordirland und dem Rest des Königreichs geben. Das nordirische Parlament muss regelmäßig entscheiden, ob die Regel weiter gilt.


Brexit - Londons Scheidungsvertrag mit der EU

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    Wie geht es jetzt weiter?

    Voraussichtlich ab Anfang März verhandeln die EU-Kommission und die britische Regierung über die Abkommen zu den künftigen Beziehungen. Eigentlich ist allen klar, dass solche Verträge nicht schon bis Jahresende fertig sein werden.

    Premierminister Boris Johnson beim Unterzeichnen des Austrittsabkommen zwischen Europäischen Union und Großbritannien.
    Premierminister Boris Johnson beim Unterzeichnen des Austrittsabkommen zwischen Europäischen Union und Großbritannien. © dpa | Andrew Parsons

    Vor allem beim Handel droht Riesenkrach: Premier Boris Johnson hat den Briten versprochen, dass das Land weiter großzügig Zugang zum EU-Binnenmarkt hat, aber zugleich von den EU-Standards abweichen kann. Doch die EU will Standarddumping vor der Haustür nicht zulassen – in diesem Fall bliebe der Binnenmarkt für die Briten weitgehend verschlossen.

    Die EU-Kommission drängt darauf, dass London eine Verlängerung der Übergangsfrist um ein, zwei Jahre beantragt. Johnson lehnt das aber klar ab. Er macht stattdessen jetzt Druck, will der EU laut einem Bericht der „Sunday Times“ mit Autozöllen bis zu zehn Prozent und Käsezöllen bis zu 30 Prozent drohen – so will Johnson Deutschland und Frankreich zwingen, sich für Zugeständnisse an die Briten einzusetzen.

    Die Drohung gibt einen Vorgeschmack auf den Streit der nächsten Monate. Wahrscheinlich werden bis Jahresende nur Rumpfabkommen fertig. Aber wenn alles schief geht und die Übergangszeit im Dezember ganz ohne Folgeverträge ausläuft, käme es doch noch zum Chaos-Brexit, Zölle eingeschlossen.